Leitsatz (amtlich)

Zur Prüfung der Ehegeschäftsfähigkeit eines Betreuten und zur Erforderlichkeit seiner Anhörung im gerichtlichen Verfahren.

 

Normenkette

BGB § 104 Nr. 2, § 1304; PStG § 5 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Weiden i.d.OPf. (Beschluss vom 26.08.2002; Aktenzeichen 2 T 77/02)

AG Weiden i.d. OPf. (Aktenzeichen 1 UR III 5/02)

 

Tenor

Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des LG Weiden i.d.OPf. vom 26.8.2002 aufgehoben und die Sache zu neuer Behandlung und Entscheidung an das LG Weiden i.d.OPf. zurückverwiesen.

 

Gründe

I. Die 1963 geborene Beteiligte zu 1) wurde am 1.7.2001 in das Bezirkskrankenhaus wegen Verdachts auf Selbstgefährdung eingeliefert. Am 10.7.2001 wurde für sie ein Betreuer bestellt mit den Aufgabenkreisen Aufenthaltsbestimmung und Unterbringung, Gesundheitsfürsorge, Vermögensfürsorge, Vertretung ggü. Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern, Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post sowie Hilfe bei beruflicher Eingliederung. Am 31.8.2001 wurde sie aus dem Bezirkskrankenhaus entlassen und in einem Heilpädagogischen Zentrum aufgenommen. Seitdem lebt sie dort in einem eigenen Zimmer in einer Wohngruppe und verrichtet Montagearbeiten in einer Werkstatt für Behinderte.

Die Beteiligte zu 1) lernte den am 9.5.1941 geborenen Beteiligten zu 2) am 7.8.2001 im Bezirkskrankenhaus kennen, der dort ebenfalls als Patient weilte. Am 11.4.2002 meldeten sich die Beteiligten zu 1) und 2) beim Standesamt persönlich zur Eheschließung an. Die Beteiligte zu 1) wies darauf hin, einen Betreuer zu haben. Der Standesbeamte hatte Zweifel an der Ehegeschäftsfähigkeit der Beteiligten zu 1) und legte deshalb die Sache gem. § 45 Abs. 2 PStG dem AG vor. Dieses holte ein Sachverständigengutachten durch den Landgerichtsarzt ein, der bereits im Betreuungsverfahren ein gerichtspsychiatrisches Gutachten über die Betreuungsbedürftigkeit der Beteiligten zu 1) abgegeben hatte. Ohne die Beteiligte zu 1) anzuhören, lehnte das AG mit Beschluss vom 1.8.2002 eine Anordnung an den Standesbeamten ab, an der beabsichtigten Eheschließung der Beteiligten zu 1) und 2) mitzuwirken. Gegen diese Entscheidung legte der Beteiligte zu 2) Beschwerde ein, die das LG mit Beschluss vom 26.8.2002 – ebenfalls ohne Anhörung der Beteiligten zu 1) – zurückwies. Mit der zu Protokoll des Urkundsbeamten des LG eingelegten weiteren Beschwerde strebt der Beteiligte zu 2) die Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung und die Anordnung an den Standesbeamten an, an der beabsichtigten Eheschließung mitzuwirken.

II. Das Rechtsmittel des Beteiligten zu 2) ist zulässig (§ 49 Abs. 1 S. 2, § 48 Abs. 1 PStG, § 27 Abs. 1 S. 1, § 29 Abs. 1 S. 1, Abs. 4, § 21 Abs. 2 S. 1 FGG). Es hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung der Entscheidung des LG, an das die Sache zu neuer Behandlung und Entscheidung zurückverwiesen wird.

1. Das LG hat ausgeführt:

Das AG sei zutreffend vom Ergebnis des von ihm eingeholten gerichtspsychiatrischen Sachverständigengutachtens ausgegangen, das die Ehegeschäftsfähigkeit der Beteiligten zu 1) verneint habe. Der Sachverständige habe nachvollziehbar und plausibel dargelegt, dass die Beteiligte zu 1) deutliche Auffassungsstörungen und formale Denkstörungen mit Beeinträchtigung des abstrakten, theoretischen und problemlösenden Denkens zeige und aufgrund des Ausmaßes ihrer intellektuellen Retardierung zu einer eigenständigen Lebensweise nicht in der Lage sei. Die Eigenmotivation zur geplanten Eheschließung sei gering; die Beteiligte zu 1) sei nicht ausreichend in der Lage, das Wesen der Ehe in seiner Komplexität zu begreifen und insoweit eine freie Willensentscheidung zu treffen. Es reiche nicht aus, dass es der Beteiligten zu 1) nach der Behauptung des Beteiligten zu 2) bei ihm wohl ergehe und sie sich bei ihm wohl fühle.

2. Die Entscheidung des LG, der beabsichtigten Eheschließung stehe das Ehehindernis der Geschäftsunfähigkeit der Beteiligten zu 1) entgegen (§ 5 Abs. 2 S. 1 PStG, § 1304, § 104 Nr. 2 BGB), durfte nicht ohne Anhörung der Beteiligten zu 1) ergehen (§ 48 Abs. 1 PStG, § 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).

a) Gemäß § 4 PStG haben die Verlobten die beabsichtigte Eheschließung bei dem zuständigen Standesbeamten anzumelden. Dieser hat zu prüfen, ob der Eheschließung ein Ehehindernis entgegensteht (§ 5 Abs. 2 S. 1 PStG). Kommt der Standesbeamte aufgrund eigener Prüfung zu dem Ergebnis, dass der beabsichtigten Eheschließung kein Ehehindernis entgegensteht und sind auch die sonstigen Voraussetzungen für diese gegeben, so teilt er den Verlobten mit, dass er die Eheschließung vornehmen kann (§ 6 Abs. 1 S. 1 PStG); andernfalls muss er seine Mitwirkung bei der Eheschließung ablehnen. In Zweifelsfällen kann er gem. § 45 Abs. 2 S. 1 PStG eine Entscheidung des AG herbeiführen. Diesem obliegt die Prüfung, ob die Ablehnung der Amtshandlung (§ 45 Abs. 2 S. 2 PStG) zu Recht erfolgt ist (vgl. BayObLG StAZ 1996, 229 [230]).

b) Gemäß § 1304 BGB kann eine Ehe nicht eingehen, wer geschäftsunfähig ist, d.h. wer an e...

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