Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsanwaltsvergütung gem. § 45 ff. RVG. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit. Einigungsgebühr. Erledigungsgebühr

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Bemessung der Verfahrensgebühr können Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit nicht ausschließlich daran festgemacht werden, wie umfangreich und inhaltlich umfassend die vom Anwalt verfassten Schriftsätze waren. Vielmehr wird bei einem bei abstrahierender Betrachtungsweise schwierigen Fall zunächst davon auszugehen sein, dass der Anwalt höheren Zeit und Arbeitsaufwand hat, um sich auf Stand zu bringen; die konkreten Umstände des Falls können diese Vermutung allerdings widerlegen.

2. Die Schwierigkeit einer Angelegenheit darf nicht ausschließlich aus der Perspektive des jeweiligen Anwalts beurteilt werden, sondern bedarf einer gewissen Objektivierung.

3. Einigungsgebühr: Zum Versuch des Anwalts, die Klagerücknahme in einem gerichtlichen Verfahren mit dem Ausgang eines anderen gerichtlichen Verfahren zu einem Gesamtpaket zu verknüpfen und so ein Teilobsiegen zu reklamieren.

 

Normenkette

RVG § 45 ff.; VV RVG Nr. 3013

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 3. September 2012 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Das Beschwerdeverfahren betrifft die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung nach §§ 45 ff. RVG.

Der Beschwerdeführer vertrat eine aus vier Personen bestehende Bedarfsgemeinschaft in zwei grundsicherungsrechtlichen Klageverfahren nach dem SGB II vor dem Sozialgericht Landshut (wobei in einem formal nur eine Person als Klägerin geführt wurde). Für beide Klageverfahren war Prozesskostenhilfe bewilligt und der Beschwerdeführer beigeordnet worden. Während das Verfahren S 10 AS 614/08 allein Leistungen für Unterkunft und Heizung zum Gegenstand hatte, ging es im hier gegenständlichen Verfahren S 10 AS 613/08 um die Anrechnung von Kindesunterhalt als Einkommen. Dieses Problem stellte sich im Verfahren S 10 AS 613/08 im Rahmen eines Aufhebungs- und Erstattungsverfahrens. Beide Klageverfahren wurden am 05.11.2009 in der mündlichen Verhandlung erledigt. Im Verfahren S 10 AS 614/08 schloss man einen Prozessvergleich, wobei die mündliche Verhandlung laut Sitzungsniederschrift 20 Minuten dauerte. Für die unmittelbar davor stattfindende mündliche Verhandlung zur Sache S 10 AS 613/08 wird in der Sitzungsniederschrift dagegen eine Dauer von 80 Minuten ausgewiesen. Sie endete mit einer Klagerücknahme, wobei der Beschwerdeführer wörtlich Folgendes erklärt hatte: "Im Hinblick auf die Einigung im Verfahren S 10 AS 614/08 nehme ich die Klage zurück."

Während der Beschwerdeführer für das Verfahren S 10 AS 614/08 die von ihm veranschlagte Vergütung nach §§ 45 ff. RVG erhalten hatte, blieb diejenige im Verfahren S 10 AS 613/08 hinter seinen Vorstellungen zurück. Unter dem Datum 07.01.2010 hatte der Beschwerdeführer dort eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3103, 3102 VV RVG in Höhe von 323 EUR (einschließlich der Erhöhungen nach Nr. 1008 VV RVG), eine Terminsgebühr in Höhe von 200 EUR sowie eine Einigungsgebühr nach Nr. 1006, 1005 VV RVG in Höhe von 190 EUR beantragt. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle beim Sozialgericht Landshut billigte in seiner Kostenfestsetzung vom 24.02.2010 die Verfahrensgebühr (einschließlich der Erhöhungen nach Nr. 1008 VV RVG) nur in Höhe von 228 EUR und keine Einigungsgebühr zu. Die Höhe der Verfahrensgebühr begründete er damit, Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit seien unterdurchschnittlich gewesen. Für das Entstehen einer Einigungs- oder Erledigungsgebühr habe es an einer hinreichenden kausalen anwaltlichen Mitwirkung gefehlt.

Dagegen hat der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 05.03.2010 Erinnerung eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, für die Verfahrensgebühr sei die Mittelgebühr sehr wohl angemessen. Die Einigungsgebühr sei entstanden, weil die Klagerücknahme "im Hinblick auf die Einigung im Parallelverfahren" erfolgt sei; durch eine vertragliche Vereinbarung sei die Ungewissheit über den Prozessstoff beseitigt worden.

Der Kostenrichter beim Sozialgericht Landshut hat die Erinnerung mit Beschluss vom 03.09.2012 als unbegründet zurückgewiesen. Hinsichtlich der Verfahrensgebühr hat der Kostenrichter einen unterdurchschnittlichen Umfang sowie eine unterdurchschnittliche Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit bei weit überdurchschnittlicher Bedeutung der anwaltlichen Tätigkeit festgestellt. Der Beschwerdeführer, so der Kostenrichter, habe im Klageverfahren lediglich vorgetragen, den Klägern sei die Überzahlung nicht anzulasten und die Leistungen seien in gutem Glauben verbraucht worden. Eine Einigungsgebühr sei nicht entstanden, weil die Klage zurückgenommen, jedoch kein Vergleich geschlossen worden sei. Selbst wenn man aus dem vom Beschwerdeführer hergestellten Zusammenhang mit dem Verfahren S 10 AS 614/08 einen wie auch immer gearteten Vertragsschluss ableiten würde, läge jedenfalls ein Verzicht vor.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 19.09.2012 eingel...

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