Leitsatz

Geschiedene Eheleute stritten um den nachehelichen Unterhalt. Die Ehefrau betreute eine im September 1995 geborene gemeinsame Tochter der Parteien, die stark sehbehindert war. Sie hatte keinen Beruf erlernt, war nicht erwerbstätig und bezog bis September 2005 Arbeitslosengeld II.

Der Beklagte vertrat die Auffassung, die Klägerin könne neben der Kindesbetreuung einer zumutbaren teilschichtigen Tätigkeit nachgehen und hieraus eigene Einkünfte erzielen. Gegenstand des Verfahrens war die Frage, ob und in welchem Umfang der Ehefrau noch Betreuungsunterhalt zu gewähren war.

 

Sachverhalt

Aus der am 22.6.2004 geschiedenen Ehe der Parteien war eine im September 1995 geborene Tochter hervorgegangen, die stark sehbehindert war. Die Tochter wohnte im Haushalt der Mutter und besuchte seit September 2006 die erweiterte Realschule.

Die Ehefrau und Klägerin hatte keinen Beruf erlernt und war nicht erwerbstätig. Bis September 2005 bezog sie Arbeitslosengeld II.

Der Beklagte war vollschichtig als Mess- und Regeltechniker und Elektromeister beschäftigt. Während der Ehe hatte er dort regelmäßig Überstunden abgeleistet. Im Rahmen eines seit dem 4.8.2004 angemeldeten Gewerbes war er ergänzend selbständig als Software-Entwickler tätig.

Sie nahm den Beklagten auf Zahlung von Ehegattenunterhalt in Anspruch und behauptete, sie müsse die Tochter zur Schule fahren, da diese aufgrund ihrer Sehbehinderung öffentliche Verkehrsmittel nicht nutzen könne. Eine Erwerbstätigkeit sei ihr nicht zumutbar, da sie wegen der Sehbehinderung der Tochter zahlreiche Fahrten zur Schule unternehmen und im Übrigen ständig erreichbar sein müsse.

Die Einkünfte des Beklagten aus unternehmerischer Tätigkeit hielt sie für eheprägend. Er habe schon während der Ehe mehrere Aufträge selbständig bearbeitet. Seine selbständige Tätigkeit sei sachlich mit der zuvor in abhängiger Beschäftigung ausgeübten Tätigkeit identisch, sie sei an die Stelle der früher abgeleisteten Überstunden getreten, die der Beklagte im Übrigen auch weiterhin ableisten könne.

Durch Teilanerkenntnisurteil vom 13.2.2007 wurde der Beklage verurteilt, an die Klägerin ab März 2007 monatlich 575,00 EUR laufenden Elementarehegattenunterhalt zu zahlen.

Darüber hinaus hat der Beklagte Unterhaltsrückstände für die Zeit von Oktober 2005 bis Juli 2006 zu zahlen und für die Zeit danach höhere Beträge als durch Teilanerkenntnisurteil tituliert, zuletzt ab März 2007 über den im Teilanerkenntnisurteil anerkannten monatlichen Elementarunterhalt hinaus weiteren Elementarunterhalt von 629,58 EUR monatlich sowie 117,60 EUR monatlich als Krankenvorsorgeunterhalt und 346,68 EUR monatlich als Altersvorsorgeunterhalt zu zahlen.

Hilfsweise beantragte sie, den Beklagten zur Auskunftserteilung über Art, Umfang und Zeitraum seiner selbständigen Tätigkeiten zu erteilen.

Nach Teilanerkenntnis verteidigte sich der Beklagte im Übrigen mit der Begründung, die Klägerin könne neben der Kinderbetreuung einer zumutbaren teilschichtigen Tätigkeit nachgehen und hieraus eigene Einkünfte von 600,00 EUR erzielen.

Mit Schlussurteil vom 27.3.2007 wurde die Klage auf nachehelichen Ehegattenunterhalt ab Oktober 2005 und den Hilfsantrag abgewiesen.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung verfolgte die Klägerin ihr erstinstanzliches Begehren weiter.

Das Rechtsmittel erwies sich nur als teilweise erfolgreich.

 

Entscheidung

Das OLG bejahte einen Anspruch der Klägerin auf nachehelichen Unterhalt bis Ende 2007 aus § 1570 BGB a.F. und ab 2008 aus § 1570 BGB n.F.. Zu Recht habe nach den bis dahin geltenden Kriterien das FamG eine Erwerbsobliegenheit der Klägerin zur Ausübung einer Teilzeitbeschäftigung im Rahmen eines sog. 400-Euro-Jobs bis Ende 2007 bejaht und hierzu aufgeführt, das Alter der im September 2005 bereits 10 Jahre alten Tochter und die starke Sehbehinderung stünden einer stundenweisen Teilzeitarbeit nicht entgegen. Selbst wenn die Tochter öffentliche Verkehrsmittel nicht benutzen könne, bestehe während ihrer mehrstündigen Abwesenheit kein Betreuungsbedarf. In dieser Zeit könne die Klägerin einer stundenweisen Tätigkeit nachgehen, zumal sie über einen Pkw verfüge. Diesen Ausführungen schloss sich das OLG in seiner Entscheidung an und hielt ebenfalls eine geringfügige Beschäftigung im Rahmen eines 400-Euro-Jobs für zumutbar. Ebenso wie das erstinstanzliche Gericht verneinte es jedoch eine weitergehende Erwerbsmöglichkeit. Wenngleich die stark ausgeprägte Sehbehinderung der Tochter keine Dauerbetreuung erfordere, sei ein punktueller Betreuungsmehrbedarf anzuerkennen, der die zeitliche Verfügbarkeit der Klägerin stark einschränke. Unter Berücksichtigung auch der fehlenden Berufsausbildung der Klägerin erscheine jedenfalls für die Zeit bis Ende 2007 die Erzielung eines höheren Einkommens als 400,00 EUR unrealistisch.

Für die Zeit ab Januar 2008 stehe der Klägerin nach neuer Rechtslage hingegen nur noch Betreuungsunterhalt zu, soweit sie ihren Unterhalt nicht durch eine erweiterte Erwerbstätigkeit im Umfang von 600,00 EUR selbst decken könne. D...

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