Leitsatz

Für die Wertgrenze der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 26 Nr. 8 EGZPO ist der Wert des Beschwerdegegenstands aus dem beabsichtigten Revisionsverfahren maßgebend. Um dem Revisionsgericht die Prüfung dieser Zulässigkeitsvoraussetzung zu ermöglichen, muss der Beschwerdeführer innerhalb laufender Begründungsfrist darlegen und glaubhaft machen, dass er mit der beabsichtigten Revision das Berufungsurteil in einem Umfang, der die Wertgrenze von 20.000 EUR übersteigt, abändern lassen will.

 

Normenkette

EGZPO § 26 Nr. 8; ZPO §§ 3, 8, 9

 

Das Problem

  1. Teileigentümer B kauft 2009 das Teileigentum Nr. 18. B wohnt in dem diesem zugeordneten Sondereigentum. Teileigentümer K erwirbt später das Teileigentum 11. Dessen Sondereigentum liegt neben dem des B. K nutzt sein Sondereigentum gewerblich (er stellt es Musikern als Proberaum zur Verfügung). K verlangt von B, den Gebrauch des Sondereigentums zu Wohnzwecken zu unterlassen. B nimmt den K widerklagend auf Zustimmung zur Umwandlung seines Teil- in ein Wohnungseigentum in Anspruch.
  2. Das Amtsgericht gibt der Klage statt und weist die Widerklage ab. Die Berufung weist das Landgericht zurück. B, der seinen Klageabweisungsantrag und die Widerklage weiterverfolgen möchte, beantragt die Zulassung der Revision. Ohne Erfolg!
 

Die Entscheidung

  1. Der Bundesgerichtshof verwirft die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig. Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer übersteige nicht 20.000 EUR (§ 26 Nr. 8 EGZPO). Für die Wertgrenze der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 26 Nr. 8 EGZPO sei der Wert des Beschwerdegegenstands aus dem beabsichtigten Revisionsverfahren maßgebend; um dem Revisionsgericht die Prüfung dieser Zulässigkeitsvoraussetzung zu ermöglichen, müsse der Beschwerdeführer innerhalb laufender Begründungsfrist darlegen und glaubhaft machen, dass er mit der beabsichtigten Revision das Berufungsurteil in einem Umfang, der die Wertgrenze von 20.000 EUR übersteige, abändern lassen wolle (Hinweis auf BGH v. 12.11.2014, V ZR 59/14, Rn. 2). Der Beschwerdebegründung lasse sich eine 20.000 EUR überschreitende Beschwer nicht entnehmen.
  2. In Bezug auf die Verurteilung zur Unterlassung der Wohnnutzung sei für den Wert der Beschwer des B auf die diesbezüglich entstehenden Nachteile abzustellen. Diese könnten etwa in dem Verlust der Vorteile bestehen, die B aus der Wohnnutzung ziehe, oder in einem mit der Unterlassung verbundenen Aufwand. Das Interesse könne jeweils geschätzt werden. Für die Bestimmung des Werts der Beschwer könne dabei nicht auf §§ 8, 9 ZPO zurückgegriffen werden. Es werde nicht über den Bestand oder die Dauer eines unbefristeten Miet- oder Pachtverhältnisses gestritten, sondern es stehe die Nutzungsmöglichkeit eines Teileigentums zu dauernden Wohnzwecken infrage. Die Differenz des Mietwerts zwischen einer Nutzung zu Wohnzwecken und einer gewerblichen Nutzung habe B ebenso wenig dargelegt, wie ein konkreter Aufwand, der mit der Nutzungsänderung verbunden wäre.
  3. In Bezug auf die Widerklage hätte B sein Interesse an der Weiterverfolgung der Widerklage darlegen müssen. Die Widerklage weise zwar eine wirtschaftliche Identität mit der Klage auf, weil auch sie den Streit über die Nutzungsmöglichkeit betreffe. Sie übersteige aber deren Wert, da B mit ihr eine "rechtliche Absicherung" der dauernden Nutzbarkeit der "Einheit" als Wohnung erreichen wollen. Zu den Auswirkungen der erstrebten Änderung der Gemeinschaftsordnung auf den Verkehrswert der "Einheit" oder anderen sich hieraus ergebenden Vorteilen habe B jedoch nichts vorgetragen.
 

Kommentar

Anmerkung

Ein Teileigentümer darf in seinem Sondereigentum nicht wohnen. Die Klage gegen B musste daher Erfolg haben. Die Widerklage konnte grundsätzlich keinen Erfolg haben. Zwar kann ein Teileigentümer nach § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG einen Anspruch darauf haben, dass die Wohnungseigentümer bzw. Teileigentümer eine Vereinbarung ändern.

§ 10 Abs. 2 Satz 3 WEG

Jeder Wohnungseigentümer kann eine vom Gesetz abweichende Vereinbarung oder die Anpassung einer Vereinbarung verlangen, soweit ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer, unbillig erscheint.

Erwirbt man ein Teileigentum ist aber kein Grund ersichtlich, warum ein Teileigentümer einen Anspruch auf Umwidmung seines Teileigentums haben sollte: Wer ein Teileigentum erwirbt, muss wissen, dass er dort nicht wohnen darf.

Was ist für den Verwalter wichtig?

Ist nichts anderes vereinbart, darf ein Teileigentümer sein Teileigentum zu jedem gewerblichen Zweck gebrauchen (diese Zwecke werden regelmäßig sehr viel mehr stören als ein Wohnen). Es ist daher wohnungseigentumsrechtlich grundsätzlich nichts dagegen einzuwenden, dass – besteht keine Vereinbarung – K sein Teileigentum an Rockmusiker, einen Kindergarten oder einen Musiklehrer vermietet.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Beschluss v. 19.1.2017, V ZR 100/16

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