Entscheidungsstichwort (Thema)

Störung des Grundstückseigentums durch Einwirkung: Bemessung des Streitwerts bei Eigentumsstörung durch abfließendes Niederschlagswasser

 

Normenkette

ZPO § 3; BGB § 1004

 

Verfahrensgang

LG Lüneburg (Entscheidung vom 26.06.2019; Aktenzeichen 1 S 22/18)

AG Winsen/Luhe (Entscheidung vom 05.12.2018; Aktenzeichen 22 C 657/16)

 

Tenor

Der Streitwert für die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 26. Juni 2019 sowie die Beschwer betragen jeweils bis 13.000 €.

 

Gründe

I.

Rz. 1

Die Parteien sind Nachbarn. Das Grundstück der Kläger liegt tiefer als das der Beklagten. Es wird durch einen über das Flurstück der Beklagten führenden Weg erschlossen. Parallel zu dem Weg errichteten die Beklagten eine Stützwand. Die Kläger behaupten, seitdem werde vom Grundstück der Beklagten ablaufendes Niederschlagswasser auf ihr Anwesen geleitet. Sie verlangen die Unterbindung dieser Beeinträchtigung. Ferner haben sie - bis zur Abgabe einer einseitig gebliebenen Erledigungserklärung - die Beseitigung einer ursprünglich in der Nähe der Grundstücksgrenze stehenden Schwarzkiefer begehrt.

Rz. 2

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger hat das Landgericht zurückgewiesen. Den Streitwert hat es mit bis 20.000 € festgesetzt. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde wollen die Kläger die Zulassung der Revision erreichen. Sie machen geltend, der Streitwert und damit der Wert ihrer Beschwer überstiegen 20.000 €.

II.

Rz. 3

Dem ist nicht zu folgen. Auch an die Festsetzung durch das Berufungsgericht ist der Senat nicht gebunden. Der Streitwert übersteigt - selbst unter Berücksichtigung des vom Berufungsgericht übersehenen Werts des nach der einseitigen Teilerledigungserklärung verbliebenen Feststellungsantrags - jedenfalls nicht die Gebührenstufe von 13.000 €. Entsprechendes gilt für die Beschwer (§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

Rz. 4

1. Der Wert des Antrags, den Abfluss von Wasser auf das Grundstück der Kläger zu unterbinden, beträgt 9.700 €.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bemisst sich das - glaubhaft zu machende - Interesse eines Klägers an der Unterbindung einer Eigentumsstörung nach § 3 ZPO (BGH, Beschlüsse vom 21. März 2019 - V ZR 127/18, BeckRS 2019, 6980 Rn. 6 und vom 14. Januar 2016 - V ZR 94/15, BeckRS 2016, 2869 Rn. 7). Das - vorliegend auch für die Rechtsmittelbeschwer maßgebliche - Interesse des Klägers ist auf die Verhinderung einer Einwirkung - vorliegend in Form einer Beeinträchtigung durch von der Nachbarparzelle abfließendes Niederschlagswasser - auf ein Grundstück gerichtet. Die wirtschaftliche Bemessung eines solchen Interesses richtet sich grundsätzlich nach der Wertminderung des betroffenen Grundstücks (BGH, Beschluss vom 24. September 2015 - V ZB 56/15, BeckRS 2015, 18340 Rn. 8). Die Wertminderung kann dabei entweder durch einen hälftigen Abschlag vom Wert der betroffenen Teilfläche oder durch einen Abschlagswert zwischen 5 % und 30 % der Gesamtfläche bestimmt werden (BGH, Beschlüsse vom 24. September 2015 aaO und vom 15. Mai 2014 - V ZB 2/14, NJW-RR 2014, 1297 Rn. 9). Der für die Beseitigung der Besitzstörung erforderliche Kostenaufwand ist für die Bemessung der Beschwer - und des Streitwerts - eines in seinem Eigentum gestörten Klägers dagegen grundsätzlich unerheblich (vgl. zB BGH, Beschlüsse vom 12. Juli 2018 - V ZB 218/17, NZM 2019, 349 Rn. 7 und vom 10. April 2008 - V ZR 154/07, BeckRS 2008, 08608 Rn. 6). Allenfalls mittelbar kann der Aufwand für die Beseitigung der Störung als Anhaltspunkt für eine Wertminderung von Bedeutung sein. Fehlt es jedoch - wie hier - am Vortrag einer Substanzbeeinträchtigung, ist der Beseitigungsaufwand bei der Bemessung des Wertverlusts zu vernachlässigen (vgl. zB BGH, Beschlüsse vom 12. Juli 2018 aaO und vom 17. Mai 2006 - VIII ZB 31/05, NJW 2006, 2639 Rn. 8).

Rz. 5

Eine Beeinträchtigung ihres Grundstücks im Umfang von 19.400 € - wie vom Berufungsgericht ersichtlich zugrunde gelegt - oder mehr haben die Kläger nicht glaubhaft gemacht. Nach ihrem Vortrag wird von dem ablaufenden Wasser eine konkrete Teilfläche des Grundstücks von rund 97 m² beeinträchtigt, auf die für die Wertberechnung maßgeblich abzustellen ist. Legt man weiter den von den Klägern angegebenen Grundstückswert von 200 €/m² zugrunde und multipliziert ihn mit der betroffenen Fläche, ergibt sich zwar ein Betrag von 19.400 €. Dieser berücksichtigt aber nicht den vorzunehmenden hälftigen Abschlag vom Wert der maßgeblichen Teilfläche. Von diesem Abschlag abzusehen, besteht mit Blick auf die Umstände des vorliegenden Falls kein Anlass, zumal das Grundstück durch die Einwirkungen des vom Nachbargrundstück ablaufenden Wassers nur zeitweilig beeinträchtigt wird. Tatsächliche Anhaltspunkte, die einen vollständigen Wertverlust des betroffenen Grundstücksteils nahelegen könnten, sind nicht ersichtlich. Die Kosten, die gegebenenfalls zusätzlich anfallen, um das aufgelaufene Niederschlagswasser zu beseitigen, sind indessen - wie vorstehende Ausführungen ergeben - kein für die Bemessung des Wertverlusts geeigneter Maßstab.

Rz. 6

Die Berechnungsmethode, die einen Bruchteil des Gesamtwerts der Immobilie ansetzt, ist nicht einschlägig, da die geltend gemachte Beeinträchtigung lediglich einen abgrenzbaren Teil des Grundstücks der Kläger betrifft.

Rz. 7

2. Der Wert des auf die Feststellung der Erledigung des ursprünglich gestellten Antrags, eine im Grenzbereich zwischen den Grundstücken stehende Schwarzkiefer zu entfernen, gerichteten Teils der Klage beläuft sich auf weniger als 3.300,00 €. Streitwert und Beschwer dieses von den Klägern auch in dritter Instanz weiterverfolgten Antrags bestimmen sich nach dem restlichen Betrag der Hauptsache unter Hinzurechnung der auf den erledigten Teil entfallenden Kosten der Vorinstanzen (vgl. zB BGH, Beschlüsse vom 18. September 2018 - VI ZB 26/17, NJW-RR 2019, 189 Rn. 7 und vom 27. September 2017 - VIII ZR 100/17, BeckRS 2017, 128428 Rn. 2; jeweils mwN). Dabei ist der Wert dieser Kosten durch eine Differenzrechnung zu ermitteln, die ergibt, um welchen Betrag bis zur teilweisen Erledigung diejenigen Kosten überschritten wurden, die angefallen wären, wenn der Kläger den Rechtsstreit von Anfang an nur über den nicht für erledigt erklärten Teil der Hauptsache geführt hätte (BGH, Beschluss vom 27. September 2017 aaO mwN).

Rz. 8

a) Der Streitwert, nach dem die Kosten bis zur Abgabe der Erledigungserklärung zu berechnen sind, setzt sich aus den beiden in erster Instanz ursprünglich gestellten Anträgen auf Unterbinden des Wasserzuflusses vom Grundstück der Beklagten einerseits, der - wie ausgeführt - mit 9.700 € zu bewerten ist, und auf Entfernung der Schwarzkiefer andererseits zusammen.

Rz. 9

aa) Soweit die Kläger in der Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde darauf abheben, der Wert des ursprünglichen Beseitigungsantrags sei höher zu veranschlagen gewesen als der Unterbindungsantrag, weil die Schwarzkiefer auch ihr Wohnhaus gefährdet habe, ohne dies jedoch näher zu beziffern, mag dies unterstellt werden.

Rz. 10

Entscheidend für die Wertermittlung sind die dem Klageantrag zugrunde liegenden tatsächlichen Angaben zum Wert. Der Klägerseite ist es verwehrt, diese Angaben im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren zu ändern, um die Wertgrenze des (bis 31. Dezember 2019 gültigen) § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO - jetzt § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO - zu überschreiten (st. Rspr., zB Senat, Beschlüsse vom 21. November 2019 - III ZR 14/19, BeckRS 2019, 31310 Rn. 5; vom 13. August 2015 - III ZR 340/14, BeckRS 2015, 14870 Rn. 5 und vom 26. November 2009 - III ZR 116/09, NJW 2010, 681 Rn. 5; jew. mwN; BGH, Beschlüsse vom 21. Juni 2017 - VII ZR 41/17, NJW 2017, 3164 Rn. 11 und vom 16. Mai 2013 - VII ZR 253/12, NJW-RR 2013, 1402 Rn. 3).

Rz. 11

bb) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe mag der Wert des Beseitigungsantrags auf der Grundlage des bisherigen Sachvortrags zugunsten der Kläger mit 2.500 € zu bemessen sein. In der Klageschrift haben sie den (vorläufigen) Streitwert mit (insgesamt) 3.000 € angegeben, ohne dies zu begründen. Unterstellt, der größte Anteil dieses Betrags sei nach der damaligen Beurteilung der Kläger auf die Beseitigung der Schwarzkiefer entfallen, mögen hiervon 5/6 für diesen Teil des Rechtsstreits anzusetzen sein.

Rz. 12

b) Die in erster Instanz bis zur einseitigen (Teil-)Erledigungserklärung angefallenen Kosten belaufen sich bei einem Streitwert von 12.200 € (9.700 € + 2.500 €; Streitwertstufe bis 13.000 €) auf 4.873,66 €; bei einem Streitwert von 9.700 € (Streitwertstufe bis 10.000 €) hätten sie hingegen lediglich 4.489,12 € betragen. Es ergibt sich daher eine wertwirksame Kostendifferenz von 384,54 €, so dass sich Streitwert und Beschwer auf 10.084,54 € belaufen.

Rz. 13

Selbst unter Einbeziehung der in zweiter Instanz zusätzlich auf die Feststellung der Erledigung angefallenen Kosten von 443,40 € (5.571,92 € bei einem Streitwert von 10.084,54 gegenüber 5.128,52 € bei einem Streitwert von 9.700 €) ergibt sich weder ein Streitwert in der dritten Instanz von mehr als 13.000,00 € noch die gemäß § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderliche Mindestbeschwer.

Herrmann     

Tombrink     

Arend 

Böttcher     

Herr     

 

Fundstellen

Haufe-Index 15075608

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