Entscheidungsstichwort (Thema)

Umlegungsverfahren

 

Normenkette

BauGB § 45 Abs. 1 S. 1, § 52 Abs. 1-2, § 63 Abs. 1 S. 1, § 72 Abs. 1; ZPO § 100 Abs. 2, § 554b Abs. 3

 

Verfahrensgang

OLG München (Urteil vom 18.04.1996; Aktenzeichen U 5/95)

LG Augsburg (Urteil vom 26.05.1995)

 

Tenor

Die Revision der Beteiligten zu A 1–5 gegen das Urteil des Senats für Baulandsachen des Oberlandesgerichts München vom 18. April 1996 – U 5/95 – wird nicht angenommen,

jedoch mit der Maßgabe, daß die Kostenentscheidung zu Lasten der Beteiligten zu A 1–5 in diesem Urteil und in dem Urteil der Kammer für Baulandsachen des Landgerichts Augsburg vom 26. Mai 1995 dahin geändert wird, daß die Kosten diesen Beteiligten zu folgenden Anteilen auferlegt werden: Der Beteiligten zu A 1 zu 45,3 %, der Beteiligten zu A 2 zu 28,7 %, dem Beteiligten zu A 3 zu 16,9 % und den Beteiligten zu A 4 und 5 zu 9,1 %.

Zu den selben Anteilen tragen die Beteiligten zu A 1–5 auch die Kosten des Revisionsrechtszuges.

Streitwert: 10 Mio. DM

 

Tatbestand

I.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Revision hat im Ergebnis auch keine Aussicht auf Erfolg.

1. Die Revision bekräftigt die von den Beteiligten zu A 1–5 schon in den Tatsacheninstanzen vertretene Auffassung, der angefochtene Umlegungsbeschluß sei bereits deshalb rechtswidrig, weil es sich bei der Umlegung in Wirklichkeit um eine Enteignung i.S. des Art. 14 Abs. 3 GG handele, es dafür aber an der erforderlichen gesetzlichen Grundlage, jedenfalls an dem konkreten Erfordernis des Wohls der Allgemeinheit (auch i.S. des § 87 Abs. 1 BauGB) fehle.

Darin kann den Beteiligten zu A 1–5, wie schon das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht gefolgt werden. Der Senat hat in BGHZ 113, 139, 143 ausgeführt:

„Das Baugesetzbuch regelt die Umlegung als Inhaltsbestimmung des Eigentums gem. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, nicht als Enteignung. Für die Enteignung ist u.a. kennzeichnend, daß der Enteignungsunternehmer ein dem Enteigneten gegenüber fremdes, selbständiges Interesse durchsetzt; die Umlegung dient, indem sie die plangerechte, zweckmäßige Nutzung der Grundstücke ermöglicht, zwar den Interessen der Allgemeinheit an der Nutzung des Bodens, zugleich aber auch den insoweit gleichgerichteten Interessen der Eigentümer (Senatsurteile BGHZ 89, 353, 357 f.; 93, 103, 110; 100, 148, 151 – st. Rspr.; BVerwGE 1, 225; 12, 1). In diesem Sinne ist die Umlegung durch ihre Privatnützigkeit gekennzeichnet, während die Enteignung eine im Fremdinteresse liegende Maßnahme darstellt. Angesichts der den Rechtscharakter der Umlegung als Inhaltsbestimmung des Eigentums prägenden Privatnützigkeit, welche die Umlegung als das notwendige Gegenstück zur Eigentumsgarantie des Grundgesetzes kennzeichnet (…), lassen sich aus dem Boxberg-Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 74, 264) unter dem Gesichtspunkt des Art. 14 GG keine durchgreifenden Bedenken gegen die Gültigkeit der gesetzlichen Bestimmungen über das Umlegungsverfahren (§§ 45 ff BauGB) herleiten (…).”

Der Senat hat darüber hinaus wiederholt darauf hingewiesen, daß das Umlegungsverfahren nach dem Baugesetzbuch (§§ 63 Abs. 1, 72 BauGB) auf dem Surrogationsprinzip beruht, kraft dessen das Eigentum an dem alten Grundstück nicht etwa untergeht, sondern lediglich dem Eigentumsrecht an dem früheren Grundstück ein neues, „verwandeltes” Objekt „untergeschoben” wird, an dem sich die früheren Eigentumsverhältnisse ungebrochen fortsetzen (vgl. BGHZ 111, 52, 56 m.w.N.).

Die Ausführungen der Revision geben keine Veranlassung, von diesen Grundsätzen, denen eine sachgerechte gesetzgeberische Abwägung der Allgemeinwohlbelange und der Eigentümerinteressen zugrunde liegt und die sich in der Praxis seit langem bewährt haben, abzugehen.

2. Das angefochtene Urteil hält der rechtlichen Nachprüfung auch stand, soweit es die Ausklammerung der als Dauerkleingartengebiet vorgesehenen Flächen aus der Umlegung als rechtmäßig angesehen hat.

Gemäß § 52 Abs. 1 BauGB ist das Umlegungsgebiet so zu begrenzen, daß die Umlegung sich zweckmäßig durchführen läßt. Es kann auch aus räumlich getrennten Flächen bestehen. Alleiniger Maßstab für die Festlegung des Umlegungsgebiets ist die Zweckmäßigkeit für die Durchführung der Umlegung. Hierdurch wird der Umlegungsstelle Ermessen eingeräumt (Löhr in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB 5. Aufl. § 52 Rn. 2; vgl. Senatsbeschluß vom 25. Oktober 1990 – III ZR 7/90 – BGHR BauGB § 52 Abs. 1 Begrenzung 1 und BauGB § 52 Abs. 2 Herausnahme 1).

Im Streitfall ergab sich auch aus § 52 Abs. 2 BauGB nichts anderes, der besagt, daß einzelne Grundstücke, die die Durchführung der Umlegung erschweren, von der Umlegung ganz oder teilweise ausgenommen werden können. Die Revision macht der Sache nach geltend, allein dies sei vorliegend der Prüfungsmaßstab für die Rechtmäßigkeit der Herausnahme des Dauerkleingartengebiets aus der Umlegung; aus den Darlegungen des Berufungsgerichts ergebe sich aber nicht hinreichend die Ausfüllung des Tatbestandsmerkmals, daß durch Einbeziehung der herausgenommenen Flächen die Umlegung „erschwert” werde. Diesem Ansatz der Revision kann indessen nicht gefolgt werden. Es geht im Streitfall nicht um die Herausnahme einzelner Grundstücke aus der Umlegung, sondern um die Ausklammerung eines größeren (ca. 5 ha), in sich geschlossenen Gebiets, das planerisch wesentlich anders gestaltet ist als der überwiegende – und eigentliche – Bereich des Bebauungsplans, der weitgehend darauf abzielt, ein neues Wohngebiet zu schaffen. Die Entscheidung, das andersgeartete Dauerkleingartengebiet als ganzes herauszunehmen, bezog sich also unmittelbar auf die Festlegung des Umlegungsgebiets i.S. des § 52 Abs. 1 BauGB nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten.

Ermessensfehler der Umlegungsstelle sind insoweit entgegen der Auffassung der Revision nicht ersichtlich. Die in dem Dauerkleingartengebiet vorgesehene Nutzung erfordert in diesem Bereich grundsätzlich keine Bodenordnung nach Maßgabe des § 45 BauGB. Kleingärten sind nach dem Bild des Bundeskleingartengesetzes keine eigentumsmäßig verselbständigten Parzellen, sondern Pachtflächen von geringer Größe (bis zu 400 qm), die – meist über als gemeinnützig anerkannte Kleingärtnerorganisationen (vgl. § 2 BKleingG) als Zwischenpächter – an die Nutzer verpachtet werden. Es bedarf also für die Schaffung einer Kleingartenanlage nicht zwangsläufig des Aufwands an Neugestaltung und auch an Erschließung wie für ein Wohngebiet. Vorliegend führt auch der Umstand, daß für die Dauerkleingartensiedlung ein Eingangszentrum mit Parkplätzen und Vereinsheim geplant war, bezogen auf den gesamten Bereich nicht zu einer anderen Sicht.

 

Entscheidungsgründe

II.

Mit Recht beanstandet dagegen die Revision die vom Berufungsgericht (und auch schon von der Kammer für Baulandsachen) getroffene Kostenentscheidung insoweit, als auf Seiten der unterlegenen Beteiligten zu A 1–5 keine Quotierung nach Maßgabe des Anteils ihrer von der Umlegung betroffenen Flächen erfolgt ist. Zwar haften die unterlegenen Personen nach der Regel des § 100 Abs. 1 ZPO grundsätzlich nach Kopfteilen. Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Beteiligung am Rechtsstreit kann aber nach dem Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden (§ 100 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 221 Abs. 1 BauGB). Ausgehend von den Angaben in dem Wertbeschluß des Berufungsgerichts vom 30. Juni 1996 waren von dem Umlegungsbeschluß der Beteiligten zu A 6 Grundflächen der Beteiligten zu A 1–5 mit folgenden Werten betroffen: ca. 23,7 Mio. DM des Beteiligten zu A 1, ca. 15 Mio. DM der Beteiligten zu A 2, ca. 8,86 Mio. DM des Beteiligten zu A 3 und ca. 4,75 Mio. DM der Beteiligten zu A 4 und A 5. Von den Gesamtwerten entfallen mithin auf den Beteiligten zu A 1 etwa 45,3 %, auf die Beteiligte zu A 2 etwa 28,7 %, auf den Beteiligten zu A 3 etwa 16,9 % und auf die Beteiligten zu A 4 und A 5 etwa 9,1 %. Angesichts der erheblichen Unterschiede der betroffenen Grundflächen bot und bietet sich eine entsprechende Verteilung der insgesamt von den Beteiligten zu A 1–5 als den Unterlegenen zu tragenden Prozeßkosten an.

An der vorliegenden Änderung der Kostenentscheidung des Berufungsgerichts und der ersten Instanz ist der Senat nicht dadurch gehindert, daß er die Revision gegen die Sachentscheidung des Berufungsgerichts nicht annimmt. Der Bundesgerichtshof hat bereits ausgesprochen, daß das Revisionsgericht im Nichtannahmebeschluß die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils korrigieren kann, wenn diese auf einer unrichtigen Streitwertfestsetzung beruht, die in der Revisionsinstanz abgeändert wurde (Beschluß vom 13. Juni 1995 – V ZR 276/94 – BGHR ZPO § 554 b Abs. 3 Kostenentscheidung 3). Es ist kein Grund ersichtlich, der daran hindert, genauso zu verfahren, wenn es zwar nicht zur Annahme der Revision hinsichtlich der angefochtenen Sachentscheidung kommt, die zugrundeliegende Kostenentscheidung sich jedoch im Hinblick auf § 100 Abs. 2 ZPO als fehlerhaft erweist.

 

Unterschriften

Rinne, Wurm, Streck, Schlick, Dörr

 

Fundstellen

Haufe-Index 1679377

BGHZ

BGHR

NVwZ-RR 1998, 8

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