Leitsatz (amtlich)

Wird die öffentliche Bestellung als Steuerberater vom Wirtschaftsministerium widerrufen (§ 5 Abs. 2 des württemberg-badischen Gesetzes Nr. 911 über Wirtschaftsprüfer, Bücherrevisoren und Steuerberater vom 17. Dezember 1947 - Geltungsbereich: amerikanische Besatzungszone -), so ist gegen diese Entscheidung nicht der Finanzrechtsweg, sondern der Verwaltungsrechtsweg gegeben (§ 10 a. a. O.).

 

Normenkette

württemberg-badisches Gesetz Nr. 911 über Wirtschaftsprüfer, Bücherrevisoren und Steuerberater (Regierungsblatt der Regierung Wüttemberg-Baden 1948 S. 9); Württemberg-badisches Gesetz Nr. 911 über Wirtschaftsprüfer, Bücherrevisoren und Steuerberater (Regierungsblatt der Regierung Wüttemberg-Baden 1948 S. 9) § 5 Abs. 2; Württemberg-badisches Gesetzes Nr. 911 über Wirtschaftsprüfer, Bücherrevisoren und Steuerberater (Regierungsblatt der Regierung Wüttemberg-Baden 1948 S. 9) § 10; württembergbadisches Gesetz Nr. 110 über die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Regierungsblatt der Regierung Württemberg-Baden 1946 S. 221) § 22 Abs. 1; AO § 107

 

Tatbestand

Die Bestellung des Beschwerdeführers (Bf.) als Steuerberater ist auf Grund eines gegen ihn durchgeführten Disziplinarverfahrens durch die Verfügung des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg vom 26. März 1956 widerrufen worden. Diese Verfügung, die im Einvernehmen mit dem Finanzministerium ergangen war, enthielt eine Rechtsmittelbelehrung, daß gegen sie die Berufung an das Finanzgericht gegeben sei.

Die vom Bf. eingelegte Berufung wurde vom Finanzgericht als unzulässig verworfen mit der Begründung, daß nicht das Finanzgericht, sondern das allgemeine Verwaltungsgericht zur Entscheidung über das Rechtsmittel sachlich zuständig sei.

Mit der Rechtsbeschwerde rügt der Bf. die unrichtige Anwendung bestehenden Rechts. Er hält die Zuständigkeit der Steuergerichte für gegeben.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

Der Bf. übte seine Tätigkeit im Gebiete des früheren Staates Württemberg-Baden aus. Der Umfang dieses Gebletes ergibt sich aus Art. I der Proklamation Nr. 2 der Militärregierung Deutschland -- Amerikanische Zone -- vom 19. September 1945 (Amtsblatt der Militärregierung Deutschland, amerikanische Zone S. 2).

Rechtsgrundlage für den Widerruf der Bestellung des Bf. als Steuerberater sind die §§ 1, 5 Abs. 2 des württemberg-badischen Gesetzes Nr. 911 über Wirtschaftsprüfer, Bücherrevisoren und Steuerberater vom 17. Dezember 1947 (Regierungsblatt der Regierung Württemberg-Baden 1948 S. 9) in Verbindung mit § 29 Abs. 2 der Verordnung Nr. 937 vom 8. November 1948 (Regierungsblatt der Regierung Württemberg-Baden 1949 S. 7). Gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz ist der Verwaltungsrechtsweg zulässig (§ 10 des Gesetzes). Dieser Verwaltungsrechtsweg führt zur Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung durch die Verwaltungsgerichte. Sachlich zuständig sind die allgemeinen Verwaltungsgerichte, soweit nicht besondere Verwaltungsgerichte zu entscheiden haben (§ 22 Abs. 1 Satz 1 des württemberg-badischen Gesetzes Nr. 110 über die Verwaltungsgerichtsbarkeit -- VGG -- vom 16. Oktober 1946, Regierungsblatt der Regierung Württemberg-Baden S. 221). Einen Hinweis, daß die Finanzgerichte, als besondere Verwaltungsgerichte, zur Nachprüfung von Entscheidungen nach dem Gesetz Nr. 911 zuständig seien, enthält dieses Gesetz nicht, obwohl in Württemberg-Baden die Finanzgerichte bereits seit 1. September 1947 ihre Tätigkeit wieder aufgenommen hatten (Erlaß des württemberg-badischen Finanzministeriums, Hauptabteilung Steuern, in Stuttgart vom 9. August 1947 S 1213/S 1216 -- S 1214 -- St 21 für Nordwürttemberg über die Wiedereinführung des Berufungsverfahrens, "Finanz und Steuer" 1947 S. 169), ihre Zuständigkeit also gesetzlich hätte begründet werden können. Daraus ist zu schließen, daß der Gesetzgeber für Entscheidungen der genannten Art es bei der Zuständigkeit der allgemeinen Verwaltungsgerichte belassen wollte. Auf einen solchen Willen des Gesetzgebers deutet auch die Tatsache hin, daß er für die Bestellung und den Widerruf der Bestellung als Steuerberater nicht mehr wie bisher die Oberfinanzdirektion (§ 107 Abs. 3 Ziff. 2 der Reichsabgabenordnung -- AO --), sondern das Wirtschaftsministerium in Gemeinschaft mit dem Finanzministerium für zuständig erklärt und entgegenstehende Vorschriften außer Kraft gesetzt hat (§§ 1 Abs. 1, 5 Abs. 2, 12 Abs. 2 Buchst. b des Gesetzes Nr. 911).

Hinsichtlich der sachlichen Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte für Entscheidungen der bezeichneten Art, hat das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG) vom 23. Mai 1949 (Bundesgesetzblatt I S. 1) keine Änderung gebracht. Das Gesetz Nr. 911 und die zur Durchführung dieses Gesetzes ergangenen Verordnungen Nr. 937 (vom 8. November 1948, Regierungsblatt der Regierung Württemberg-Baden 1949 S. 7) und Nr. 938 (vom 8. November 1948, Regierungsblatt der Regierung Württemberg-Baden 1949 S. 16) wurden im Rahmen ihres Geltungsbereiches Bundesrecht (Art. 125 in Verbindung mit Art. 74 Nr. 1 GG). Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet bei Rechtsverletzungen durch die öffentliche Gewalt den gerichtlichen Rechtsschutz als solchen, befaßt sich aber im einzelnen nicht mit dem Zweig der Gerichtsbarkeit, der den Rechtsschutz gewähren soll.

Der Einwand des Bf., der in § 10 des Gesetzes Nr. 911 vorgeschriebene Verwaltungsrechtsweg bedeute eine unzulässige Einengung des bisherigen Rechtsmittelzuges, ist unbegründet. Bis zum Inkrafttreten des VGG im Jahre 1946 war eine gerichtliche Nachprüfung von Verfügungen der bezeichneten Art nicht möglich (§ 107 Abs. 3 Ziff. 2 AO in Verbindung mit § 8 der Verordnung zur Durchführung des § 107 der Reichsabgabenordnung -- DV zu § 107 AO -- vom 18. Februar 1937 -- Reichsgesetzblatt I S. 245, Reichssteuerblatt S. 313 --). Erstmals § 22 VGG gab die Möglichkeit, die Zulässigkeit einer solchen Verfügung durch Verwaltungsgerichte nachprüfen zu lassen.

Die hier vertretene Auffassung hinsichtlich der Zuständigkeit steht nicht im Widerspruch zu der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs. Zwar hat der Bundesfinanzhof in seinem Beschluß II 169/53 S vom 2. März 1955, Slg. Bd. 60 S. 317, Bundessteuerblatt 1955 III S. 121 (122), ausgeführt, daß "für Angelegenheiten, welche die Zulassung (und die Entziehung der Zulassung) zu den steuerberatenden Berufen betreffen, schlechthin die Steuergerichte (Finanzgericht und Bundesfinanzhof) zuständig" seien, jedoch ist aus dem Rechtssatz und den Gründen dieser Entscheidung eindeutig zu entnehmen, daß diese Ausführungen einen Fall aus der britischen Besatzungszone betreffen und daß sie außerdem davon ausgehen, daß es sich um die Nachprüfung einer Verfügung handelt, die die Finanzbehörde im Rahmen ihrer Zuständigkeit erlassen konnte. Auch das Urteil II 113/52 U vom 1. Oktober 1952, Slg. Bd. 56 S. 832, Bundessteuerblatt 1952 III S. 319, betraf einen Fall aus der britischen Besatzungszone. Das Urteil II 101/53 U vom 17. März 1954, Slg. Bd. 58 S. 627, Bundessteuerblatt 1954 III S. 150, hat zwar einen Rechtsstreit aus dem Bereich der früheren amerikanischen Zone (Hessen) zum Gegenstand. Er betraf einen Helfer in Steuersachen. Hier hat der erkennende Senat die Zuständigkeit der Finanzgerichte und des Bundesfinanzhofs nicht für die Zulassung eines Steuerberaters, sondern eines Helfers in Steuersachen bejaht. Für die Erlaubnis der Tätigkeit als Helfer in Steuersachen ist es auch im Geltungsbereich des Gesetzes Nr. 911 bei den Vorschriften des § 107a AO verblieben (§ 8 des Gesetzes Nr. 911) und damit bei der ausschließlichen Zuständigkeit der Finanzbehörden für die zu erlassenden Verwaltungsakte.

Die Vorinstanz hat deshalb zutreffend im Streitfalle nicht den Finanzrechtsweg, sondern den Verwaltungsrechtsweg für gegeben erachtet. Sie befindet sich damit in Übereinstimmung mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts I C 115/54 vom 22. November 1956 (Mitteilungsblatt der Steuerberater 1957 S. 81), das zu § 10 des Bayer. Gesetzes Nr. 105 über Wirtschaftsprüfer, Bücherrevisoren und Steuerberater vom 9. März 1948 (Gesetz- und Verordnungsblatt S. 45, 110) ergangen ist.

Die Sache ist an das zuständige Gericht des ersten Rechtszuges zu verweisen (§ 81 des Gesetzes über das Bundesverwaltungsgericht vom 23. September 1952, Bundesgesetzblatt I S. 625). Sachlich und örtlich zuständig ist das Verwaltungsgericht Stuttgart in Stuttgart (§§ 22, 26 VGG in Verbindung mit Nr. 3 der Fünften Verordnung der Landesregierung zur Ausführung des württemberg-badischen Gesetzes über die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 9. April 1956, Gesetzblatt für Baden-Württemberg 1956 S. 87).

 

Fundstellen

Haufe-Index 408827

BStBl III 1957, 363

BFHE 1958, 344

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