Entscheidungsstichwort (Thema)

Revision. Nichtzulassungsbeschwerde. Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung. Darlegung des Zulassungsgrunds. Beschwerdebegründung. Verfassungswidrigkeit nachkonstitutionellen Rechts. Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Anforderungen an die Darlegung eines Zulassungsgrundes, wenn insb. die Verfassungswidrigkeit eines nachkonstitutionellen Gesetzes geltend gemacht werden soll.

 

Normenkette

ZPO § 543 Abs. 2 Nrn. 1, 2 Alt. 2

 

Verfahrensgang

OLG Karlsruhe (Urteil vom 20.05.2003)

LG Karlsruhe

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 12. Zivilsenats des OLG Karlsruhe v. 20.5.2003 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Streitwert: 22.945 EUR

 

Gründe

I. Der Kläger, der bei der beklagten Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder v. 16.11.1964 bis zum 30.9.1970 sowie v. 1.2.1971 bis zum 31.12.1991 über seinen Arbeitgeber zusatzversichert war, bezieht seit 1995 von der Beklagten eine Versicherungsrente, die sich aus je einem Teilbetrag für die beiden versicherten Zeiträume zusammensetzt. Nach dem In-Kraft-Treten des Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung v. 21.12.2000 (BGBl. I, 1914) berechnete die Beklagte die Zusatzrente des Klägers neu, gelangte aber zu einem geringeren als dem bisher geleisteten Betrag, der deshalb auch weiterhin gezahlt wird. Der Kläger verlangt eine höhere Rente und macht geltend, die gesetzliche Neuregelung der Berechnung von Versorgungsanwartschaften im öffentlichen Dienst in § 18 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (im Folgenden: BetrAVG) werde den Anforderungen der Entscheidung des BVerfG, das die frühere Fassung dieser Vorschrift weitgehend für verfassungswidrig erklärt hatte (BVerfG v. 15.7.1998 - 1 BvR 1554/89, 1 BvR 964/94, 1 BvR 964/94, BVerfGE 98, 365 ff.), immer noch nicht gerecht. Außerdem sei nicht einzusehen, warum die in den beiden Beschäftigungsverhältnissen jeweils zurückgelegte Versicherungszeit in Anbetracht der verhältnismäßig kurzen Unterbrechung nicht zusammengerechnet würden. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen; das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Der Kläger meint, im Hinblick auf die Frage, ob die Neuregelung des § 18 BetrAVG verfassungsgemäß sei, müsse die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werden. Auch die Klärung der Frage, unter welchen Voraussetzungen Beschäftigungszeiten zusammengerechnet werden könnten, habe grundsätzliche Bedeutung; sie diene ferner der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde war zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen eines Zulassungsgrundes nicht hinreichend dargelegt worden sind (§ 544 Abs. 2 S. 3 ZPO).

1. Wegen grundsätzlicher Bedeutung ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache eine einscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Diese Voraussetzungen müssen in der Beschwerdebegründung dargelegt werden. Hierfür genügt die bloße Behauptung, die Streitsache habe grundsätzliche Bedeutung, nicht. Der Beschwerdeführer muss insb. ausführen, aus welchen Gründen, in welchem Umfang und von welcher Seite die betreffende Rechtsfrage umstritten ist (BGH v. 27.3.2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288 [291] = BGHReport 2003, 686 = MDR 2003, 822).

Das gilt auch, wenn die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes geltend gemacht wird. Die Beschwerde lässt jedoch jedwede Ausführungen dazu vermissen, von wem die von den Instanzgerichten und in den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 14/4363, 8) näher begründete Auffassung überhaupt in Zweifel gezogen wird, wonach die neu gefasste Vorschrift des § 18 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG (trotz einer im Vergleich zur gewerblichen Wirtschaft schematisierten Berechnung der Rentenanwartschaft im öffentlichen Dienst) den Anforderungen des BVerfG durchaus gerecht werde. Die Beschwerde äußert sich auch nicht dazu, dass der BGH die neugefasste Vorschrift des § 18 BetrAVG bereits unbedenklich angewandt hat (vgl. BGH, Beschl. v. 23.1.2002 - XII ZB 139/00, BGHReport 2002, 375 = MDR 2002, 583 = FamRZ 2002, 608, unter II). Soweit der Kläger seine verfassungswidrige Benachteiligung im Vergleich zu Versorgungsregelungen der gewerblichen Wirtschaft durch eine eigene Rentenberechnung darzulegen versucht hat, ist außer Betracht geblieben, dass ihm in der gewerblichen Wirtschaft für die Beschäftigungszeiten, die er bis zum 30.9.1970 zurückgelegt hat, im Gegensatz zum öffentlichen Dienst überhaupt keine Anwartschaft zustünde, weil er am 30.9.1970 das 30. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte (§ 1b Abs. 1 S. 1 BetrAVG). Vor allem reicht es für die Darlegung der Verfassungswidrigkeit oder Unangemessenheit der gesetzlichen Regelung nicht aus, wenn der Kläger darlegen könnte, dass bei einer im Übrigen vergleichbaren Sachlage in der gewerblichen Wirtschaft in seinem Einzelfall eine höhere Rente als im öffentlichen Dienst gezahlt werden würde. Vielmehr müsste dargelegt werden, dass eine größere, nicht aus Gründen unvermeidlicher gesetzlicher Typisierung zu vernachlässigende Gruppe aus gleichen Gründen wie der Kläger von mehr als nur unbeträchtlichen Nachteilen betroffen sei (vgl. BVerfG BVerfGE 26, 265 [275 f.]; v. 17.11.1992 - 1 BvL 8/87, BVerfGE 87, 234 [255 f.]; v. 22.3.2000 - 1 BvR 1136/96, VersR 2000, 835 [837]). Dafür ist dem Vortrag des Klägers nichts zu entnehmen. Schließlich geht er nicht auf das Bedenken des Berufungsgerichts ein, die geringe Höhe der von der Beklagten gezahlten Rente beruhe in nicht unerheblichem Umfang gerade nicht auf der von § 18 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG vorgegebenen Art der Berechnung einer Versorgungsanwartschaft, sondern darauf, dass er zum 30.9.1970 aus seinem Beschäftigungsverhältnis ausgeschieden ist und erst zum 1.2.1971 ein neues Beschäftigungsverhältnis begründet hat.

2. Auch insoweit hat der Kläger nicht dargelegt, dass es in Rechtsprechung oder Literatur unterschiedliche Meinungen zur Frage der Auswirkungen einer Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses auf die Versorgungszusage gebe, die eine grundsätzliche Klärung erforderten. Die Beschwerde zieht nicht in Zweifel, dass sich aus der Satzung der Beklagten keine Anhaltspunkte für die Auffassung gewinnen lassen, ein erstes Arbeitsverhältnis sei trotz einer gewissen Unterbrechung mit einem später begründeten zu einer Einheit zusammenzurechnen. Die Beschwerde weist auch keine hier einschlägige Wertentscheidung des Gesetzgebers im Regelungsbereich der Versorgungsanwartschaften auf, die ein dem Kläger günstigeres Verständnis der Satzung der Beklagten rechtfertigen könnte. Vielmehr zieht - worauf bereits das Berufungsgericht hingewiesen hat - das BAG aus der heute in § 1b Abs. 1 S. 3 BetrAVG verankerten Regelung in st. Rspr. den Umkehrschluss, dass die Dauer eines früheren Arbeitsverhältnisses, auch wenn es von einer Versorgungszusage begleitet war und bei demselben Arbeitgeber bestand, grundsätzlich nicht mit der Laufzeit späterer Arbeitsverhältnisse zusammengerechnet werden kann, um die für eine Unverfallbarkeit der Versorgungszusage erforderliche Frist zu erreichen; Ausnahmen gelten nur, soweit die Vordienstzeit nahtlos an das Arbeitsverhältnis heranreicht, das eine neue Versorgungsanwartschaft begründet, oder soweit die Versorgungszusage von vornherein für einen schwankenden, unzusammenhängenden Bedarf an Urlaubs- oder Krankenvertretungskräften gegeben worden ist (BAG v. 22.2.2000 - 3 AZR 4/99, NZA 2001, 1310 [1312]; v. 27.1.1998 - 3 AZR 415/96, DB 1998, 2328 f.). Im Hinblick auf diese, von der Beschwerde zu Unrecht für widersprüchlich gehaltene Rechtsprechung kommt auch der von der Beschwerde angeführte Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung hier nicht in Betracht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1162569

BGHR 2004, 1190

MDR 2004, 1136

NZA-RR 2005, 50

VersR 2005, 140

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