Entscheidungsstichwort (Thema)

Einwand der Übersicherung des Gläubigers. Verfahren zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung. Widerspruch. Erinnerung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Schuldner kann den Einwand der Übersicherung des Gläubigers (§ 803 Abs. 1 Satz 2 ZPO) im Verfahren zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung nur durch Widerspruch gem. § 900 Abs. 4 Satz 1 ZPO und nicht mit der Erinnerung gem. § 766 Abs. 1 Satz 1 ZPO geltend machen.

 

Normenkette

ZPO § 803 Abs. 1 S. 2, §§ 900, 766

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 10.12.2010; Aktenzeichen 51 T 753/10)

AG Berlin-Schöneberg (Entscheidung vom 07.10.2010; Aktenzeichen 32 M 767/10)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners wird der Beschluss des LG Berlin vom 10.12.2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Beschwerdewert: 1.500 EUR.

 

Gründe

Rz. 1

I. Der Gläubiger betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in das bewegliche Vermögen. Im Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung hat der Schuldner nach § 900 Abs. 4 Satz 1 ZPO Widerspruch eingelegt. Er macht geltend, er sei zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht verpflichtet, weil der Gläubiger bereits durch andere Maßnahmen der Zwangsvollstreckung hinreichend gesichert sei.

Rz. 2

Das Vollstreckungsgericht hat den Widerspruch des Schuldners zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde des Schuldners ist ohne Erfolg geblieben. Mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Schuldner seinen Widerspruch weiter.

Rz. 3

II. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Einwand einer Übersicherung des Gläubigers sei im Widerspruchsverfahren unstatthaft. Dem Prüfungsgegenstand sei allein das Erinnerungsverfahren angemessen. Dieses führe bereits in erster Instanz zu einer richterlichen Entscheidung und verkürze auch nicht den Rechtsschutz des Schuldners.

Rz. 4

III. Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch sonst zulässig (§ 575 ZPO). Sie hat in der Sache Erfolg.

Rz. 5

1. Die Pfändung im Rahmen der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in das bewegliche Vermögen darf nach § 803 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht weiter ausgedehnt werden, als es zur Befriedigung des Gläubigers und zur Deckung der Kosten der Zwangsvollstreckung erforderlich ist. Diese Bestimmung dient dem Schutz des Schuldners vor dem Verlust eines Vermögensgegenstandes (BGH, Beschl. v. 18.7.2002 - IX ZB 26/02, BGHZ 151, 384, 387).

Rz. 6

2. Der Schuldner kann den Einwand einer Übersicherung des Gläubigers allerdings grundsätzlich mit der Erinnerung gem. § 766 Abs. 1 Satz 1 ZPO geltend machen (Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl., § 766 Rz. 15). Gemäß § 766 Abs. 1 Satz 1 ZPO entscheidet das Vollstreckungsgericht über Anträge, Einwendungen und Erinnerungen, welche die Art und Weise der Zwangsvollstreckung oder das vom Gerichtsvollzieher bei ihr zu beobachtende Verfahren betreffen. Diese Entscheidung ist nach § 20 Nr. 17 Satz 2 RPflG dem Richter vorbehalten.

Rz. 7

Im Verfahren zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung ist jedoch der Widerspruch gem. § 900 Abs. 4 Satz 1 ZPO gegenüber der Erinnerung nach § 766 Abs. 1 Satz 1 ZPO der speziellere und damit vorrangige Rechtsbehelf (KG, NJW 1956, 115 f.; LG Berlin Rpfleger 2007, 407 f.; MünchKomm/ZPO/Eickmann, 3. Aufl., § 900 Rz. 19; Musielak/Voit, ZPO, 8. Aufl., § 900 Rz. 24; Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, 32. Aufl., § 900 Rz. 30b; vgl. auch Zöller/Stöber, a.a.O., § 900 Rz. 22). Bestreitet der Schuldner im Termin die Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung, so hat nach § 900 Abs. 4 Satz 1 ZPO das Gericht durch Beschluss zu entscheiden. Diese Entscheidung des Vollstreckungsgerichts ist nach § 20 Nr. 17 Satz 1 RPflG dem Rechtspfleger übertragen.

Rz. 8

Auch den Einwand der Übersicherung kann der Schuldner im Verfahren zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung nur durch Widerspruch gem. § 900 Abs. 4 Satz 1 ZPO geltend machen (LG Limburg, Rpfleger 1982, 434 f.; LG Detmold Rpfleger 1990, 432, 433; LG Stuttgart Rpfleger 2000, 28; MünchKomm/ZPO/Schmidt, a.a.O., § 777 Rz. 19; MünchKomm/ZPO/Eickmann, a.a.O., § 900 Rz. 21; Musielak/Lackmann, a.a.O., § 777 Rz. 6; Musielak/Voit, a.a.O., § 900 Rz. 25; Münzberg in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 900 Rz. 47; a.A. LG Hannover Rpfleger 1986, 187; Zöller/Stöber, a.a.O., § 777 Rz. 8). Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts kann nicht angenommen werden, die Aussichten des Gläubigers, aufgrund anderer Maßnahmen der Zwangsvollstreckung Befriedigung zu erlangen, könnten in der Regel nur im Erinnerungsverfahren hinreichend geprüft werden. Es ist auch nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die Entscheidung über den Einwand der Übersicherung dem Richter vorbehalten bleiben müsste. Vielmehr spricht der Gesichtspunkt der Verfahrensökonomie dafür, sämtliche Einwände, die der Schuldner im Termin gegen seine Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vorbringt - und so auch den Einwand der Übersicherung - im Widerspruchsverfahren vom Rechtspfleger überprüfen zu lassen (LG Limburg, Rpfleger 1982, 434, 435; LG Stuttgart Rpfleger 2000, 28).

Rz. 9

IV. Danach ist der Beschluss des Beschwerdegerichts aufzuheben. Die Sache ist zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen. Die Vorinstanzen haben sich bislang nicht mit der Frage befasst, ob der Gläubiger hinreichend gesichert ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2801672

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