Leitsatz (amtlich)

1. Ein Erbscheinsantrag kann nicht davon abhängig gemacht werden, daß ein für einen anderen Erbfall in einem anderen Verfahren gestellter Erbscheinsantrag abgelehnt wird.

2. Haben sich die Ehegatten gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt und dem überlebenden Ehegatten ausdrücklich überlassen, über den gesamten Nachlaß frei zu verfügen, so kann die Auslegung eines gemeinschaftlichen späteren Testaments mit einer Ersatz- bzw. Schlußerbeneinsetzung ergeben, daß der überlebende Ehegatte weiterhin anderweitig verfügen kann,

 

Normenkette

BGB §§ 133, 2084, 2096, 2100, 2269; FGG § 19

 

Verfahrensgang

LG Augsburg (Beschluss vom 30.12.1997; Aktenzeichen 5 T 1646/97)

AG Landsberg a. Lech (Aktenzeichen VI 350/96)

 

Tenor

I. Die Rechtsmittel des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des Landgerichts Augsburg vom 30. Dezember 1997 werden zurückgewiesen.

II. Der Beteiligte zu 1 hat den Beteiligten zu 2 und 3 die in den Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.

IV. Der Geschäftswert der Verfahren der weiteren Beschwerde wird für das Erbscheinsverfahren A auf DM 182.690,– und für das Erbscheinsverfahren B auf DM 500.000,– sowie für das Verfahren betreffend die Entlassung des Testamentsvollstreckers auf DM 50.000,– festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Das Verfahren betrifft die Erbfolge nach den Eheleuten A. und B., deren Ehe kinderlos blieb. Am 31.8.1953 fertigte A. ein handgeschriebenes und unterschriebenes Testament an, das folgenden Wortlaut hatte:

Mein letzter Wille!

Die glückliche Ehe mit meiner Ib. Frau gibt mir Veranlassung, so für sie vorzusorgen, daß sie auch nach meinem Tode keine Not leiden darf.

Mein gesamtes Privat- und Geschäftsvermögen (lt. Bilanz) wird nach meinem Tode meiner Frau zugesprochen. Ich überlasse es meiner Frau bei ihrem Ableben, diejenigen mit ihrem Erbe zu berücksichtigen, die ihr im Leben Gutes getan haben. Es wäre mein Wunsch, wenn dabei auch meine Neffen bedacht würden. Ich hoffe, daß auch diese sich meiner Frau annehmen werden und vor allem bei eventl. Auseinandersetzungen bei der Aufteilung des Geschäftsvermögens die Interessen meiner Frau wahrnehmen werden.

…, den 31. August 1953

Unterschrift

B. verfaßte ebenfalls am 31.8.1953 ein privatschriftliches Testament, in dem sie entsprechend der letztwilligen Verfügung ihres Ehemanns diesen als ihren alleinigen Erben einsetzte.

Am 22.10.1956 fertigte A. handschriftlich folgende von ihm und seiner Ehefrau unterschriebene Verfügung an:

Nachtrag!

Als Nacherben für unser Vermögen bestimmen wir unsere Schwester und Schwägerin S. Über das Vermögen ist nach eigenem Gutdünken zu verfügen. Unser Elterngrab und auch unser Grab … muß gut gepflegt werden und dafür muß für mindestens 20 Jahre ein Betrag auf der Bank sichergestellt werden!

Unterschriften

Der Ehemann verstarb am 20.5.1966. Der Erblasserin wurde nach Beweiserhebungen zur Auslegung der Testamente vom 31.8.1953 und 22.10.1956 gemäß Beschluß des Nachlaßgerichts vom 28.4.1967 ein Erbschein erteilt, nach dem sie ihren Ehemann aufgrund des Testaments vom 31.8.1953 allein beerbt hat. Die im Testament vom 22.10.1956 genannte S. verstarb am 30.11.1974; der Beteiligte zu 1 ist ihr Sohn.

Mit privatschriftlichem Testament vom 28.8.1978 setzte B. die Beteiligten zu 2 und 3 zu ihren Erben ein. Weiterhin verfügte sie zahlreiche Geld- und Sachvermächtnisse, die sie mit einem Testamentsnachtrag vom 16.7.1985 ergänzte. Außerdem ordnete sie Testamentsvollstreckung an, bestimmte ihren Steuerberater zum Testamentsvollstrecker und verfügte, daß das Nachlaßgericht bei dessen Verhinderung die Bestimmung des Testamentsvollstreckers vornehmen solle. Am 20.7.1996 verstarb B. im Alter von 85 Jahren.

Der Beteiligte zu 2 hat für sich und die Beteiligte zu 3 die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der ihr Erbrecht zu je 1/2 nach B. ausweisen sollte. Der Beteiligte zu 1 ist diesem Antrag entgegentreten und hat seinerseits beantragt, den an B. erteilten Erbschein vom 28.4.1967 einzuziehen und für kraftlos zu erklären, weil darin die im Testament vom 22.10.1956 von den Eheleuten verfügte Nacherbfolge nicht vermerkt und der Erbschein deswegen unrichtig sei. Weiter hat der Beteiligte zu 1 beantragt, einen Erbschein zu erteilen, nach dem B. von den Abkömmlingen der S. beerbt worden sei.

Mit Beschluß vom 14.1.1997 hat das Nachlaßgericht die Anträge des Beteiligten zu 1 zurückgewiesen und angekündigt, den vom Beteiligten zu 2 beantragten Erbschein zu erteilen. Mit Beschluß vom 24.2.1997 hat es den Beteiligten zu 2 zum Testamentsvollstrecker für den Nachlaß der B. ernannt. Gegen beide Entscheidungen hat der Beteiligte zu 1 Rechtsmittel eingelegt, nämlich Beschwerde gegen den Beschluß vom 14.1.1997 und sofortige Beschwerde am 5.3.1997 gegen den Beschluß vom 24.2.1997.

Im Verlaufe des Beschwerdeverfahrens hat das Landgericht den Beteiligten zu 1 darauf hingewiesen, daß er aufgrund der beanspruchten Nacherbenstellung Erbe des A. geworden sein könne, nicht aber Erbe der B. Daraufhin hat der Beteiligte zu 1 gegenüber dem Landgeric...

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