Leitsatz (amtlich)

1. Kfz-Leasingverträge mit Kilometer-Abrechnung sind unbeschadet des Umstands, dass sie seit der Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie in nationales Recht nicht mehr dem Schutz des Verbraucherkreditrechts unterstehen, typischerweise Verträge über Finanzdienstleistungen im Sinne des Kreditwesengesetzes mit der Folge, dass für eine zivilrechtliche Streitigkeit über Ansprüche aus einem solchen Vertragsverhältnis eine gesetzliche Spezialzuständigkeit gemäß § 72a Abs. 1 Nr. 1 GVG sowie eine originäre Kammerzuständigkeit gemäß § 348 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO gegeben sind.

2. Ein einheitlicher Erfüllungsort für die wechselseitigen Ansprüche aus einem (vermeintlichen) Rückgewährschuldverhältnis nach Widerruf eines solchen Kfz-Leasingvertrags besteht nicht.

3. Die mit der Klageerhebung wirksam getroffene Wahl eines für einen prozessualen Anspruch zuständigen Gerichts kann auch dann binden, wenn bei diesem Gericht für die übrigen, im Wege der Klagehäufung geltend gemachten prozessualen Ansprüche keine örtliche Zuständigkeit gegeben ist, so dass in der Folge nur eine Teilverweisung des Rechtsstreits nach Trennung, nicht aber eine Gesamtverweisung in Betracht kommt.

 

Verfahrensgang

LG Augsburg (Aktenzeichen 085 O 2249/20)

LG Braunschweig (Aktenzeichen 10 O 768/21)

 

Tenor

1. Der Verweisungsbeschluss des Landgerichts Augsburg vom 2. März 2021 ist nicht bindend.

2. Die Sache wird an das Landgericht Augsburg zur weiteren Behandlung des Rechtsstreits zurückgegeben.

 

Gründe

I. Der in Augsburg wohnhafte Kläger schloss als Verbraucher mit der Beklagten durch Vermittlung eines Autohauses mit Zweigniederlassung in G. am 5. Juli 2017 einen Leasingvertrag über einen Vorführwagen des Modells Audi A3 Limousine sport 2.0 TDI S tronic. Der Vertrag sah 36 monatliche Leasingraten von 517,15 EUR brutto und eine jährliche Fahrleistung von 15.000 km vor. Mehr- bzw. Minderkilometer sollten unter Berücksichtigung der vereinbarten Toleranz vergütet werden. Weder eine Erwerbsverpflichtung des Leasingnehmers noch eine Befugnis des Leasinggebers, den Erwerb zu verlangen, noch eine Einstandspflicht für einen bestimmten Wert des Leasingfahrzeugs bei Ablauf der Vertragslaufzeit waren vereinbart.

Mit Anwaltsschriftsatz vom 24. Januar 2018 erklärte der Kläger den Widerruf seiner auf den Abschluss des Leasingvertrags gerichteten Willenserklärung unter Hinweis auf eine vermeintlich nicht ordnungsgemäße Belehrung über sein Widerrufsrecht. Mit Schriftsatz vom 22. Mai 2020 erhob er beim Landgericht Augsburg Klage mit den Anträgen,

1. festzustellen, dass die Klagepartei infolge ihrer Widerrufserklärung vom 24. Januar 2018 keine Leistungen aus dem mit der Beklagten abgeschlossenen Leasingvertrag (Vertragsnummer ...) schulde,

2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeugs ... seit dem 7. Februar 2018 in Verzug befinde,

3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klagepartei 18.100,25 EUR Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs ... nebst Fahrzeugschlüsseln und -papieren zu bezahlen.

Am 15. Juli 2020, mithin nach Ablauf der regulären Vertragslaufzeit, gab er das Fahrzeug über das besagte Autohaus in G. zurück. Mit dem Klageantrag zu Ziffer 3) verlangt er nunmehr gemäß Klageänderung vom 19. Februar 2021, die Beklagte zu verurteilen, an die Klagepartei 18.617,40 EUR zu bezahlen.

Die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts begründete der Kläger in der Klageschrift mit § 29 Abs. 1 ZPO. Bei einer negativen Feststellungsklage sei maßgeblich, an welchem Gerichtsort die vom Kläger negierte Leistungspflicht einzuklagen wäre, wo also der Erfüllungsort für die im Streit stehende Verpflichtung anzusiedeln sei. Zur Bestimmung des Leistungsorts sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf §§ 269, 270 BGB abzustellen. Danach habe die Leistung grundsätzlich an dem Ort zu erfolgen, an dem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz habe. Dies gelte auch für Geldschulden. Auch wenn Leistungshandlung und -erfolg dabei häufig auseinanderfielen, ändere dies nichts daran, dass Leistungsort der Wohnort des Schuldners bleibe.

Die im Landgerichtsbezirk Braunschweig ansässige Beklagte rügte mit der Klageerwiderung das Fehlen der örtlichen Zuständigkeit des Landgerichts Augsburg. Der Erfüllungsort für den gemäß Klageantrag zu 3) gegen sie gerichteten Anspruch auf Rückzahlung der Leasingraten liege nach materiellem Recht an ihrem Sitz. Aber auch für die negative Feststellungsklage bestehe kein besonderer Gerichtsstand beim angerufenen Gericht. Die sogenannte "Spiegelbildformel" sei nicht anzuwenden; im Verhältnis zum Leistungsantrag gewähre der Feststellungsantrag keinen Mehrwert, weshalb es auch für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit nicht maßgeblich auf das Feststellungsbegehren ankommen könne. Dieser Antrag sei ohnehin lediglich als Zwischenfeststellungsklage zum Leistungsbegehren einzustufen. Das angerufene Gericht sei daher für eine Entscheidung über den Klageantrag zu 1) - wie auch übe...

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