Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsarzt. Ende der Zulassung mit Vollendung des 68. Lebensjahres. kein Verstoß gegen Verfassungs- und Gemeinschaftsrecht

 

Orientierungssatz

Die Regelung des § 95 Abs 7 S 3 SGB 5 idF des GMG vom 14.11.2003 ist weder verfassungs- noch gemeinschaftsrechtswidrig.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 06.02.2008; Aktenzeichen B 6 KA 41/06 R)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 4. Oktober 2005 wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig die Rechtmäßigkeit der deklaratorischen Feststellung des Endes der Zulassung zum 30.06.2004 gemäß § 95 Abs.7 SGB V. Der Kläger begehrt darüber hinaus die Feststellung, dass seine vertragsärztliche Zulassung weiter besteht.

Der 1936 geborene Kläger war in L., Planungsbereich Bad T. als Arzt für Allgemeinmedizin vertragsärztlich zugelassen. Mit am 2. Juni 2004 ausgefertigtem Beschluss stellte der Zulassungsausschuss Ärzte Oberbayern das Ende der Zulassung zum 30. Juni 2004 kraft Gesetzes wegen Vollendung des 68. Lebensjahres am 2. Juni 2004 fest.

Den dagegen gerichteten Widerspruch wies der 2. Berufungsausschuss für Ärzte Bayern mit am 1. September 2004 ausgefertigtem Bescheid (Sitzung am 27. Juli 2004) zurück. Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Wortlaut des § 95 Abs.7 SGB V keine Interpretationsmöglichkeiten biete. Die Norm sei auch nicht aufgrund Gemeinschaftsrechts nicht anwendbar. Der Widerspruchsführer unterfalle auch nicht unter die Ausnahmeregelung des § 95 Abs.7 Satz 4 SGB V, da er seit dem 30. Januar 1975 und damit mehr als 20 Jahre zugelassen gewesen sei.

Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht München erhoben. Ausgeführt wird, dass die Norm im Widerspruch zur EG-Richtlinie 2000/78/EG stehe, die eine Ungleichbehandlung allein wegen des Alters verbiete. Die Norm verstoße auch gegen Art.14 GG. Ungeachtet der Tatsache, dass die Umsetzungsfrist der Richtlinie hinsichtlich des Alters erst am 2. Dezember 2006 ende, entfalte die Richtlinie Vorwirkungen, die eine gemeinschaftskonforme innerstaatliche Rechtsanwendung geböten.

Die Beigeladenen haben sich im Verfahren zwar geäußert, jedoch keinen Antrag gestellt. Die beigeladene AOK hat vorgetragen, dass ein Verstoß gegen die Richtlinie 2000/78/EG nicht gegeben sei, da sich die Regelung aufgrund der Notwendigkeit der Zulassungsbegrenzung, dem Erfordernis des Nachwachsens der jungen Ärztegeneration und dem Schutz der Versicherten vor nachlassender Leistungsfähigkeit älterer Ärzte rechtfertige.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 04. Oktober 2005 abgewiesen. § 95 Abs.7 SGB V enthalte eine eindeutige Regelung, die keinen Interpretationsspielraum eröffne. In Übereinstimmung mit dem dazu ergangenen Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts könne eine Grundrechtswidrigkeit der Norm nicht erkannt werden. Die Umsetzungsfrist der Richtlinie 2000/78/EG sei noch nicht verstrichen. Auch eine sonstige Europarechtswidrigkeit lasse sich nicht erkennen (Hinweis auf BSG Beschluss vom 27. April 2005, B 6 KA 38/04 B).

Dagegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Er wiederholt seine im Klageverfahren gemachten Ausführungen, die er unter Hinweis auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 22. November 2005 in der Rechtssache C-144/04 "Mangold" ergänzt. Dort sei im Wesentlichen ausgeführt worden, dass eine bestimmte nationale Regelung (hier: uneingeschränkte Zulassung befristeter Arbeitsverträge mit Arbeitnehmern, die das 52. Lebensjahr vollendet haben), der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 entgegenstehe. Es obliege dem nationalen Gericht die volle Wirksamkeit des allgemeinen Verbots der Diskriminierung wegen des Alters zu gewährleisten, indem es jede entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts unangewendet lasse, auch wenn die Frist für die Umsetzung der Richtlinie noch nicht abgelaufen ist. Die Rechtswidrigkeit ergebe sich nicht nur aufgrund der genannten Richtlinie, sondern auch aufgrund des primärrechtlichen Diskriminierungsverbots wegen Alters.

Der Kläger beantragt,

1. das Urteil des Sozialgerichts München, Az.: S 43 KA 919/04, vom 04. Oktober 2005 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 27. Juli 2004, ausgefertigt am 1. September 2004, zugegangen am 2. September 2004, aufzuheben und festzustellen, dass die vertragsärztliche Zulassung des Klägers über den 30. Juni 2004 hinaus besteht und

2. hilfsweise dem Europäischen Gerichtshof gemäß Art.234 Abs.1 lit.a. EGV zur Vorabentscheidung die Frage vorzulegen, ob eine Norm (hier: § 95 Abs.7 Satz 3 SGB V), die niedergelassenen Ärzte von der vertragsärztlichen Versorgung ausschließt, allein wegen Beendigung des 68. Lebensjahres, mit dem Verbot der Altersdiskriminierung als allgemeinen Rechtsgrundsatz des europäischen Primärrechts vereinbar ist und

3. hilfshilfsweise das Verfahren auszusetzen und gemäß Art...

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