Diese Rechtslage beurteilt das LG anders! Es hält den Sonderumlagenbeschluss nicht für nichtig. Ein Beschluss sei nämlich nur dann nichtig, wenn sich sein Inhalt auch im Wege der vorrangig gebotenen Auslegung nicht feststellen lasse. Dies sei bei diesem Sonderumlagenbeschluss nicht der Fall. Er gebe den Betrag der von den Wohnungseigentümern zu erhebenden Sonderumlage mit 57.400 EUR an. Ebenso gebe er an, wie dieser Betrag sich auf die Wohnungseigentümer verteile: auf 15 Wohnungseigentumsrechte nach dem Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile. Zwar werde die Höhe der mit dem Eigentum an den genannten Wohnungseigentumsrechten jeweils verbundenen Miteigentumsanteile im Beschluss nicht genannt. Diese lasse sich aber zweifelsfrei dem Grundbuch und der dort in Bezug genommenen Teilungserklärung entnehmen. Ob mit dem Sonderumlagenbeschluss zu viel Mittel eingeworben worden seien, sei unerheblich, da dieser Fehler ebenfalls nicht zur Nichtigkeit führen würde. Ob die Erhaltungsbeschlüsse nichtig seien, sei ebenfalls unerheblich. Ihre Nichtigkeit hätte nicht die Nichtigkeit des Sonderumlagenbeschlusses zur Folge. Die getrennte Beschlussfassung über die Durchführung der Maßnahmen einerseits, und die Erhebung einer Sonderumlage zu deren Finanzierung andererseits, führe dazu, dass die Beschlüsse eigenständig zu behandeln seien und in ihrem Bestand von dem Schicksal des jeweils anderen nicht berührt würden (Hinweis auf BGH, Urteil v. 5.7.2019, V ZR 278/17, ZMR 2020 S. 206 Rz. 40).

Hinweis

  1. Zu den zu finanzierenden Erhaltungsmaßnahmen und den entsprechenden Beschlüssen lässt sich in Ermangelung der entsprechenden Feststellungen nichts sagen. Es mag sein, dass diese Beschlüsse wegen Unbestimmtheit nichtig waren. Es mag auch das Gegenteil richtig sein. Der Sonderumlagenbeschluss war jedenfalls nicht unbestimmt. Denn es steht fest, welche Wohnungseigentümer welche Mittel aufbringen sollen. Warum für die Erhaltungsmaßnahmen nur einige Wohnungseigentümer einzustehen haben, wird allerdings nicht ausreichend deutlich. Hierfür mag es aber in der Wohnungseigentumsanlage Gründe gegeben haben. Im aktuellen Recht wäre es sowieso kein Problem, denn § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG lässt es zu, dass nicht alle Wohnungseigentümer eine Erhaltungsmaßnahme finanzieren müssen. Irritierend ist, dass der Betrag nach Angaben des klagenden Wohnungseigentümers aus der Luft gegriffen war. So darf kein Verwalter vorgehen!
  2. Die Kardinalfrage ist aber eigentlich, ob die Beschlüsse zu den Erhaltungsmaßnahmen und der Sonderumlagenbeschluss miteinander "Stehen und Fallen" sollten. Dies ist eine Frage des § 139 BGB. Ist ein Teil eines Rechtsgeschäfts nichtig, so ist das ganze Rechtsgeschäft danach nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen worden wäre. Als diese "Teile" kann man Beschlüsse über eine Erhaltung und ihre Finanzierung ansehen. Denn es ist grundsätzlich nicht sinnvoll, Mittel für eine Erhaltungsmaßnahme einzusammeln, die es nicht gibt. Dies sieht das LG anders und bezieht sich auf die Rechtsprechung des BGH. Hierbei dürfte es aber einem Irrtum unterliegen. Die vom LG in Bezug genommene Entscheidung betrifft die Bestellung eines Verwalters und den Verwaltervertrag. Hier meinte Karlsruhe, der eine Beschluss berühre den anderen nicht. Bei der Finanzierung einer Erhaltungsmaßnahme dürfte es anders sein (siehe etwa LG Frankfurt a. M., Urteil v. 7.6.2018, 2-13 S 88/17, ZWE 2018 366 Rn. 27).

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