Tenor

I. Auf die Beschwerde des Antragstellers und Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 28.04.2008 abgeändert.

II. Es wird angeordnet, dass die Zulassung des Antragstellers und Beschwerdeführers bis 30.01.2009 wirksam bleibt.

III. Die Kosten des Rechtsstreits beider Rechtszüge haben Beschwerdeführer und Beschwerdegegner je zur Hälfte zu tragen.

IV. Der Wert des Streitgegenstandes beträgt 65.895,00 EUR.

 

Gründe

I.

Der 1939 geborene Antragsteller und Beschwerdeführer streitet gegen die Beendigung seiner Zulassung als Vertragsarzt durch die gesetzliche Altersgrenze. Er ist seit 13.06.1988 als praktischer Arzt in W. in Oberfranken, einer Gemeinde mit 3000 Einwohnern, zugelassen. Mit Bescheid vom 08.06.2007 hatte der Antragsgegner als Termin zur Beendigung seiner vertragsärztlichen Tätigkeit den 30.06.2008 festgesetzt, da der Antragsteller erst zu diesem Zeitpunkt zwanzig Jahre als Vertragsarzt tätig gewesen wäre.

Mit Schriftsatz vom 04.04.2008 hat der Antragsteller und Beschwerdeführer den Erlass einer einstweiligen Anordnung gefordert, mit welcher er an seinem Praxisort über den 30.06.2008 hinaus als Vertragsarzt zugelassen bleibe, bis ein geeigneter Nachfolger gefunden sei. Der Antragsteller sei dort neben einem weiteren Arzt allein für die hausärztliche Versorgung zuständig. Dieser Kollege bewege sich aber am Rande der Insolvenz, gegen ihn sei auch eine Räumungsklage anhängig. Er selbst sei seit etwa drei Jahren auch unter Mithilfe der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung darum bemüht, einen geeigneten Nachfolger zu finden; dies sei bisher jedoch fehlgeschlagen. Dies hat der Antragsteller eidesstattlich versichert; aktuelle Pressemeldungen (vgl. "Frankfurter Allgemeine Zeitung" vom 01.07.2008 Seite 9) bestätigen dies. Es gebe zwar - so hat er weiter ausgeführt - im Zulassungsbezirk noch andere hausärztliche Kollegen, die aber gerade von älteren oder schwerkranken Patienten nur unter größten Anstrengungen erreicht werden könnten. Im Mitteilungsblatt der Gemeinde W. für die 10. Kalenderwoche 2008 ist unter den nunmehr nach der Kommunalwahl zu lösenden Problemen vor dem Hintergrund der bevorstehenden Beendigung der Zulassung des Beschwerdeführers ausgeführt, "die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung ist derzeit die wichtigste Aufgabe."

Der Antragsteller hat daher beantragt,

seine Zulassung über den 30.06.2008 aufrecht zu erhalten.

Demgegenüber beantragt der Antragsgegner und Beschwerdegegner - der Zulassungsausschuss Ärzte Oberfranken -,

den Antrag zurückzuweisen.

Es fehle schon am Anordnungsgrund, weil durchaus Gelegenheit bestünde, sich an den zuständigen Zulassungsausschuss statt ans Gericht zu wenden. Es fehle aber auch am Anordnungsanspruch, weil die fragliche Altersgrenze mehrfach höchstrichterlich als verfassungskonform und in Übereinstimmung mit europäischem Recht stehend gewertet worden sei.

Mit Beschluss vom 28.04.2008 hat das Sozialgericht Nürnberg den Antrag zurückgewiesen. Da der Antragsteller beim Antragsgegner keinen Antrag auf Verlängerung seiner Zulassung gestellt habe, fehle es für die beantragte Anordnung an einem Rechtsschutzbedürfnis.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers.

Inzwischen hat der Zulassungsausschuss mit Bescheid vom 19.06.2008 einen Antrag des Beschwerdeführers, das Ende seiner Zulassung über den 30.06.2008 hinauszuschieben, abgelehnt. Eine weitere Ausnahme von der Regel des § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V als dessen Satz 4 gebe es nicht; zudem habe der Antragsteller seine Praxis noch nicht ausgeschrieben; der betreffende Planungsbereich sei auch mit einer Zulassungssperre für Hausärzte belegt. Eine Unterversorgung sei nicht gegeben. Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller mit Schreiben vom 23.06.2008 Widerspruch eingelegt.

II.

Die zulässige Beschwerde ist teilweise begründet.

Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Diese Voraussetzzungen liegen hier vor; der Antragsteller muss befürchten, dass er beim sofortigen Verlust seiner Zulassung seine Praxis verliert und dass er diesen Nachteil für den Fall, dass sich am Ende die Rechtmäßigkeit des Fortbestandes seiner Zulassung ergibt, nicht mehr wird ausgleichen können. Dabei bedeutet der Verlust der Praxis nicht nur den Verlust der Einnahmen des Antragstellers und seiner Möglichkeiten, sein Recht auf Ausübung seines Berufs i.S.d. Art. 12 Abs. 1 GG zu verwirklichen, sondern auch den Verlust der Chance, den Vermögenswert seiner Praxis als eingerichteten und ausgeübten Praxisbetrieb i.S.d. Art 14 GG zu verwerten.

Dem Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung steht nicht entgegen, dass dem Antrag das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Denn es trifft nicht zu, dass der Antragsteller sein Ziel auch auf andere Weise als...

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