Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Beweiskraft der Zustellungsurkunde.

2. Zur Rechtmäßigkeit eines Ordnungsgeldes gegen einen Sachverständigen.

 

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 21. Mai 2010 wird zurückgewiesen.

II. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 500.- EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Verhängung eines Ordnungsgeldes durch das Sozialgericht.

In dem auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gerichteten Klageverfahren vor dem Sozialgericht Würzburg beauftragte das Sozialgericht den Beschwerdeführer mit Beweisanordnung vom 20. November 2009 mit der Erstellung eines Gutachtens. Mit Schreiben vom 25. Februar 2010 und 26. März 2010, letzteres mit Fristsetzung, erinnerte das Gericht den Beschwerdeführer an die Erledigung des Gutachtensauftrags. Eine Äußerung ging hierzu nicht ein.

Mit Schreiben vom 29. April 2010 mahnte das Sozialgericht erneut das Gutachten unter Fristsetzung bis 19. Mai 2010 und unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 1.000.- EUR an. Dieses Schreiben wurde dem Beschwerdeführer mit Zustellungsurkunde am 7. Mai 2010 zugestellt. Auch hierauf erfolgte keine Äußerung des Beschwerdeführers.

Mit Beschluss vom 21. Mai 2010 verhängte das Sozialgericht ein Ordnungsgeld in Höhe von 500.- EUR. Der Beschluss enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung und wurde dem Beschwerdeführer am 26. Mai 2010 zugestellt.

Bei einem Telefonat vom 13. Juli 2010 teilte der Beschwerdeführer gegenüber dem Sozialgericht mit, er habe Schreiben des Gerichts nicht erhalten, weil diese in der Klinik nicht ordnungsgemäß verteilt worden seien. Das Gutachten ging erst am 21. Juli 2010 beim Sozialgericht ein.

Gegen den Beschluss hat der Beschwerdeführer am 5. August 2010 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat er auf gesundheitliche Probleme seit März 2010 verwiesen. Vor allem die gutachterliche Tätigkeit habe er nicht mehr in dem gewohnten Zeitrahmen ausüben können. Im Übrigen habe ihm die angespannte wirtschaftliche Lage mit immer wiederkehrenden juristischen Auseinandersetzungen mit der Kassenärztlichen Vereinigung über das Honorar und Regelleistungsvolumina psychisch zugesetzt. Seine gesundheitliche Situation habe sich erst ab Juni wieder verbessert. Eine Zustellung mit Androhung von Zwangsgeld habe er nicht erhalten; es arbeite in seiner Praxis keine Frau "K.". Die Höhe des Ordnungsgeldes dürfe sich allenfalls auf 100.- bis 150.- EUR belaufen.

II.

Die Beschwerde ist zwar statthaft (§ 172 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Es liegt nach Aktenstand nahe, dass die Beschwerde verspätet eingelegt wurde. Nach § 173 S. 1 SGG ist diese binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung beim Sozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Vorliegend ist sie jedoch nicht fristgerecht innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung eingelegt worden. Der Beschluss vom 21. Mai 2010 wurde dem Beschwerdeführer ausweislich der Zustellungsurkunde am 26. Mai 2010 zugestellt. Die Beschwerde ist erst am 5. August 2010 und somit nicht innerhalb der einmonatigen Frist des § 173 SGG eingegangen. Diese Frist begann am Tag nach der Zustellung und endete nach einem Monat bzw. am Montag, den 28. Juni 2010.

Gründe, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 67 Abs. 1 SGG rechtfertigen würden, sind nicht erkennbar. Soweit sich der Beschwerdeführer darauf beruft, dass ihm Schreiben des Gerichts nicht zugestellt worden seien, ist dies durch die Zustellungsurkunden vom 26. Mai 2010 widerlegt. Die Zustellungsurkunde (§ 63 Abs. 2 S. 1 SGG in Verbindung mit § 182 Zivilprozessordnung - ZPO) stellt eine öffentliche Urkunde mit Beweiskraft (§§ 182 Abs. 1 S. 2, 415 Abs. 1, 418 ZPO) dar. Allerdings kann gemäß § 418 Abs. 2 ZPO der Gegenbeweis der Unrichtigkeit geführt werden. Soweit der Beschwerdeführer vorträgt, es habe in der Person der Frau C. K., die in der Urkunde benannt wurde, keine zum Empfang ermächtigte Vertreterin gegeben, kann diese Streitfrage vom Senat dahingestellt bleiben, da die Beschwerde jedenfalls unbegründet ist und die Beschwerde zumindest deshalb zurückzuweisen ist.

Gemäß § 118 SGG in Verbindung mit §§ 406 Abs. 2, 411 Abs. 1 und 2 ZPO kann gegen den Sachverständigen nach Setzung einer Frist und einer Nachfrist das angedrohte Ordnungsgeld verhängt werden, wenn der Sachverständige seiner Verpflichtung zur Erstattung eines Gutachtens bis dahin nicht nachgekommen ist. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Eine genügende Entschuldigung des Verhaltens des Beschwerdeführers, die zur Folge hätte, dass die Festsetzung des Ordnungsgeldes gemäß § 402 ZPO in Verbindung mit § 381 Abs. 1 S. 2 ZPO zu unterbleiben hätte, ist nicht gegeben.

Gemäß § 411 Abs. 1 ZPO kann das Gericht eine Frist bestimmen, innerhalb der der Sachverständige das Gutachten auf der Geschäftsst...

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