Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. fremdsprachiger Versicherter. Anspruch von Therapien ≪hier Psychotherapie≫ in Muttersprache bei fehlenden deutschen Sprachkenntnissen. Ermächtigung. Diplom-Psychologin. psychotherapeutische Behandlung

 

Orientierungssatz

1. Fremdsprachige Versicherte der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) haben einen Anspruch auf Therapien (hier: Psychotherapien) in ihrer Muttersprache wenn dies aus ärztlicher Sicht im Hinblick auf die fehlenden Sprachkenntnisse und/oder die kulturellen Unterschiede oder aus anderen Gründen medizinisch notwendig ist.

2. Zur Ermächtigung einer Diplom-Psychologin zur psychotherapeutischen Behandlung fremdsprachlicher Versicherter in ihrer Heimatsprache.

 

Tenor

I. Die Berufung der Beigeladenen zu 1) wird zurückgewiesen, mit der Maßgabe, dass der Beklagte über den Widerspruch der Beigeladenen zu 1) gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses vom 22.10.2001 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden hat.

II. Der Beklagte und die Beigeladene zu 1) haben der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten und die Gerichtskosten zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

In diesem Rechtsstreit geht es um die Ermächtigung der Klägerin zur Behandlung von griechisch sprechenden Versicherten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).

Die in Griechenland geborene Klägerin hat in Deutschland Psychologie studiert. Seit 1991 ist sie als Diplom-Psychologin beim Psychologischen Dienst für Ausländer des Caritasverbandes der E. M. beschäftigt. Am 4. Januar 1999 erhielt sie die Approbation als Psychologische Psychotherapeutin und wurde am 10. März 2000 in das Arztregister in M. eingetragen. Am 18. Oktober 2000 hat die Klägerin, nachdem zunächst der Caritasverband versucht hatte, eine Institutsermächtigung zu bekommen, die Ermächtigung zur Teilnahme an der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung von griechisch sprechenden Versicherten der GKV in M. beantragt. Der Zulassungsausschuss (ZA) hat ermittelt, dass in M. im Jahr 2000 23.523 griechische Staatsbürger lebten. Er hat die neun zugelassenen Psychotherapeuten angeschrieben, die im Arztregister griechische Sprachkenntnisse angegeben hatten. Vier davon haben geantwortet und davon zwei angegeben, dass sie auch in griechisch therapierten, aber keine freien Kapazitäten hätten. Daraufhin erteilte der ZA der Klägerin mit Bescheid vom 22. Oktober 2001 die Ermächtigung zur Teilnahme an der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung in M. im Rahmen der fremdsprachlichen Psychotherapie von griechisch sprechenden Patienten in griechischen Sprache im Richtlinienverfahren der Verhaltenstherapie befristet bis zum 31. Oktober 2003. Zur Begründung führte er aus, die Versicherten der GKV hätten Anspruch auf psychotherapeutische Behandlung, wenn eine solche nötig sei. Mit der Fähigkeit zum Führen eines Gespräches stehe und falle der Erfolg einer Psychotherapie. Ohne ausreichende Beherrschung der entsprechenden Sprache sei eine Leistungserbringung in diesem Bereich unmöglich. Ohne eine ausreichende Zahl von fremdsprachigen Therapeuten, die in ihrer Muttersprache therapieren könnten und auch mit der entsprechenden Mentalität und dem Kulturkreis der Patienten vertraut seien, wäre eine effiziente therapeutische Versorgung großer ausländischer Bevölkerungsgruppen nicht sicherzustellen. Zwar gebe es in M. eine Überversorgung mit Psychotherapeuten, doch sei auch zu berücksichtigen, dass sprachliche Verständigungsschwierigkeiten einer erfolgreichen Therapie abträglich seien. Ein Anspruch auf fremdsprachige Psychotherapie werde insofern bejaht und demzufolge die persönliche Ermächtigung von muttersprachlichen Psychotherapeuten im Einzelfall für vertretbar gehalten.

Dagegen hat die Beigeladene zu 2) Widerspruch eingelegt und zur Begründung ausgeführt, im Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) gebe es keinen Anspruch fremdsprachlicher Versicherter auf Psychotherapien in ihrer Muttersprache. Der Behandlungsanspruch nach § 27 SGB V umfasse nur solche Tätigkeiten, die die spezielle Fachkunde des Arztes bzw. des psychologischen Psychotherapeuten erforderten. Fremdsprachenkenntnisse gehörten dazu nicht. Sie verweist auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 10. Mai 1995, Az.: 1 RK 20/94), in der ein Anspruch eines gehörlosen Versicherten auf Hinzuziehung eines Gehörlosendolmetschers bei der ärztlichen Behandlung verneint wurde. § 28 Abs.1 Satz 2 SGB V erfasse nur Tätigkeiten, die ihrer Natur nach zur unmittelbaren ärztlichen Behandlung zählten. Der Gesetzgeber habe bei der Neuregelung des § 17 Abs.2 SGB V nur für Hörbehinderte die Hinzuziehung eines Gebärdendolmetschers vorgesehen, wenn die Behinderung Folge einer Erkrankung sei. Das gelte nicht für Verständigungsschwierigkeiten ausländischer Versicherter. Sie verwies auf § 24 Abs.1 Nr.4 des Ausländergesetzes (AuslG), woraus sich ergebe, dass erwünscht sei, dass die Ausländer die deutsche Sprache erlernten. Auch die Beigeladene zu 1) hat...

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