Entscheidungsstichwort (Thema)

Feststellung der Zeit der Leistung bei mehreren Zuwendungen aufgrund einheitlichen Schenkungsvertrages

 

Leitsatz (amtlich)

  1. Bei mehreren Zuwendungen aufgrund einheitlichen Schenkungsvertrages ist für jeden einzelnen verschenkten Gegenstand die Zeit seiner Leistung im Sinne von § 2325 Abs. 3 BGB gesondert festzustellen.
  2. Die Zehn-Jahres-Frist beginnt bei einer Grundstücksschenkung nicht schon mit der Auflassung; ob dazu Eintragung im Grundbuch erforderlich ist oder Eingang des entsprechenden Eintragungsantrages des Erwerbers beim Grundbuchamt ausreicht, bleibt offen.
 

Normenkette

BGB § 2325

 

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 17. Januar 1986 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Die beiden Kläger sind Geschwister. Ihr Vater ist am 13. August 1983 verstorben und von seiner Ehefrau, der Mutter der Kläger, allein beerbt worden. Die Kläger verlangen von ihrer Mutter, der Beklagten, Pflichtteilsergänzung gemäß § 2325 BGB, weil der Vater seinen - bebauten - Grundbesitz in Mönchengladbach dem am vorliegenden Verfahren nicht beteiligten Bruder Heinz der Kläger aufgrund notariellen Vertrages vom 1. August 1973 schenkweise zu Alleineigentum übertragen habe.

Der Erblasser und sein Sohn Heinz hatten auf diesem Gelände ein Steinmetzunternehmen in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts betrieben, an der sie zuletzt je zur Hälfte beteiligt waren. Durch den genannten Vertrag vom 1. August 1973 schied der Erblasser aus der Gesellschaft aus und überließ das Unternehmen ganz seinem Sohn Heinz. Im Zusammenhang damit übertrug der Erblasser auch den Grundbesitz auf Heinz. Dieser versprach verschiedene Gegenleistungen für das Ausscheiden, insbesondere eine monatliche Rente an den Erblasser und - nach dessen Ableben - an die Beklagte; ferner räumte er seinen Eltern ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht an bestimmten Teilen des Hauses ein, das sich auf dem übereigneten Grundstück befindet.

Die Beklagte bestreitet, daß es sich um eine (gemischte) Schenkung an Heinz handele. Zudem liege der Vorgang mehr als zehn Jahre vor dem Erbfall und könne schon deshalb keinen Pflichtteilsergänzungsanspruch begründen. Die Kläger berufen sich demgegenüber darauf, daß die Eigentumsumschreibung erst am 6. September 1973 stattgefunden hat; der Umschreibungsantrag war am 24. August 1973 bei dem Grundbuchamt eingegangen. Sie verlangen deshalb Zahlung von Teilbeträgen in Höhe von je 5.000 DM nebst Zinsen. Das Landgericht hat die Klage für dem Grunde nach gerechtfertigt erklärt. Auf die Berufung hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit ihrer - zugelassenen - Revision erstreben die Kläger die Zurückweisung der Berufung.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Das Oberlandesgericht läßt offen, ob in dem Vertrag vom 1. August 1983 teilweise eine Schenkung liegt. Eine etwaige Schenkung sei hier jedenfalls im Hinblick auf § 2325 Abs. 3 BGB nicht mehr zu berücksichtigen. Dabei geht das Berufungsgericht zutreffend davon aus, daß die Frist des § 2325 Abs. 3 BGB bei der Schenkung eines Grundstücks nicht vor der (hier am 1. August 1973 erklärten) Auflassung beginnt (BGH, Urteil vom 16.10.1974 - IV ZR 85/73 - NJW 1974, 2319). Die Frage, ob und was zu der Auflassung noch hinzukommen muß, um die Zehn-Jahres-Frist des § 2325 Abs. 3 BGB in Lauf zu setzen, läßt das Berufungsgericht dagegen offen. Darauf komme es nicht an; denn nach den Besonderheiten des Falles habe die Frist des § 2325 Abs. 3 BGB schon mit dem Abschluß des Vertrages vom 1. August 1973 begonnen. Diese besonderen Umstände erblickt das Berufungsgericht darin, daß es sich um eine Grundstücksübereignung im Rahmen einer Gesamtauseinandersetzung zwischen Gesellschaftern handele. Der Erblasser und sein Sohn Heinz hätten das Grundstück und das Unternehmen als wirtschaftliche Einheit angesehen, die in einer Hand habe bleiben sollen. Demgemäß hätten sie die Leistungen des Sohnes Heinz nicht als Gegenleistung für die Übereignung des Grundstücks, sondern ausdrücklich als Gegenleistung für das Ausscheiden des Erblassers aus der Gesellschaft behandelt. Die Wirkungen des Vertrages vom 1. August 1973 hätten sofort eintreten sollen, und zwar nach den Vorstellungen beider Vertragsteile und nach dem Willen des Erblassers auch hinsichtlich des Grundstücks. Theoretisch habe der Erblasser zwar noch anderweitig darüber verfügen können, tatsächlich sei eine solche Möglichkeit jedoch nicht in Betracht gekommen.

Mit dieser Begründung kann das angefochtene Urteil nicht bestehen bleiben.

Soweit das Berufungsgericht für seine Auffassung unmittelbar auf die Vorstellungen und den Willen der Vertragspartner abstellt, kann ihm nicht gefolgt werden. Die gesetzlichen Regeln über die Pflichtteilsergänzung stellen Schutzvorschriften zugunsten der Pflichtteilsberechtigten dar. Ihr Eingreifen kann nach dem Zweck des Gesetzes nicht davon abhängig gemacht werden, ob das mit dem Willen und den Vorstellungen des Erblassers und des von ihm Beschenkten in Einklang steht. Auch kommt es für den Beginn der Frist des § 2325 Abs. 3 BGB nicht auf den schuldrechtlichen Vertrag und darauf an, wann dessen Wirkungen nach dem Inhalt des Vertrages hätten eintreten sollen. Maßgebend ist vielmehr, in welchem Zeitpunkt der einzelne verschenkte Gegenstand im Sinne von § 2325 Abs. 3 BGB objektiv geleistet worden ist. Das gilt auch dann, wenn der Erblasser mehrere Gegenstände aufgrund eines einzigen schuldrechtlichen Vertrages weggeschenkt hat. Auch hier kommt es nicht auf den (schuldrechtlichen) Schenkungsvertrag an; für jeden einzelnen verschenkten Gegenstand ist die Zeit seiner Leistung vielmehr gesondert festzustellen. Für die gemischte Schenkung mehrerer Gegenstände, wie sie hier für den Gesellschaftsanteil und das Grundstück des Erblassers in Betracht zu ziehen ist, gilt insoweit nichts anderes.

Damit stellt sich die Frage, ob die Zehn-Jahres-Frist des § 2325 Abs. 3 BGB in Bezug auf das Grundstück schon mit dem Vertrag vom 1. August 1973 zu laufen begonnen hatte und daher beim Erbfall bereits abgelaufen war. Diese Frage ist zu verneinen.

Wie der frühere IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes bereits in seiner Entscheidung vom 16. Oktober 1974 (IV ZR 85/73 = NJW 1974, 2319, 2320) ausgesprochen hat, verlangt die in § 2325 Abs. 3 BGB geforderte Leistung die Vornahme einer Vollziehungshandlung, die die Rechtsübertragung unmittelbar zum Gegenstand hat. Sie muß diesen Rechtsübergang selbst herbeiführen, und zwar ohne weiteres Dazutun der beteiligten Personen. Dazu reicht die im vorliegenden Fall bereits am 1. August 1973 erklärte Auflassung (§ 925 BGB) für sich allein nicht aus. Vielmehr kann das Eigentum an einem Grundstück gemäß § 873 Abs. 1 BGB im allgemeinen nur dann auf den Erwerber übergehen, wenn die Rechtsänderung zusätzlich auch in das Grundbuch eingetragen ist. Das ist unstreitig erst am 6. September 1973 geschehen. Sähe man die Eintragung als maßgebend für den Fristbeginn an, so hätte das den Vorteil, daß auf denselben Stichtag abgestellt würde, der in BGHZ 65, 75, 76 auch für die Bewertung gemäß § 2325 Abs. 2 BGB als entscheidend angesehen wurde und nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes auch im Anfechtungsrecht (vgl. Urteil vom 9.2.1955 - IV ZR 173/54 - LM AnfG § 3 Nr. 3; zuletzt Beschluß vom 9.10.1986 - IX ZR 196/85 -) maßgebend ist. Ob die Frist des § 2325 Abs. 3 BGB gleichwohl schon mit der Stellung des Eintragungsantrages beim Grundbuchamt am 24. August 1973 begonnen hat, bedarf hier keiner Entscheidung; auch dieser Zeitpunkt liegt innerhalb der Zehn-Jahres-Frist.

Inzwischen hat der erkennende Senat die Anforderungen an den Beginn der Frist des § 2325 Abs. 3 BGB erhöht (BGHZ 98, 226, 233). Danach beginnt die Frist des § 2325 Abs. 3 BGB erst dann, wenn der Erblasser einen Zustand geschaffen hat, dessen Folgen er selbst noch zehn Jahre lang zu tragen hat und der schon im Hinblick auf diese Folgen von einer "böslichen" Schenkung abhalten kann. Die vertragliche Besitzüberlassung für sich allein oder in Verbindung mit der Auflassung genügt dafür noch nicht. Eine wirtschaftliche Ausgliederung im Sinne dieser Entscheidung liegt auch noch nicht darin, daß nach dem Vertrag vom 1. August 1973 der Anspruch des Erblassers auf Rückgabe des Grundstücks ersichtlich ausgeschlossen worden ist. Der Erblasser war nicht gehindert, über den Grundbesitz anderweitig durch Übertragung oder Belastung zu verfügen. Ein Erwerber hätte das Grundstück auch herausverlangen können; der Vertrag vom 1. August 1973 hätte dem nicht entgegengestanden.

Das angefochtene Urteil kann somit nicht bestehen bleiben. Das Berufungsgericht wird daher zu klären haben, ob der Vertrag vom 1. August 1973 eine gemischte Schenkung darstellt und ob gerade der vom Erblasser an den Bruder der Kläger übereignete Grundbesitz ganz oder teilweise als geschenkt anzusehen ist.

 

Unterschriften

Dr. Hoegen Rottmüller

Dr. Schmidt-Kessel

Dr. Zopfs

Dr. Ritter

 

Fundstellen

Haufe-Index 1456105

NJW 1988, 138

DNotZ 1987, 773

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