Entscheidungsstichwort (Thema)

Bekämpfung von illegaler Ausländerbeschäftigung. Außenprüfung nach § 304 SGB 3. hinreichender Anlass. Verhältnismäßigkeit. Prüfungsverfügung. Bestimmtheit. Verfassungsmäßigkeit. kein Verstoß gegen Art 8 MRK

 

Orientierungssatz

1. Eine unangekündigte Außenprüfung nach § 305 SGB 3 in den Geschäftsräumen des Arbeitgebers entspricht pflichtgemäßem Ermessen und ist verhältnismäßig, wenn für die Bundesagentur für Arbeit aufgrund konkreter Anhaltspunkte oder aufgrund allgemeiner Erfahrung die Möglichkeit eines Verstoßes iS des § 304 Abs 1 Nr 1 und 2 SGB 3 besteht.

2. Eine allgemein gehaltene Prüfungsverfügung nach § 304 Abs 1 Nr 2 SGB 3, die keine Begründung der konkreten Prüfung enthält, ist ausreichend bestimmt, da sich die Informationsverpflichtung der BA auf die Aussage beschränkt, dass die Geschäfts- und Betriebsräume zu Kontrollzwecken betreten werden.

3. § 305 SGB 3 verstößt nicht gegen Art 13 Abs 1 GG.

4. Die Prüfungsverfügung nach § 304 SGB 3 iVm § 305 SGB 3 verstößt nicht gegen Art 8 MRK. Eine Vergleichbarkeit zu der Entscheidung des EGMR vom 16.4.2002 - 37871/97 ist zu verneinen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 01.03.2011; Aktenzeichen B 7 AL 2/10 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 03.02.2004 in Ziffer II des Urteilstenors aufgehoben.

Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens einschließlich des Revisionsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitgegenstand ist die Feststellung der Rechtmäßigkeit der Anordnung einer am 02.10.2002 durchgeführten Außenprüfung.

Am 23.09.2002 lehnte die Beklagte eine Arbeitserlaubnis für eine ausländische Arbeitnehmerin der Klägerin (A. S.) wegen Verdachts einer bestehenden Ordnungswidrigkeit ab, nachdem die Arbeitnehmerin - entgegen der Arbeitsgenehmigung vom 03.05.2002 bis 02.08.2002 mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 10 Stunden - im Juni 2002 von der Beklagten eine Lohnabrechnung über wöchentlich 14 Stunden erhalten hatte. Zudem erreichte der gezahlte Stundenlohn den Tariflohn nicht. Laut Vermerk der Beklagten vom 04.10.2002 forderte die Arbeitsmarktinspektion der Beklagten am 01.10.2002 von der zuständigen Buchhalterin der Klägerin, Frau L. (L.), sämtliche Lohnabrechnungen an. Auf den am 01.10.2002 zugefaxten handschriftlich erstellten Lohnabrechnungen für Juni und Juli 2002 waren die Arbeitsstunden auf 10 Stunden ausgebessert worden.

Am 02.10.2002 stellten sich zwei Prüfer der Beklagten bei L. zur Geschäftsunterlagenprüfung und Kontrolle der Stundenaufzeichnungen vor. Auf Nachfrage stellten die Prüfer eine schriftliche Prüfungsverfügung betreffend die Firma T. in der R.str.. , A-Stadt aus, deren Erhalt L. im Auftrag quittierte. Wegen weiterer Auffälligkeiten forderten die Prüfer die Buchhalterin zur Vorlage aller Lohnunterlagen auf, die sichergestellt werden sollten. Die schließlich von L. zugezogenen Geschäftsführer erklärten sich damit nicht einverstanden und drängten die Prüfer zum Verlassen der Geschäftsräume. In der Folge wurden die Geschäftsführer jeweils mit Strafbefehlen über 60 Tagessätze wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte verurteilt.

Den Widerspruch der Klägerin vom 10.10.2002 gegen die Prüfungsverfügung vom 02.10.2002 wegen fehlender Bekanntgabe an den richtigen Adressaten wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.03.2003 zurück. Gemäß § 304 SGB III prüften die Arbeits- und die Hauptzollämter, ob ausländische Arbeitnehmer mit einer erforderlichen Genehmigung nicht zu ungünstigeren Arbeitsbedingungen als vergleichbare deutsche Arbeitnehmer beschäftigt werden oder wurden. Hierzu bestehe ein Betretungs- und Einsichtsrecht (§ 304 Abs 1 Satz 1 SGB III). Die unvollständige Angabe des Firmennamens in der Prüfungsverfügung sei angesichts der korrekten Anschrift unerheblich. Schließlich bedürfe eine Prüfungsverfügung nicht der Schriftform.

Die Klage auf Aufhebung der Prüfungsverfügung bzw. die Feststellung der Rechtswidrigkeit ist mit Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 03.02.2004 und einer Kostenentscheidung nach § 193 SGG abgewiesen worden.

Die Berufung dagegen ist vom Bayer. Landessozialgericht mit Urteil vom 28.07.2005 und einer Kostenentscheidung gemäß § 197a SGG zu Lasten der Klägerin zurückgewiesen worden. Die Klägerin habe kein berechtigtes Interesse an der Fortsetzungsfeststellungsklage, weil weder ein Amtshaftungsprozess aussichtsreich sei noch eine Wiederholungsgefahr bestehe oder ein Rehabilitationsinteresse gegeben sei.

Auf die Revision der Klägerin hin hat das Bundessozialgericht das Urteil des Bayer. Landessozialgerichts vom 28.07.2005 mit Urteil vom 28.08.2007 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen. Entgegen der Ansicht des Landessozialgerichts sei die Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig, weil ein Rehabilitationsinteresse zu bejahen sei. Die Durchführung einer unangekündigten Außenprüfung könne Aufs...

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