Leitsatz (amtlich)

a) Für die Zuständigkeit nach § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO reicht es aus, wenn nach dem Klägervortrag eine öffentliche Kapitalmarktinformation verwendet wurde. Ob dies durch Übergabe des Prospekts oder in sonstiger Weise erfolgte, ist unerheblich.

b) Trägt der Kläger vor, dass ein Berater oder Vermittler eine in einem Prospekt veröffentlichte Kapitalmarktinformation verwendet hat, ist näheres Vorbringen zu der Frage, ob diese Information unmittelbar oder mittelbar auf den Prospekt zurückgeht, jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn keine anderen Quellen ersichtlich sind, denen der Berater oder Vermittler sie unabhängig vom Prospektinhalt hätte entnehmen können.

 

Normenkette

ZPO § 32b Abs. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

OLG Düsseldorf (Entscheidung vom 23.09.2015; Aktenzeichen I-5 SA 64/15)

 

Tenor

Der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Rz. 1

I. Die Klägerin nimmt die Beklagten, die ihren allgemeinen Gerichtsstand in zwei unterschiedlichen Gerichtsbezirken haben, auf Ersatz des Schadens in Anspruch, der ihr durch Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds entstanden ist. Nach dem Vortrag der Klägerin entschied sie sich für die Anlage aufgrund eines Beratungsgesprächs mit einem Mitarbeiter der Beklagten zu 1). Bei diesem Gespräch wurde der Klägerin eine Werbebroschüre überreicht. Der Fondsprospekt wurde ihr erst nach Unterzeichnung der Beitrittsvereinbarung zugesandt. Die Klägerin hält die Beratung für fehlerhaft, weil der Mitarbeiter der Beklagten zu 1) sie nicht über die wirtschaftlichen Risiken der Beteiligung aufgeklärt und insb. nicht darauf hingewiesen habe, dass es Probleme bei der Bauausführung gebe, die im Prospekt nicht erwähnt seien. Für diese Prospektfehler hätten auch die Beklagte zu 2) als Initiatorin des Fonds und Herausgeberin des Prospekts und die Beklagte zu 3) als Gründungs- und Treuhandgesellschafterin des Fonds einzustehen.

Rz. 2

Die Klägerin beantragt eine Entscheidung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO und regt an, als zuständiges Gericht das für die Niederlassung der Beklagten zu 1) zuständige LG zu bestimmen, bei dem die Klage gegen alle drei Beklagten bereits anhängig ist. Die Beklagten zu 2) und 3) treten dem Antrag entgegen.

Rz. 3

Das OLG Düsseldorf hält den Antrag für zulässig und begründet und die Bestimmung des von der Klägerin vorgeschlagenen Gerichts für zweckmäßig. Es sieht sich an einer Entscheidung in diesem Sinne durch einen Beschluss des OLG Frankfurt gehindert und hat die Sache deshalb dem BGH vorgelegt.

Rz. 4

II. Die Vorlage ist gem. § 36 Abs. 3 Satz 1 ZPO zulässig.

Rz. 5

Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts ist im Streitfall kein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand gegeben. Für die gegen die Beklagte zu 1) gerichtete Klage sei der Gerichtsstand des § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO nicht gegeben, weil die ihr angelasteten Beratungsfehler nicht den erforderlichen Bezug zu einer öffentlichen Kapitalmarktinformation aufwiesen. Entscheidend hierfür sei, dass der Fondsprospekt erst nach Unterzeichnung der Beitrittsvereinbarung ausgehändigt worden sei und deshalb nicht einfach und zuverlässig festgestellt werden könne, dass der Prospekt Grundlage des Beratungsgesprächs gewesen sei.

Rz. 6

Mit dieser Entscheidung würde sich das vorlegende Gericht, wie es in seinem Vorlagebeschluss zutreffend ausgeführt hat, in Widerspruch zu einer Entscheidung des OLG Frankfurt setzen. Dieses hat entschieden, der nach § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO erforderliche Bezug zu einer öffentlichen Kapitalmarktinformation liege auch dann vor, wenn der Emissionsprospekt erst nach Beitritt zu dem Fonds übergeben werde, ein Berater aber deshalb in Anspruch genommen werde, weil er die Prospektangaben nicht hinreichend überprüft habe (OLG Frankfurt, Beschl. v. 16.4.2015 - 11 SV 8/15).

Rz. 7

III. Entgegen der Auffassung des vorlegenden Gerichts sind die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO im Streitfall nicht gegeben. Für den Rechtsstreit ist gem. § 32b Abs. 1 Nr. 1 und 2 ZPO ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand am Sitz der Fondsgesellschaft begründet.

Rz. 8

1. Wie auch das vorlegende Gericht zutreffend angenommen hat, ist dieser Gerichtsstand gegenüber den Beklagten zu 2) und 3) nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 ZPO begründet, weil die Klägerin diese als Prospektverantwortliche wegen unzutreffender oder unzureichender Prospektangaben in Anspruch nimmt.

Rz. 9

2. Entgegen der Auffassung des vorlegenden Gerichts ist derselbe Gerichtsstand gegenüber der Beklagten zu 1) gem. § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO begründet.

Rz. 10

a) Nach § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO in der seit 1.12.2012 geltenden Fassung gilt der dort vorgesehene besondere Gerichtsstand auch für Klagen gegen Anlageberater oder -vermittler wegen Verwendung einer falschen oder irreführenden öffentlichen Kapitalmarktinformation oder wegen Unterlassung der gebotenen Aufklärung darüber, dass eine öffentliche Kapitalmarktinformation falsch oder irreführend ist. Wie das vorlegende Gericht zutreffend dargelegt hat, setzt dies voraus, dass ein Bezug zwischen dem geltend gemachten Schadensersatzanspruch und einer öffentlichen Kapitalmarktinformation besteht (BT-Drucks. 17/8799, 16).

Rz. 11

b) An einem solchen Bezug fehlt es nach der Rechtsprechung des Senats, wenn ein Anlageberater oder -vermittler mit der Begründung in Anspruch genommen wird, er habe eine im Prospekt enthaltene zutreffende Information verschwiegen (BGH, Beschl. v. 30.7.2013 - X ARZ 320/13, NJW-RR 2013, 1302 Rz. 30).

Rz. 12

Eine solche Konstellation ist, wie auch das vorlegende Gericht nicht verkannt hat, im Streitfall nicht gegeben. Die Klägerin nimmt die Beklagte zu 1) mit der Begründung in Anspruch, deren Mitarbeiter habe es versäumt, auf Risiken hinzuweisen, die aus dem Prospekt nicht ersichtlich seien.

Rz. 13

c) In der im Streitfall zu beurteilenden Konstellation bedarf es im Zusammenhang mit § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO grundsätzlich keines näheren Klägervortrags dazu, ob der Anlageberater oder -vermittler den Prospekt übergeben, vorgelegt oder zumindest darauf Bezug genommen hat.

Rz. 14

Nach § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO reicht es aus, wenn nach dem Klägervortrag eine öffentliche Kapitalmarktinformation verwendet worden ist. In welcher Form dies geschieht, ist sowohl nach dem Wortlaut der Vorschrift als auch nach deren Sinn und Zweck unerheblich. Erforderlich ist lediglich, dass der Berater oder Vermittler eine im Prospekt enthaltene Information an den Interessenten weitergegeben hat. Ob er hierbei ausdrücklich oder konkludent auf den Prospekt Bezug genommen hat, ist hingegen jedenfalls dann unerheblich, wenn diese Information unmittelbar oder mittelbar auf den Prospekt zurückgeht. Letzteres bedarf jedenfalls dann keiner näheren Darlegung durch den Kläger, wenn keine anderen Quellen ersichtlich sind, denen der Berater oder Vermittler diese Information unabhängig vom Prospektinhalt hätte entnehmen können.

Rz. 15

Im Streitfall legt die Klägerin zwar nicht dar, aus welchen Quellen der Mitarbeiter der Beklagten zu 1) die von ihm verwendeten Informationen bezogen hat. Sie trägt aber vor, er habe Angaben über die Lage der Immobilien und die Mieterstruktur gemacht, ohne auf vorhandene - auch im Prospekt nicht hinreichend offengelegte - Risikofaktoren hinzuweisen. Angesichts dessen bedurfte es entgegen der Auffassung des vorlegenden Gerichts keines weitergehenden Vortrags dazu, auf welcher Grundlage der Mitarbeiter der Beklagten zu 1) das Beratungsgespräch geführt hat und welche Unterlagen er der Klägerin während des Gesprächs präsentierte. Vielmehr ergibt sich schon aus dem aufgezeigten Vortrag der Klägerin hinreichend deutlich, dass der Mitarbeiter der Beklagten zu 1) Informationen aus dem Prospekt verwendet hat. Damit ist der nach § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO erforderliche Bezug zu einer öffentlichen Kapitalmarktinformation gegeben.

 

Fundstellen

BB 2016, 193

DB 2016, 6

NJW 2016, 1178

NJW 2016, 8

NZG 2016, 184

WM 2016, 156

WuB 2016, 245

ZIP 2016, 188

AG 2016, 178

JZ 2016, 106

MDR 2016, 293

VersR 2016, 548

GWR 2016, 58

ZBB 2016, 55

PAK 2016, 39

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