Entscheidungsstichwort (Thema)

unerlaubter Aufenthalt

 

Verfahrensgang

AG Ansbach (Urteil vom 16.01.2002)

 

Tenor

I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Ansbach vom 16. Januar 2002 mit den Feststellungen aufgehoben.

II. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an einen anderen Strafrichter des Amtsgerichts Ansbach zurückverwiesen

 

Tatbestand

I.

Das Amtsgericht Ansbach verurteilte den Angeklagten am 16.1.2002 wegen unerlaubten Aufenthalts zur Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 7,5 Euro.

Mit der Revision rügt der Angeklagte die Verletzung des materiellen Rechts.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die (Sprung-)Revision ist zulässig (§ 335 Abs. 1, §§ 312, 341, 344, 345 StPO) und begründet.

1. Nach den Feststellungen ist der Angeklagte tschechischer Staatsangehöriger und als Lkw-Fahrer im Güterfernverkehr beschäftigt. Am 30.6.2001 wurde er auf einem Parkplatz der Bundesautobahn A7 kontrolliert. Er war gerade dabei, auf einem in Deutschland zugelassenen Lkw eine Ladung von München und Gersthofen nach England zu transportieren. Wie er wußte, besaß er keine Aufenthaltsgenehmigung, glaubte aber in einem vermeidbaren Irrtum, eine solche nicht zu benötigen (Urteil S. 2).

2. Die Bewertung des Amtsgerichts, der Angeklagte habe sich des unerlaubten Aufenthalts schuldig gemacht, kann nicht bestehen bleiben, weil der Schuldumfang mangels unzureichender tatsächlicher Feststellungen den Urteilsgründen nicht zu entnehmen ist.

2.1 Gegen den Schuldspruch als solchen bestehen aus Rechtsgründen keine Bedenken.

Wegen unerlaubten Aufenthalts macht sich nach § 92 Abs. 1 Nr. 1 AuslG strafbar, wer sich entgegen § 3 Abs. 1 AuslG ohne Aufenthaltsgenehmigung im Bundesgebiet aufhält und keine Duldung nach § 55 Abs. 1 AuslG besitzt. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 AuslG bedürfen Ausländer für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet einer Aufenthaltsgenehmigung in Form eines Sichtvermerks (Visum), wobei nach § 3 Abs. 1 Satz 2 AuslG das Bundesministerium des Innern zur Erleichterung des Aufenthalts von Ausländern Rechtsverordnungen erlassen kann. § 1 Abs. 1 Satz 1 DVAuslG sieht daher vor, daß Staatsangehörige der in der Anlage 1 zu dieser Verordnung aufgeführten Staaten bei Vorliegen der erforderlichen Personaldokumente bei einem Aufenthalt bis zu drei Monaten keiner Aufenthaltsgenehmigung bedürfen, solange sie keine Erwerbstätigkeit aufnehmen. Das trifft für tschechische Staatsangehörige auch nach Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates vom 15. März 2001 (ABlEG Nr. L 81 vom 21.3.2001), geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 2414/2001 des Rates vom 7. Dezember 2001 (ABlEG Nr. L 327 vom 12.12.2001) zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht sind, im folgenden EU-VisumVO, zu.

Insoweit bestimmt Art. 1 Abs. 2 EU-VisumVO, daß die Staatsangehörigen der in der Liste in Anhang II aufgeführten Drittländer von der Visumpflicht nach Art. 1 Abs. 1 EU-VisumVO für einen Aufenthalt, der insgesamt drei Monate nicht übersteigt, befreit sind. Die EU-VisumVO ist am 10.4.2001 in Kraft getreten (Art. 8 Abs. 1). Die Tschechische Republik ist in der Staatenliste zu Art. 1 Abs. 2 aufgeführt.

An der Visumpflicht für tschechische Staatsangehörige, die in Deutschland erwerbstätig sind, hat sich durch die EU-VisumVO jedoch nichts geändert. Der Begriff der Erwerbstätigkeit ist in § 12 Abs. 1 DVAuslG dahingehend bestimmt, daß hierunter jede selbständige und unselbständige Tätigkeit fällt, die auf die Erzielung von Gewinn gerichtet oder für die ein Entgelt vereinbart oder üblich ist oder für die eine Arbeits- oder sonstige Berufsausübungserlaubnis erforderlich ist. Insoweit sieht Art. 4 Abs. 3 EU-VisumVO ausdrücklich vor, daß die Mitgliedstaaten für Personen, die während ihres Aufenthalts einer Erwerbstätigkeit nachgehen, Ausnahmen von der Visumbefreiung gemäß Art. 1 Abs. 2 EU-VisumVO vornehmen können. Eine solche Ausnahmeregelung besteht in Deutschland nach § 3 Abs. 1 Satz 2 AuslG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 12 DVAuslG. Dem steht nicht entgegen, daß die genannten Regelungen nicht als Ausnahmeregelungen zur EU-VisumVO, sondern als Ausnahmebestimmungen zum deutschen Einreise- und Aufenthaltsrecht konzipiert wurden. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 EU-VisumVO sieht insoweit nur vor, daß jeder Mitgliedstaat den anderen Mitgliedstaaten und der Kommission binnen zehn Arbeitstagen nach Inkrafttreten der EU-VisumVO unter anderem die Maßnahmen mitteilt, die er gemäß Art. 4 EU-VisumVO getroffen hat. Das ist geschehen. Die von Deutschland der Kommission gemäß Art. 5 Abs. 1 EU-VisumVO übermittelten Informationen, soweit sie Ausnahmen zu Art. 4 Abs. 3 EU-VisumVO zur Visumfreiheit betreffen, wurden nach dem Stand vom 15.8.2001 im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft veröffentlicht (ABlEG Nr. C 363/21/26 ff. vom 19. Dezember 2001). Hieraus ergibt sich, daß Personen aus...

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