Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Veranlagung nach § 46 Abs. 1 Ziff. 3 EStG 1953 kommt nur in Betracht, wenn ein Steuerpflichtiger Arbeitslohn aus mehreren Arbeitsverhältnisses bezogen hat. Arbeitsverhältnisse der Ehefrau und der noch nicht 18 Jahre alten Kinder sind bei Anwendung dieser Vorschrift nicht zu berücksichtigen. Der Senat tritt der entgegenstehenden Auffassung der Entscheidung IV 445/51 U vom 6. März 1951 (Slg. Bd. 56 S. 245, BStBl 1952 III S. 96) nicht bei.

 

Normenkette

EStG § 46 Abs. 1 Ziff. 3, § 46/2/2

 

Tatbestand

Der Beschwerdegegner (Bg.) und seine Ehefrau sind die alleinigen Gesellschafter einer GmbH, deren Geschäftsanteile sie zu gleichen Teilen besitzen. Sie sind beide bei der GmbH angestellt, und zwar der Bg. als Geschäftsführer, seine Ehefrau als Prokuristin. Der noch nicht 18 Jahre alte Sohn der Eheleute ist als Lehrling in der GmbH tätig. Der Bg. bezog im Jahre 1953 von der GmbH Arbeitslohn von 8.800 DM, seine Ehefrau von 3.600 DM und sein Sohn von 640 DM. Der Bg. und seine Familie hatten im Jahre 1953 keine weiteren Einkünfte, auch keinen Gewinn aus der GmbH. Er machte in seiner Einkommensteuererklärung für dieses Jahr für jeden Familienangehörigen das Werbungskostenpauschale von 312 DM geltend, insgesamt also 936 DM. Das Finanzamt berücksichtigte bei der Veranlagung jedoch nur 312 DM.

Die Sprungberufung führte zur ersatzlosen Aufhebung der Veranlagung. Das Finanzgericht stellte fest, daß der Bg. nicht zu veranlagen sei, da keiner der Veranlagungsfälle des § 46 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vorliege. Eine Veranlagung komme insbesondere nicht nach § 46 Abs. 1 Ziff. 3 EStG in Betracht; denn diese Vorschrift setze voraus, daß "der Steuerpflichtige" Arbeitslohn aus mehreren Arbeitsverhältnissen bezogen habe. Arbeitsverhältnisse des Ehegatten und der unter 18 Jahre alten Kinder seien keine Arbeitsverhältnisse des Bg. Die vom Finanzamt vorgenommene Veranlagung sei daher unzulässig. Der Bg., seine Ehefrau und sein Sohn unterlägen nur der Lohnsteuer; das bei der Lohnsteuereinbehaltung für jeden von ihnen berücksichtigte Werbungskostenpauschale von 312 DM werde daher durch keine Veranlagung beeinträchtigt.

Der Vorsteher des Finanzamts wendet sich mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) gegen die Nichtanwendung des § 46 Abs. 1 Ziff. 3 EStG 1953. Wenn das EStG in dieser Vorschrift die Worte "Der Steuerpflichtige" enthalte, so sei damit - wie auch in anderen Stellen des EStG - die Haushaltsgemeinschaft gemeint. Bei einer demgemäß vorzunehmenden Veranlagung seien die Werbungskosten der zusammenveranlagten Personen in ihrer tatsächlichen Höhe abzugsfähig; sofern diese jedoch unter 312 DM lägen, komme nach § 14 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) "ein" Pauschbetrag von 312 DM zum Abzug.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

Der IV. Senat des Bundesfinanzhofs hat in dem Urteil IV 445/51 U vom 6. März 1952 (Slg. Bd. 56 S. 245, Bundessteuerblatt - BStBl - 1952 III S. 96) bei einem Sachverhalt, der dem hiervorliegenden ähnlich ist, entschieden, daß eine Veranlagung gemäß § 46 Abs. 1 Ziff. 3 EStG durchzuführen ist, wenn sowohl der Ehemann als auch die von ihm nicht dauernd getrennt lebende Ehefrau in einem Arbeitsverhältnis stehen. Dieser Entscheidung liegt die Auffassung zugrunde, daß Personen, welche die Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung erfüllten, für die Besteuerung eine Einheit bildeten und die von ihnen bezogenen Einkünfte so zu behandeln seien, als wären sie einer Person zugeflossen. Der Senat sieht davon ab, zu dieser Rechtsauffassung Stellung zu nehmen; denn die Auslegung des § 46 Abs. 1 Ziff. 3 EStG 1953, auf den sich die vom Finanzamt vorgenommene Veranlagung gründet, ergibt bereits, daß eine Veranlagung nach dieser Vorschrift im vorliegenden Fall nicht in Betracht kommt. Wenn in § 46 Abs. 1 Ziff. 3 EStG 1953 von "dem" Steuerpflichtigen die Rede ist, so ist damit nach dem Sprachgebrauch nur eine Person gemeint. Wollte das Gesetz die Arbeitsverhältnisse mehrerer Personen zwecks Vornahme einer Veranlagung zusammenfassen, so hätte es dies klar aussprechen müssen. Der Senat hält es nicht für vertretbar, diese Gesetzesbestimmung gegen ihren Wortlaut erweiternd auszulegen. Da Veranlagungen gemäß § 46 Abs. 1 Ziff. 3 EStG 1953 gegenüber der Lohnsteuererhebung infolge der Progression des Einkommensteuertarifs in der Regel eine mehr oder weniger große Erhöhung der Steuerbelastung mit sich bringen, würde sich eine erweiternde Auslegung dieser Vorschrift gerade bei den meist sozial schwachen Arbeitnehmern als Verschärfung der Besteuerung auswirken. Das wäre nur zu verantworten, wenn der Sinn des Gesetzes dazu zwingen würde (vgl. hierzu Urteil des Bundesfinanzhofs VI 125/56 U vom 6. September 1957, BStBl 1957 III S. 387). Das ist jedoch nicht der Fall. Die ab 1955 geltende Fassung dieser Vorschrift spricht sogar dagegen. Sie schreibt nämlich eine Veranlagung in derartigen Fällen nur vor, wenn "von einem Arbeitnehmer Einkünfte aus mehreren Dienstverhältnissen bezogen worden sind". Wenn diese Neufassung auch noch nicht für das streitige Jahr 1953 gilt, so muß doch angenommen werden, daß sie lediglich eine Klarstellung gegenüber der früheren zu Zweifeln Anlaß gebenden Fassung sein sollte. Danach ist jedenfalls eine erweiternde Auslegung des früheren Gesetzeswortlauts nicht angängig. Der Senat vermag deshalb der Entscheidung des IV. Senats IV 445/51 U nicht beizutreten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408908

BStBl III 1958, 24

BFHE 1958, 55

BFHE 66, 55

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