Der im Rahmen des § 69 StGB für das Regelbeispiel zu bestimmende "bedeutende Schaden" (allgemein dazu Krumm, NJW 2012, 829) wird zunächst nach objektiven wirtschaftlichen Gesichtspunkten bestimmt, wobei der reine, zivilrechtlich zu erstattende Sachschaden maßgeblich ist (OLG Hamm NZV 2011, 356; OLG Dresden NZV 2006, 104). Der "bedeutende Schaden" ist eigenständig zu bemessen und ist nicht identisch mit dem "bedeutenden Wert" des § 315c StGB (BGH NStZ 2011, 215; König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl., 2013, § 69 StGB Rn 17). Die Grenze, wann von einem erheblichen Sachschaden im vorgenannten Sinne auszugehen ist, ist derzeit bei etwa 1.300 EUR anzusetzen (OLG Hamm, Beschl. v. 6.11.2014 – III-5 RVs 98/14, juris/Krenberger, jurisPR-VerkR 10/2015 Anm. 3; OLG Hamburg zfs 2007, 409; Burmann in: Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 23. Aufl., 2014, § 69 StGB Rn 20), wobei es aber auch divergierende Entscheidungen nach unten und nach oben gibt (LG Frankfurt a.M. NStZ-RR 2009, 215: 1.400 EUR; LG Lübeck, Beschl. v. 14.3.2014 – 4 Qs 60/14, juris/Krenberger, jurisPR-VerkR 16/2014 Anm. 5: 1.500 EUR; zuletzt LG Landshut DAR 2013, 588: 2.500 EUR).

Insgesamt erstaunt die Begründung der vorliegenden Entscheidung. Das AG Tiergarten hätte sich problemlos der Rspr. des einen oder anderen Gerichts anschließen können. Wenn die Entscheidung, die nicht einmal auf nachvollziehbar dargestellten zivilrechtlichen Schadenspositionen beruht, aber dann so formuliert wird, als ob mit ihr eine neue Etappe in der Wertgrenzenbildung bei § 69 StGB einhergehen würde, dann hätte da eine viel genauere Abgrenzung zu anderen Entscheidungen erfolgen müssen.

Zudem fehlt jeder Hinweis darauf, welchen Einfluss die hier offenbar erfolgte Regulierung haben kann. Denn im Rahmen des § 142 StGB ist zwar die Regulierung durch die Versicherung bisher nicht als ausdrückliches bzw. solitäres Entkräftungsmerkmal anerkannt, es kann aber ein durchaus relevanter Begleitumstand sein (LG Zweibrücken NZV 2003, 439). Auch kann der Umstand, dass der Geschädigte bereits eine unter dem Grenzwert liegende Entschädigung durch die Versicherung akzeptiert hat, ein geeigneter Vortrag sein, um das tatsächliche Überschreiten des Grenzwerts zu verneinen (LG Paderborn VRS 109, 344). Abgesehen davon ist auch im Rahmen des § 142 StGB das Hinarbeiten auf eine Einstellung nach § 153a StPO mit den Mitteln der zivilrechtlichen Schadensrechtsprechung möglich (vgl. Gutt/Krenberger, zfs 2014, 9).

Schließlich ist auch schleierhaft, warum hier überhaupt noch ein Tatverdacht für § 142 StGB gegeben sein soll. Hierzu hätte es genauerer Darstellungen bedurft, wie weit der Beschuldigte denn weitergefahren ist, bevor er sich vergewissert hat und eben keinen Schaden entdecken konnte. Wo soll da der Vorsatz sein?

Das Ergebnis ist für den Beschuldigten natürlich positiv, da braucht es für ihn im Moment kein Stochern in dogmatischen Details, aber der Verteidiger muss gerade im Hinblick auf die spätere Hauptverhandlung all diese Punkte auf seiner internen Checkliste prüfen und gegenüber dem Gericht, ggf. mit gutachterlicher Unterstützung (rechtzeitig) rügen.

RiAG Dr. Benjamin Krenberger

zfs 10/2015, S. 589 - 590

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