Leitsatz (amtlich)

a) Wurde eine nach früherem Recht ergangene Entscheidung über den Versorgungsausgleich bereits in einem Abänderungsverfahren einer Totalrevision nach § 51 VersAusglG unterzogen, steht für eine weitere Abänderung nicht mehr eine erneute Totalrevision nach § 51 VersAusglG offen, sondern nur noch das Verfahren der Abänderung in Bezug auf einzelne Anrechte gem. § 225 FamFG i.V.m. § 32 VersAusglG.

b) Die Abänderung einer nach § 27 VersAusglG ergangenen Härtefallregelung aufgrund einer späteren Änderung der zugrunde gelegten Umstände des Einzelfalls ohne einhergehende Wertänderung des Anrechts gem. § 225 FamFG i.V.m. § 32 VersAusglG sieht das Gesetz nicht vor (Fortführung der BGH v. 15.3.1989 - IVb ZB 183/87 FamRZ 1989, 725 und BGHZ 133, 344 = FamRZ 1996, 1540).

 

Normenkette

FamFG §§ 225, 226 Abs. 3; VersAusglG §§ 27, 31, 51

 

Verfahrensgang

OLG Stuttgart (Beschluss vom 15.06.2021; Aktenzeichen 11 UF 77/20)

AG Ulm (Entscheidung vom 20.04.2020; Aktenzeichen 6 F 150/20)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 11. Zivilsenats - Familiensenat - des OLG Stuttgart vom 15.6.2021 wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.

Wert: 1.200 EUR

 

Gründe

I.

Rz. 1

Der Antragsteller (im Folgenden: Ehemann) begehrt die Abänderung einer Entscheidung zum Versorgungsausgleich im Wege einer "Totalrevision" nach § 51 Abs. 1 VersAusglG.

Rz. 2

Die am 8.3.1973 geschlossene Ehe des 1943 geborenen Ehemanns mit der früheren Ehefrau wurde auf den am 23.5.1989 zugestellten Scheidungsantrag mit Urteil des FamG vom 19.9.1989 rechtskräftig geschieden und der Versorgungsausgleich geregelt.

Rz. 3

Während der Ehezeit (1.3.1973 bis 30.4.1989) hatten der Ehemann ein Anrecht in der Soldatenversorgung des Bundes i.H.v. monatlich 1.998,40 DM und die Ehefrau ein Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung i.H.v. monatlich 103,40 DM erworben. Das FamG führte den Versorgungsausgleich im Wege des Quasi-Splittings durch, indem es zu Lasten des Anrechts des Ehemanns ein Anrecht der Ehefrau in der gesetzlichen Rentenversicherung i.H.v. 947,50 DM monatlich, bezogen auf das Ende der Ehezeit, begründete.

Rz. 4

Die Ehefrau verstarb am 5.1.2010. Der Ehemann, der eine Pension aus der Soldatenversorgung bezieht, begehrte mit Antrag vom 11.3.2010 eine Abänderung der Entscheidung über den Versorgungsausgleich wegen wesentlicher Wertänderung, nämlich der Absenkung des Höchstruhegehaltsatzes seiner Soldatenversorgung. Das OLG führte die Abänderung nach § 51 VersAusglG durch, indem es im Wege der internen Teilung zu Lasten des Anrechts des Ehemanns zugunsten der verstorbenen Ehefrau ein Anrecht i.H.v. 827,19 DM monatlich, bezogen auf den 30.4.1989, übertrug. Dem lag die Erwägung zugrunde, dass die Anrechte beider Ehegatten im Wege der Totalrevision intern zu teilen seien, der Ehemann aber mit dem für ihn zu begründenden Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht die Wartezeit erfülle, weshalb gem. § 27 VersAusglG der Ausgleich seines Anrechts auf das Maß zu beschränken sei, das einer Saldierung beider Anrechte nach korrespondierenden Kapitalwerten entspreche.

Rz. 5

Mit Antrag vom 29.1.2020 hat der Ehemann eine erneute Abänderung der Entscheidung über den Versorgungsausgleich begehrt. Er beruft sich nun auf eine nach der ersten Abänderung eingetretene wesentliche Änderung des Werts der gesetzlichen Rentenversicherung seiner Ehefrau und erstrebt im Hinblick auf deren Vorversterben eine Rückgängigmachung des gesamten Versorgungsausgleichs.

Rz. 6

Das FamG hat ausgesprochen, dass ein Versorgungsausgleich ab dem 1.2.2020 nicht stattfinde. Auf die Beschwerde der Generalzolldirektion (Beteiligte zu 1) hat das OLG die Entscheidung abgeändert und den Antrag des Ehemanns zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich seine zugelassene Rechtsbeschwerde.

II.

Rz. 7

Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.

Rz. 8

1. Das OLG hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Eine erneute Abänderung im Wege der Totalrevision nach § 51 VersAusglG komme nicht in Betracht. Auch soweit im ersten Abänderungsverfahren der Sache nach einer Gesamtsaldierung der Anrechte vorgenommen worden sei, beruhe dies auf einer Anwendung des § 27 VersAusglG und könne nicht einer Entscheidung nach dem bis zum 31.8.2009 geltenden Recht gleichgestellt werden.

Rz. 9

Die erneute Abänderung richte sich daher allein nach § 225 Abs. 2 und 3 FamFG. Zwar lägen deren Voraussetzungen vor, da wenigstens ein Anrecht eine wesentliche Änderung erfahren habe. Denn der Ausgleichswert des Anrechts der Ehefrau habe sich von monatlich 31,20 EUR auf 59,77 EUR erhöht, was sowohl die relative als auch die absolute Wesentlichkeitsgrenze überschreite. Da das Anrecht aber in der ersten Abänderungsentscheidung nicht geteilt, sondern nur im Saldierungswege berücksichtigt worden sei, komme eine Abänderung des Wertausgleichs dieses Anrechts ohne Einbeziehung der anderen bestehenden Anrechte, wie § 225 Abs. 2 FamFG es vorsehe, nicht in Betracht. Auch eine Fehlerkorrektur der vorangegangenen Entscheidung, bei der bereits § 31 VersAusglG hätte angewendet werden können, komme aufgrund der eingetretenen Rechtskraft nicht in Betracht.

Rz. 10

2. Dies hält einer rechtlichen Nachprüfung stand.

Rz. 11

a) Eine (erneute) Abänderung nach § 51 VersAusglG ist nicht eröffnet, weil es sich bei der hier abzuändernden Entscheidung nicht um eine solche handelt, die nach dem Recht getroffen worden ist, das bis zum 31.8.2009 gegolten hat (§ 51 Abs. 1 Satz 1 VersAusglG).

Rz. 12

Wurde die Erstentscheidung über den Versorgungsausgleich bereits abgeändert, unterliegt zwar auch die Abänderungsentscheidung, wenn sie nach dem bis 31.8.2009 gegoltenen Recht ergangen ist (§ 10a VAHRG), einer weiteren Abänderung nach § 51 VersAusglG (vgl. MünchKomm/BGB/ 8. Aufl., § 51 VersAusglG Rz. 5).

Rz. 13

Wurde eine nach früherem Recht ergangene Entscheidung über den Versorgungsausgleich aber bereits in einem Abänderungsverfahren nach § 51 VersAusglG einer Totalrevision unterzogen und sind die in den Ausgleich einbezogenen Anrechte fortan nach den §§ 9 bis 19 VersAusglG geteilt, steht für eine weitere Abänderung nicht mehr eine erneute Totalrevision nach § 51 VersAusglG offen, sondern nur noch das Verfahren der Abänderung in Bezug auf einzelne Anrechte gem. § 225 FamFG i.V.m. § 32 VersAusglG (vgl. etwa BGH, Beschl. v. 22.6.2016 - XII ZB 350/15 FamRZ 2016, 1649 Rz. 13 ff.).

Rz. 14

So liegt der Fall hier. Das OLG führte in seiner ersten Abänderungsentscheidung eine Totalrevision nach § 51 VersAusglG durch und teilte die einbezogenen Anrechte nach den §§ 9 bis 19 VersAusglG. Dabei sah es von einem Ausgleich des Anrechts der Ehefrau bei der Scheidung ab, weil dies für den Ehemann als ausgleichsberechtigte Person im Hinblick auf die nicht zu erreichende Wartezeiterfüllung in der gesetzlichen Rentenversicherung unwirtschaftlich gewesen wäre (§ 19 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG). Das Anrecht des Ehemanns teilte das OLG intern. Hierbei wich es gem. § 27 VersAusglG von der Halbteilung ab und kürzte den Ausgleichswert im Umfang des nach § 19 VersAusglG unausgeglichen gebliebenen Anrechts der Ehefrau. Die Vorschrift des § 31 VersAusglG, deren Geltung im Rahmen des § 51 VersAusglG seinerzeit noch umstritten war, blieb unangewendet. Wenngleich das OLG damit in der Sache eine Saldierung der gegenüberstehenden Anrechte nach korrespondierenden Kapitalwerten vornahm, handelt es sich dabei nicht um einen Gesamtausgleich nach dem Recht, das bis zum 31.8.2009 gegolten hat, sondern um einen Einzelausgleich unter Anwendung der §§ 10, 19 und 27 VersAusglG. Eine solche Entscheidung kann nicht im Wege der weiteren Totalrevision nach § 51 VersAusglG abgeändert werden.

Rz. 15

b) Mit dem Ziel der Abänderung eines Einzelausgleichs (§ 225 FamFG) hat der Antrag ebenfalls keinen Erfolg, da das Anrecht im Zuge der vorangegangenen Abänderungsentscheidung wegen fehlender Ausgleichsreife nicht ausgeglichen, sondern nur als Verrechnungsposten im Rahmen einer Härtefallprüfung nach § 27 VersAusglG herangezogen wurde. Die Abänderung einer nach dieser Vorschrift ergangenen Härtefallregelung aufgrund späterer Änderung der zugrunde gelegten Umstände des Einzelfalls sieht das Gesetz aber nicht vor (vgl. BeckOK/FamFG/ [Stand: 1.10.2021] § 226 Rz. 3; in Bumiller/Harders/Schwamb FamFG 12. Aufl., § 266 Rz. 4 sowie zum früheren Recht BGH v. 15.3.1989 - IVb ZB 183/87 FamRZ 1989, 725, 726 und BGHZ 133, 344 = FamRZ 1996, 1540, 1541 f.).

Rz. 16

c) Bloße Rechen- oder Rechtsanwendungsfehler im Ausgangsverfahren eröffnen ebenfalls nicht die Abänderungsmöglichkeit (BGHZ 198, 91 = FamRZ 2013, 1548 Rz. 16 ff.), weshalb es nicht darauf ankommt, ob schon im ersten Abänderungsverfahren § 31 VersAusglG hätte zur Anwendung kommen können. Auch bei einer Anwendung des § 31 VersAusglG im ersten Abänderungsverfahren, wie sie der nachfolgend ergangenen Senatsrechtsprechung entsprochen hätte (vgl. BGH, Beschl. v. 5.2.2020 - XII ZB 147/18 FamRZ 2020, 743 Rz. 22 m.w.N.), wäre kein Versorgungsausgleich zu Lasten des Ehemanns durchgeführt worden und hätte eine nachfolgende Werterhöhung des Anrechts der Ehefrau keine (weitere) Abänderungsmöglichkeit für den Ehemann eröffnet. Der Umstand, dass dem Ehemann weder das Abänderungsverfahren offensteht noch er von der Regelung des § 31 VersAusglG profitiert, stellt sich als hinzunehmende Konsequenz der Rechtskraft der Entscheidung über seinen ersten Abänderungsantrag dar.

 

Fundstellen

Haufe-Index 14988197

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