Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiederholungskündigung, Trotzkündigung, Auflösungsantrag

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ist in einem Kündigungsrechtsstreit entschieden, daß das Arbeitsverhältnis durch eine bestimmte Kündigung nicht aufgelöst worden ist, so kann der Arbeitgeber eine erneute Kündigung nicht auf Kündigungsgründe stützen, die er schon zur Begründung der ersten Kündigung vorgebracht hat und die in dem ersten Kündigungsschutzprozeß materiell geprüft worden sind mit dem Ergebnis, daß sie die Kündigung nicht rechtfertigen können.

2. Dies gilt sowohl für eine sogenannte Wiederholungskündigung als auch für eine sogenannte Trotzkündigung nach Rechtskraft des Urteils in dem ersten Prozeß.

3. Gegen die zweite Kündigung muß der Arbeitnehmer zwar nach §§ 4, 7 KSchG Klage erheben, der zweiten rechtzeitig erhobenen Klage ist jedoch aus Gründen der Präjudizialität ohne weiteres stattzugeben.

4. Kommt die Umdeutung einer fristlosen Kündigung des Arbeitgebers in eine ordentliche Kündigung in Betracht, so hat der Arbeitnehmer grundsätzlich die Möglichkeit, die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 KSchG bezogen auf die fristlose Kündigung oder nur auf die umgedeutete fristgerechte Kündigung zu beantragen.

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 13.10.1992; Aktenzeichen 6 Sa 861/91)

ArbG Braunschweig (Entscheidung vom 06.05.1991; Aktenzeichen 2 Ca 251/89)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung der Beklagten vom 30. Mai 1989, insbesondere über die Frage, ob der Kündigungsgrund - Entwendung von zwei im Eigentum der Beklagten stehenden Motoren - im vorliegenden Verfahren noch geprüft werden kann, nachdem die Beklagte den entsprechenden Kündigungssachverhalt schon in einem Vorprozeß über eine Kündigung vom 29. Dezember 1988 erfolglos nachgeschoben hat.

Der Kläger war seit dem 1. August 1972 bei der F GmbH & Co in deren Werk H beschäftigt. Zum 1. August 1987 wurde er unter Anrechnung der bei der F GmbH & Co zurückgelegten Beschäftigungszeit von der Beklagten übernommen und war bei dieser als Werkstattleiter und stellvertretender technischer Leiter tätig. Die F GmbH & Co und die Beklagte arbeiten unter einheitlicher Leitung in einem Gebäude zusammen. Es besteht ein gemeinsamer Betriebsrat, jede Firma hat jedoch ein eigenes Materiallager.

Mit Schreiben vom 29. Dezember 1988 kündigte die Beklagte dem Kläger fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 30. Juni 1989 aus Gründen, die mit den im vorliegenden Verfahren vorgebrachten Kündigungsgründen zunächst nichts zu tun hatten. Während des Rechtsstreits über die Wirksamkeit dieser Kündigung (2 Ca 6/89 Arbeitsgericht Braunschweig, 6 Sa 1178/89 LAG Niedersachsen) schob die Beklagte nach Anhörung des Betriebsrats als weiteren Kündigungsgrund nach, ihr sei am 8. Februar 1989 bekannt geworden, daß der Kläger am 4. Februar 1988, also vor der Kündigung, zwei Motoren aus der mechanischen Werkstatt F GmbH & Co oder aus ihrer Werkstatt geholt und diese in einem Privatwagen abtransportiert habe; dieses Tun des Klägers beinhalte Straftatbestände, zumindest jedoch einen dringenden Tatverdacht. Nachdem in dem Vorprozeß eine Beweisaufnahme stattgefunden hatte, schob die Beklagte mit einem am 25. Mai 1989 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz nach Anhörung des Betriebsrats einen weiteren Sachverhalt nach: Der Zeuge Ba habe nunmehr dem Werksleiter gegenüber bestätigt, die Motoren seien aus dem Magazin der Beklagten entnommen worden, bei den Vorwürfen gegenüber dem Kläger könne man nun nicht mehr von einem dringenden Tatverdacht, sondern müsse von einem vollendetem Diebstahl ausgehen. Durch ein am 29. Mai 1989 verkündetes Urteil stellte das Arbeitsgericht fest, das Arbeitsverhältnis sei durch die Kündigung vom 29. Dezember 1988 weder fristlos noch fristgerecht zum 30. Juni 1989 beendet worden. Mit der Berufung gegen dieses Urteil stützte sich die Beklagte erneut auf ihr Vorbringen aus dem Schriftsatz vom 25. Mai 1989. Das Landesarbeitsgericht wies durch Urteil vom 13. November 1990 die Berufung der Beklagten zurück. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt, der positive Nachweis, daß die Motoren im Eigentum der Beklagten gestanden hätten, sei nicht geführt. Die Beklagte mache es sich nach den Umständen zu einfach, wenn sie daraus, daß zwei der Motoren sich vor dem Abtransport auf ihrem Gelände befunden hätten, bereits den vollen Beweis herleiten wolle, daß diese Motoren in ihrem Eigentum gestanden hätten. Eine Verdachtskündigung scheitere schon an der fehlenden Anhörung des Klägers. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten gegen dieses Urteil blieb erfolglos.

Einen Tag nach Verkündung des Urteils des Arbeitsgerichts in dem Vorprozeß, am 30. Mai 1989, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis erneut fristlos. In dem Kündigungsschreiben führt sie aus, da sie zu den Erkenntnissen vom 4. Februar 1988 einen neuen Sachverhalt in Erfahrung gebracht habe, spreche sie unter Aufrechterhaltung ihrer Kündigung vom 29. Dezember 1988 vorsorglich nochmals eine fristlose Kündigung aus. Die Betriebsratsanhörung zu der erneuten fristlosen und vorsorglich auch zu einer fristgerechten Kündigung erfolgte am 30. Mai 1989. Zum Kündigungssachverhalt legte die Beklagte dem Betriebsrat die Aktennotiz vom 24. Mai 1989 erneut vor, mit der sie beim Betriebsrat die "Zustimmung zur Kündigung D B vom 23. Dezember 1988" beantragt hatte, d.h. den Betriebsrat zum Nachschieben des entsprechenden Kündigungssachverhalts im Vorprozeß angehört hatte. In diesem Schreiben heißt es ausdrücklich:

"Da der vorstehende Sachverhalt nunmehr eindeutig

die Entwendung der Motoren von ihrem Standort be-

stätigt, müssen wir von einem nachgewiesenen

Diebstahl ausgehen."

Mit der am 1. Juni 1989 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage im vorliegenden Verfahren hat der Kläger, der den Diebstahlsvorwurf bestreitet, insbesondere geltend gemacht, die Rechtskraft des Urteils des Landesarbeitsgerichts in dem Vorprozeß stehe einer erneuten sachlichen Prüfung des vorgebrachten Kündigungsgrundes entgegen.

Der Kläger hat beantragt

1. festzustellen, daß das zwischen den Parteien

bestehende Arbeitsverhältnis durch die frist-

lose Kündigung der Beklagten vom 30. Mai 1989,

ihm zugegangen am 30. Mai 1989, nicht rechts-

wirksam aufgelöst worden ist,

2. das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien

gemäß §§ 9, 10 KSchG gegen Zahlung einer ange-

messenen Abfindung zum 31. Dezember 1989 auf-

zulösen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, zunächst habe sie lediglich von einem dringenden Tatverdacht ausgehen können, daß der Kläger die beiden Motoren entwendet habe, da zweifelhaft gewesen sei, ob die beiden Motoren in ihrem Eigentum gestanden hätten. Erst die Angaben des Zeugen Ba am 16. Mai 1989 gegenüber dem Werksleiter hätten dazu geführt, daß man bei den Vorwürfen gegenüber dem Kläger nun nicht mehr von einem dringenden Tatverdacht, sondern von einem nachgewiesenen vollendeten Diebstahl habe ausgehen müssen.

Das Arbeitsgericht hat das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 1989, dem Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist, aufgelöst und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 15.000,-- DM als Abfindung zu zahlen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Beklagte sei mit dem im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Kündigungsgrund präkludiert, weil sie ihn bereits im Vorprozeß zur Rechtfertigung der Kündigung vom 29. Dezember 1988 vorgebracht habe und aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung im Vorprozeß feststehe, daß dieser Grund die Kündigung vom 29. Dezember 1988 nicht rechtfertigen könne. Aus einer rechtsanalogen Anwendung der §§ 616 a.F. BGB, 767 Abs. 3 ZPO, § 17 MuschG, § 145 PatG ergebe sich, daß die wiederholte Ausübung eines Gestaltungsrechts nicht auf Gründe gestützt werden könne, die bereits in einem Vorprozeß vorgetragen worden seien oder hätten vorgetragen werden können. Jedenfalls, wenn die Kündigungsgründe im Vorprozeß erfolglos vorgetragen worden seien, müsse der Gekündigte vor vermeidbaren weiteren Prozessen bewahrt werden.

Die Beklagte habe auch in dem Vorprozeß denselben Tatvorwurf, der Kläger habe am 4. Februar 1988 zwei ihr gehörende Elektromotoren aus ihrem Lager gestohlen, bereits zur Rechtfertigung der Kündigung vom 29. Dezember 1988 nachgeschoben, den sie im vorliegenden Verfahren als Kündigungsgrund angebe.

Jedenfalls sei die Kündigung der Beklagten vom 30. Mai 1989 gemäß § 626 Abs. 2 BGB verfristet. Alle maßgeblichen Kündigungstatsachen seien der Beklagten bereits am 8. Februar 1989 mit hinreichender Sicherheit bekannt gewesen.

Da das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 30. Mai 1989 nicht beendet worden sei, sei auch die nicht eigenständig begründete Berufung hinsichtlich des Auflösungsantrags zurückzuweisen.

II. Dem angefochtenen Urteil ist im Ergebnis, nicht jedoch in allen Teilen der Begründung zu folgen.

Der Antrag auf Feststellung, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 30. Mai 1989 nicht beendet worden ist, ist begründet, weil die Beklagte bereits die Kündigung vom 29. Dezember 1988 auf den Kündigungsgrund "Entwendung von zwei Motoren aus ihrem Lager am 4. Februar 1988" gestützt hat und die rechtskräftige Entscheidung im Vorprozeß einer materiellen Prüfung entgegensteht, ob derselbe Kündigungsgrund "Entwendung von zwei Motoren aus dem Lager der Beklagten am 4. Februar 1988" die erneute Kündigung vom 30. Mai 1989 rechtfertigt.

1. Ist in einem Kündigungsrechtsstreit entschieden, daß das Arbeitsverhältnis durch eine bestimmte Kündigung nicht aufgelöst worden ist, so kann der Arbeitgeber eine erneute Kündigung nicht auf Kündigungsgründe stützen, die er schon zur Begründung der ersten Kündigung vorgebracht hat und die in dem ersten Kündigungsschutzprozeß materiell geprüft worden sind mit dem Ergebnis, daß sie die Kündigung nicht rechtfertigen können. Dies gilt sowohl, wenn der Arbeitgeber noch während des ersten Kündigungsschutzverfahrens für den Fall seines Unterliegens vorsorglich eine oder mehrere Kündigungen mit demselben Kündigungsgrund nachschiebt, als auch dann, wenn er nach Rechtskraft des ersten Urteils als sogenannte Trotzkündigung eine erneute Kündigung mit demselben Kündigungsgrund ausspricht. Gegen die zweite Kündigung muß der Arbeitnehmer zwar nach §§ 4, 7 KSchG Klage erheben, weil es sich um zwei verschiedene Kündigungserklärungen handelt. Der zweiten rechtzeitig erhobenen Klage ist jedoch ohne weiteres stattzugeben. Das Urteil in dem ersten Prozeß ist in der Weise präjudiziell für das zweite Verfahren, daß eine erneute materielle - möglicherweise von dem Ergebnis des ersten Prozesses abweichende - Nachprüfung des zur Stützung der ersten Kündigung verbrauchten Kündigungsgrundes in dem zweiten Verfahren nicht erfolgen darf.

a) Über das Ergebnis herrscht kein Streit: Unabhängig davon, wie im einzelnen der Streitgegenstand, die Rechtskraft und die aus der Rechtskraft folgende Präjudizialität und Präklusion abgegrenzt werden, wird in Rechtsprechung und Literatur nahezu einhellig angenommen, daß eine wiederholte Kündigung, die der Arbeitgeber auf denselben Kündigungsgrund stützt, der schon Gegenstand des ersten Prozesses war, nicht mehr zu einer materiellen Nachprüfung des Kündigungsgrundes im zweiten Prozeß führen kann (vgl. z.B. Herschel/Löwisch, KSchG, 6. Aufl., § 4 Rz 54; Ascheid, Kündigungsschutzrecht, Rz 785; Bötticher, Festschrift für Herschel, 1955, S. 181, 194; Zeuner, Objektive Grenzen der Rechtskraft, S. 119 ff., 132 f.; Lüke, JZ 1960, 203, 207; Hueck/v. Hoyningen-Huene, KSchG, 11. Aufl., § 4 Rz 91; BAG Urteil vom 12. Oktober 1954 - 2 AZR 36/53 - AP Nr. 5 zu § 3 KSchG; BAG Urteil vom 12. April 1956 - 2 AZR 247/54 - AP Nr. 11 zu § 626 BGB). Die gegebenen Begründungen weichen allerdings stark voneinander ab. Sie reichen von materiellen Lösungsversuchen über § 138 BGB bzw. einen Schadensersatzanspruch über eine Erweiterung des Streitgegenstandes der Kündigungsschutzklage zu Begründungen, die das Ergebnis unter die Rechtskraft fassen bzw. aus der Rechtskraft begründete Präjudizialität bzw. Präklusion annehmen, bis hin zu dem Versuch, eine rechtskrafterweiternde bzw. rechtskraftfremde Präklusion zu begründen. Weitgehend wird auch lediglich das Ergebnis konstatiert, ohne daß es näher begründet würde.

b) Die Versuche, derartige Fälle nach § 138 BGB bzw. durch Gewährung eines Schadensersatzanspruches materiell-rechtlich zu lösen, überzeugen nicht. Allenfalls in einer Trotzkündigung des Arbeitgebers nach rechtskräftiger Erledigung des ersten Kündigungsschutzverfahrens könnte man eine sittenwidrige oder zum Schadensersatz verpflichtende Handlung sehen, damit würde aber eine schlüssige Lösung für die Fälle fehlen, in denen der Arbeitgeber schon während der Dauer des ersten Prozesses eine erneute Kündigung auf der Basis desselben Kündigungsgrundes nachschiebt. Beide Fälle unterschiedlich zu behandeln, ist nicht gerechtfertigt.

c) Das Wiederholungsverbot für Kündigungen bei gleichbleibendem Kündigungsgrund läßt sich materiell-rechtlich aus der Rechtsnatur der Kündigung als Gestaltungserklärung herleiten. Bötticher (Gestaltungsrecht und Unterwerfung im Privatrecht, 1964, S. 5 f.) weist zutreffend darauf hin, den Gestaltungsrechten sei das Prinzip des "ne bis in idem" gewissermaßen "schon materiell- rechtlich eingeboren", weil die ordnungsgemäße Gestaltungserklärung das Gestaltungsrecht verbrauche. Es wird allgemein vertreten, daß das Gestaltungsrecht nach einmaliger Ausübung verbraucht ist (MünchKomm-Söllner, BGB, 2. Aufl., § 305 Rz 33; Seckel, Die Gestaltungsrechte des Bürgerlichen Rechts, Festgabe für Richard Koch, 1903, S. 205, 229; Staudinger/Dilcher, BGB, 12. Aufl., § 142 Rz 2; AK-BGB-Hart, § 142 Rz 7; Palandt/Heinrichs, BGB, 52. Aufl., § 143 Rz 1; wohl auch: Larenz, Allgemeiner Teil des BGB, 7. Aufl., § 23 V b, S. 479 f., letztere zur Anfechtung). Mit dieser Konsumtion des Gestaltungsrechts durch die Gestaltungserklärung hängt auch die allgemein angenommene Unwiderruflichkeit der einmal abgegebenen Gestaltungserklärung zusammen. Dem Gesetzgeber des BGB war die Unwiderruflichkeit einer Gestaltungserklärung so selbstverständlich, daß in dem heutigen § 315 BGB (§ 353 des ersten Entwurfs zum BGB) eine Bestimmung über die Unwiderruflichkeit, die noch im Entwurf enthalten war, von der Kommission ausdrücklich als selbstverständlich gestrichen worden ist (Protokolle zum Entwurf des BGB, Bd. VI, S. 153). Unwiederholbarkeit und Unwiderruflichkeit der Gestaltungserklärung sind - so Bötticher (aaO, S. 6) - der Preis dafür, daß man auf so einfache Weise, nämlich durch bloße Willenserklärung sein Recht verwirklichen kann. Nimmt man danach zu Recht an, daß ein Gestaltungsrecht durch einmalige Ausübung verbraucht ist, so sind die materiell-rechtlichen Folgen für die Wiederholungskündigung klar: Ist im Hinblick auf einen Kündigungsgrund eine fristlose Kündigung ausgesprochen worden, so ist das Kündigungsrecht verbraucht, und der Arbeitgeber kann allenfalls noch kündigen, wenn er andere Kündigungsgründe geltend macht (und dabei vielleicht den verbrauchten Kündigungsgrund unterstützend heranzieht), wenn sich der Sachverhalt wesentlich geändert hat und damit ein neuer Kündigungstatbestand vorliegt, wenn er nunmehr nicht fristlos, sondern fristgerecht kündigen will oder wenn die Kündigungserklärung aus irgendwelchen Gründen (Formmangel, fehlerhafte Betriebsratsanhörung etc) unwirksam war. Jedenfalls mit der bloßen Wiederholung der fristlosen Kündigung aufgrund desselben Kündigungssachverhalts ist er ausgeschlossen. Auch im Verhältnis zwischen Kündigung und Abmahnung geht der Senat stets davon aus, eine Abmahnung verbrauche den Kündigungsgrund und eine spätere Kündigung könne nicht allein auf den abgemahnten Grund gestützt werden (Senatsurteile vom 31. Juli 1986 - 2 AZR 559/85 - n.v. und 10. November 1988 - 2 AZR 215/88 - AP Nr. 3 zu § 1 KSchG 1969 Abmahnung).

d) Dieses Ergebnis läßt sich auch prozeßrechtlich begründen: Die Entscheidung in dem ersten Kündigungsschutzverfahren ist, was den zur Stützung beider Kündigungen vorgebrachten Kündigungsgrund anbelangt, präjudiziell für das zweite Kündigungsschutzverfahren. Es ist nicht gerechtfertigt, die Wirkungen der Rechtskraft so eng zu begrenzen, daß der Fall der Wiederholungskündigung nicht davon erfaßt wird und rechtskraftfremde Gesichtspunkte (oder vorsichtiger ausgedrückt: rechtskrafterweiternde Gesichtspunkte) zu Hilfe genommen werden müssen, um das allseits für richtig gehaltene Ergebnis zu begründen. Wer nach rechtskräftiger Erledigung eines Kündigungsschutzprozesses aufgrund desselben Kündigungssachverhalts eine Trotzkündigung ausspricht oder schon während des ersten Prozesses vorsorglich für den Fall, daß die erste Kündigung vom Gericht für rechtsunwirksam gehalten wird, aufgrund desselben Kündigungssachverhalts eine zweite Kündigung ausspricht (in der Hoffnung, er werde im Folgeprozeß den Kündigungsgrund schlüssiger vortragen können oder eine andere Kammer des Arbeitsgerichts werde den Kündigungssachverhalt anders bewerten), greift die Rechtskraft des Urteils in dem ersten Kündigungsschutzverfahren an. Das Prozeßrecht muß eine Lösung bieten, diesem Angriff zu begegnen. Die Rechtskraft dient dem Rechtsfrieden und ist ein Ausfluß des Rechtsstaatsprinzips (BVerfGE 2, 380): Was durch eine gerichtliche Entscheidung klargestellt worden ist, soll nicht immer wieder zum Gegenstand neuen Streites gemacht werden. Die materielle Rechtskraft soll einander widerstreitende gerichtliche Entscheidungen verhindern. Die Möglichkeit, daß infolge der Rechtskraft eine unrichtige Entscheidung maßgeblich bleibt, ist geringer zu veranschlagen als die Rechtsunsicherheit, die ohne die Rechtskraft bestehen würde (BVerwGE 14, 359, 363). Mit Ausspruch der Wiederholungskündigung wirft der Arbeitgeber die prozeßrechtliche Frage auf, ob die rechtskräftige Beurteilung des Kündigungsgrundes durch das Erstgericht Rechtsfrieden schaffen soll oder ob der erste Kündigungsschutzprozeß dem Arbeitnehmer nur eine Atempause verschafft, bis derselbe Kündigungsgrund in einem zweiten (oder dritten?, vierten?) Prozeß erneut materiell geprüft wird (Bötticher, Besinnung auf das Gestaltungsrecht und das Gestaltungsklagerecht, Festschrift für Dölle, 1963, S. 41, 51).

aa) Daß bei der Wiederholungskündigung der schon im Vorprozeß behandelte Kündigungssachverhalt nicht erneut materiell geprüft werden darf, läßt sich, wie das angefochtene Urteil zutreffend darlegt, verhältnismäßig einfach begründen, wenn man annimmt, Gegenstand der Rechtskraft sei nicht nur die durch das Urteil festgestellte Rechtsfolge, sondern auch das durch die vorgetragenen Gründe individualisierte Recht des Gegners zur Kündigung (vgl. zu diesen Fragen ausführlich Ascheid, aaO, Rz 741 ff.). Dann steht mit dem Ergebnis des ersten Kündigungsschutzverfahrens auch fest, daß der geltend gemachte Kündigungsgrund nicht für eine weitere Kündigung verwendet werden darf. Vieles spricht für diese Lösung: Auch die eingliedrige Lehre vom Streitgegenstand kann auf den Anspruchsgrund (Sachverhalt) zur Abgrenzung des Streitgegenstands nicht verzichten. § 253 Abs. 2 Satz 2 ZPO stellt ohnehin auf beides, auf den Antrag und den Grund des erhobenen Anspruchs ab. Das Kündigungsrecht ist zudem vom Kündigungsgrund kaum zu trennen. Es ist die Ausübung eines Gestaltungsrechts, des Kündigungsrechts, in Hinsicht auf einen Kündigungsgrund (so Flume, Das Rechtsgeschäft, Allgemeiner Teil des BGB, II., 4. Aufl., § 11,3 und § 31,2 zur Anfechtung).

bb) Ob dem zu folgen ist, kann aber letztlich dahinstehen, denn jedenfalls rechtfertigt die besondere Natur der Gestaltungsrechte, auch bei der Wiederholung einer Gestaltungserklärung ähnlich wie bei einer Gestaltungsklage der rechtskräftigen Feststellung der Unwirksamkeit der Gestaltungserklärung auch eine Wirkung gegenüber der Wiederholung dieser Gestaltungserklärung zuzuerkennen.

Bötticher (aaO, S. 41 ff.) hat überzeugend nachgewiesen, daß es sachlich nicht gerechtfertigt ist, Gestaltungsrechte und Gestaltungsklagen bei der Prüfung der hier interessierenden Frage unterschiedlich zu behandeln. Schon die "juristische Entdeckung" des Begriffs der Gestaltungsrechte durch Seckel (Die Gestaltungsrechte des Bürgerlichen Rechts, Festgabe für Richard Koch, 1903, S. 205, 210) war eng mit der Dogmatik der Gestaltungsurteile verbunden; als Gestaltungsrechte wurden die Rechte angesehen, deren Ausübung einer Partei die Möglichkeit gibt, quasi im Wege der Selbsthilfe die gleichen Rechtswirkungen herbeizuführen wie bei einem Gestaltungsurteil. Dabei war das Gestaltungsurteil oder jedenfalls die gerichtliche Durchsetzung des Gestaltungsrechts entwicklungsgeschichtlich vielfach eine Vorstufe der privaten Gestaltungserklärung. Ob eine Gestaltungsklage oder ein Gestaltungsrecht gewählt wird, um z.B. die Auflösung eines Rechtsverhältnisses mehr oder weniger zu erschweren, ist oft eher eine "Stilfrage" (Bötticher, aaO, S. 41, 66) und von der Entscheidung des Gesetzgebers abhängig, wie die verschiedenen Gesetzesänderungen im Mieterschutzrecht zeigen. Bei Gestaltungsklagen wird aber zutreffend angenommen, daß durch Klageabweisung zugleich festgestellt wird, daß jedenfalls der geltend gemachte Gestaltungsgrund nicht besteht (Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 20. Aufl., § 322 Rz 121; MünchKommZPO-Gottwald, § 322 Rz 173; Nikisch, Zivilprozeßrecht, 2. Aufl., § 105 I 1). Auch z.B. bei der Klage auf Aufhebung eines Verwaltungsakts bzw. der Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlusses nach dem Aktiengesetz wird einhellig vertreten, die Rechtskraft stehe einer bloßen Wiederholung des gleichen Aktes mit derselben Begründung entgegen (BVerwGE 14, 359, 362; Eyermann/Fröhler, VwGO, 10. Aufl., § 121 Rz 10 c; Redeker/von Oertzen, VwGO, 10. Aufl., § 121 Rz 5; Kopp, VwGO, 9. Aufl., § 121 Rz 20; BGHZ 21, 354 = JZ 1957, 179, mit Anm. von Mestmäcker).

Bei der Feststellungsklage nach §§ 4, 13 KSchG besteht darüber hinaus wie in den beiden zuletzt genannten Fällen eine prozessuale Besonderheit, der Rechnung getragen werden muß: Die Parteien kämpfen gleichsam mit umgekehrter Parteirolle, nicht der Kläger (Arbeitnehmer) hat das Gestaltungsrecht ausgeübt, sondern der Beklagte (Arbeitgeber); in Wahrheit verteidigt also der Arbeitnehmer den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses gegen den ihm gegenüber vorgenommenen Gestaltungsakt. Der Arbeitnehmer beruft sich auf einen Sachverhalt, der nach der Wertung des Gesetzgebers die Sozialwidrigkeit und damit die Unwirksamkeit der Kündigung rechtfertigt. Der Gesetzgeber hat es nur dem Arbeitnehmer als Betroffenem überlassen, ob er durch eine nach §§ 4, 7 KSchG rechtzeitig zu erhebende Kündigungsschutzklage diesen Mangel geltend machen will oder nicht. Es ist nicht die Wirksamkeit der Ausübung des Gestaltungsrechts durch den Arbeitgeber gefährdet durch ein von außen kommendes Recht des Arbeitnehmers, die Kündigung trägt vielmehr einen "Wurm im Innern" (Bötticher, Festschrift für Dölle, aaO, S. 41, 64). Hätte der Gesetzgeber die Aufhebung eines Arbeitsverhältnisses nur durch eine Aufhebungsklage des Arbeitgebers zugelassen, so würde, wie bereits dargelegt, durch die Rechtskraft des die Gestaltungsklage abweisenden Urteils das fehlende Kündigungsrecht festgestellt und eine Wiederholung der Kündigung aufgrund derselben Kündigungstatsachen wäre unzulässig. Wegen der Ähnlichkeit von Gestaltungsrecht und Gestaltungsklage ist es gerechtfertigt, einem obsiegenden Urteil des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozeß die gleiche Rechtskraftwirkung zuzubilligen. Allein die Tatsache, daß unterschiedliche Kündigungserklärungen, also unterschiedliche Rechtsgeschäfte Gegenstand der beiden Prozesse bilden, rechtfertigt kein unterschiedliches Ergebnis. Muß derjenige klagen, der auch in der Sache der Angreifende ist, so ist von der Rechtskraft her gesehen das Ergebnis klar: wird seine Klage abgewiesen, so kann er nicht dieselbe Klage erneut erheben, ne bis in idem. Es entbehrt jeder sachlichen Rechtfertigung, das umgekehrte Ergebnis anzunehmen, wenn aufgrund der besonderen prozessualen Ausgestaltung der Angreifende die Beklagtenrolle übernehmen darf und der Kläger sich in der Verteidigerposition befindet. Eine solch eingeschränkte Sicht auf die Rechtskraft würde zudem die Parteien eklatant ungleich behandeln. Bei der Anfechtung eines Verwaltungsakts müßte sich der Kläger im Falle der Klageabweisung bei dem Verwaltungsakt beruhigen, während die Verwaltung jederzeit den Verwaltungsakt erneuern könnte; im Kündigungsrechtsstreit würde nur das Obsiegen des Arbeitgebers den Streit der Parteien endgültig beenden, der Arbeitnehmer würde durch einen gewonnenen Prozeß im günstigsten Falle eine Atempause gewinnen, bis er sich im nächsten Prozeß gegen die gleiche Kündigung materiell verteidigen muß. Erstreckt man die Wirkungen der Rechtskraft auch auf die Wiederholung eines Gestaltungsaktes, so wird damit gleichzeitig die Äquivalenz zwischen einem Urteil, das einer derartigen Klage, z.B. einer Kündigungsschutzklage stattgibt, und einem klageabweisenden Urteil wiederhergestellt.

Dies bedeutet, wie bereits angedeutet, nicht, daß dem Arbeitnehmer der erneute Angriff gegen die wiederholte Ausübung des Kündigungsrechts gänzlich erspart werden kann. Schon aus §§ 4, 7 KSchG ergibt sich, daß der Arbeitnehmer jede Kündigung gesondert mit der Klage angreifen muß. Nur die materielle Prüfung des im Vorprozeß bereits ausgeurteilten Kündigungsgrundes unterbleibt und die Klage ist damit materiell begründet. Die damit angenommene Wirkung der Rechtskraft kann man mit Stein/Jonas/Leipold (aaO, § 322 Rz 209) unter die Präjudizialität einordnen, weil es wegen der Besonderheiten der Klage gegen die Ausübung eines Gestaltungsrechts gerechtfertigt erscheint, hier die Prüfung des Kündigungsgrundes in dem Vorprozeß als Vorfrage, ja sogar die eigentliche Hauptfrage anzusehen, die Gegenstand des Folgeprozesses ist. Wer auch bei einer derartigen Klage den Urteilsgegenstand stärker auf die Rechtsfolgenseite beschränken will, wird hier annehmen müssen, daß der Arbeitgeber lediglich mit den im ersten Prozeß vorgetragenen Kündigungstatsachen präkludiert ist.

2. Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht auch davon aus, daß die Beklagte ihre Kündigung, die Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, auf denselben Kündigungsgrund stützt, über den im Vorprozeß entschieden worden ist.

a) Nicht um eine wiederholte Kündigung würde es sich handeln, wenn im Vorprozeß die Kündigung lediglich auf den Verdacht der Entwendung von zwei Motoren gestützt worden wäre und die Beklagte nunmehr z.B. aufgrund neuer tatsächlicher Erkenntnisse eine Kündigung wegen begangener Straftat ausgesprochen hätte. Davon kann keine Rede sein. In dem Schriftsatz vom 25. Mai 1989, mit dem die Beklagte den neuen Sachverhalt im Vorprozeß nachgeschoben hat, heißt es wörtlich, bei den Vorwürfen gegenüber dem Kläger müsse man nunmehr von einem nachgewiesenen vollendeten Diebstahl ausgehen. Daß es in diesem Schriftsatz um ein Nachschieben des neuen Kündigungssachverhalts im Vorprozeß und nicht um die beabsichtigte Kündigung ging, hat das Berufungsgericht festgestellt (S. 4 des Urteils), ohne daß die Revision dagegen zulässige Verfahrensrügen erhoben hätte (§ 561 ZPO).

b) Zutreffend wertet auch das Berufungsgericht das Urteil des Landesarbeitsgerichts im Vorprozeß dahingehend, daß der nachgeschobene Kündigungsgrund im Vorprozeß geprüft worden ist. Wenn in dem angefochtenen Urteil zunächst der "volle Beweis" des Eigentums der Beklagten geprüft wird und dann später Ausführungen zur Verdachtskündigung gemacht werden, so zeigt dies, daß das Landesarbeitsgericht den ihm vorgetragenen Sachverhalt im Vorprozeß sowohl unter dem Gesichtspunkt der Tatbegehung als auch unter dem Gesichtspunkt des dringenden Verdachts geprüft hat. Ob diese Prüfung sachlich zutreffend war oder nicht, ob sie vollständig war oder nicht, kann wegen der Präjudizialität des Urteils im Vorprozeß nicht mehr geprüft werden.

3. Da schon der rechtliche Gesichtspunkt, daß es sich um eine Wiederholungskündigung mit einem im Vorprozeß nachgeschobenen und dort rechtskräftig abgehandelten Kündigungsgrund handelt, die Feststellung der Vorinstanzen trägt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung vom 30. Mai 1989 aufgelöst worden ist, kommt es nicht mehr darauf an, daß der Vorprozeß neben einer fristlosen Kündigung vom 29. Dezember 1988 auch eine fristgerechte Kündigung zum 30. Juni 1989, also zu einem Kündigungstermin nach Ausspruch der hier streitigen fristlosen Kündigung vom 30. Mai 1989, betraf.

a) Das Senatsurteil vom 12. Juni 1986 (- 2 AZR 426/85 - AP Nr. 17 zu § 4 KSchG 1969) wird vielfach dahin ausgelegt, der Senat habe in diesem Urteil festgestellt, mit einem Urteil auf Feststellung, daß das Arbeitsverhältnis durch eine bestimmte Kündigung nicht aufgelöst sei, sei auch rechtskräftig festgestellt, daß zum Kündigungstermin noch ein Arbeitsverhältnis bestanden habe (Schwerdtner, NZA 1987, 263; Ascheid, aaO, Rz 760, Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, Einleitung Rz 147).

b) Träfe dies zu, dann wäre die Kündigung der Beklagten vom 30. Mai 1989 schon deshalb unwirksam, weil im Vorprozeß rechtskräftig festgestellt worden ist, das Arbeitsverhältnis sei durch die fristgerechte Kündigung vom 29. Dezember 1988 nicht zum 30. Juni 1989 aufgelöst. Ein solcher Rechtssatz, der überwiegend für problematisch gehalten wird (Schwerdtner, aaO, "Eine Regreßfalle für Anwälte"), kann aus der zitierten Entscheidung aber nicht hergeleitet werden. An der entscheidenden Stelle wird hinsichtlich der Rechtskraftwirkung ausdrücklich auf das Datum des Zugangs der Kündigung und nicht auf den Kündigungstermin abgestellt. Es heißt dort (Urteil vom 12. Juni 1986 - 2 AZR 426/85 - AP, aaO, zu III der Gründe):

"Vorliegend hat das Arbeitsgericht durch Urteil

vom 15. November 1984 in dem Rechtsstreit 1 Ca

1775/84 entschieden, durch die Kündigung vom

22. August 1984 sei das Arbeitsverhältnis nicht

beendet worden. Folgt man der Auffassung des Bun-

desarbeitsgerichts, dann ist damit zugleich

rechtskräftig festgestellt, daß zum Zeitpunkt des

Zugangs der ordentlichen Kündigung vom 22. August

1984, am 4. oder 10. September 1984, zwischen den

Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden hat."

Formulierungen, die demgegenüber mehr auf den Kündigungstermin abstellen, finden sich vor allem in der Darlegung der Rechtsansicht des Berufungsgerichts und einer Bezugnahme auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 12. Januar 1977 (- 5 AZR 593/75 - AP Nr. 3 zu § 4 KSchG 1969), das aber einen Fall betrifft, der mit dem zur Entscheidung stehenden Fall nicht vergleichbar war, weil in dem Ausgangsfall der Entscheidung vom 12. Januar 1977 auch ein allgemeiner Feststellungsantrag gestellt war. In der Entscheidung vom 12. Juni 1986 (aaO) kam es darüber hinaus auch gar nicht darauf an, ob auf das Datum des Zugangs der Kündigung oder auf den Kündigungstermin abgestellt wurde, beide Daten lagen nach dem 13. bzw. 14. August 1984.

c) Da die Kündigung vom 30. Mai 1989 schon aus anderen Gründen unwirksam ist, kommt es letztlich nicht darauf an, ob überhaupt an einem solchen Rechtssatz, aufgrund der Rechtskraft im Kündigungsschutzprozeß stehe auch der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zum Kündigungstermin fest, festzuhalten wäre.

4. Es kann ebenfalls dahinstehen, ob der Arbeitgeber in einem Kündigungsschutzprozeß verpflichtet ist, alle ihm nachträglich bekannt werdenden Kündigungsgründe nach ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats nachzuschieben, und die Präklusion so weit geht, daß der Arbeitgeber einen nachträglich bekannt gewordenen Kündigungsgrund gar nicht zulässigerweise zum Gegenstand einer eigenständigen Kündigung machen kann, sondern er in einem Verfahren über eine zweite Kündigung mit allen Kündigungsgründen ausgeschlossen (präkludiert) ist, die er schon im ersten Kündigungsschutzverfahren hätte geltend machen können, so daß es im vorliegenden Fall gar nicht darauf ankäme, ob der Beklagte den Kündigungsgrund "Entwendung von zwei der Beklagten gehörenden Motoren am 4. Februar 1988" im Vorprozeß überhaupt nachgeschoben hat.

III. Die Entscheidung der Vorinstanzen über den Auflösungsantrag ist rechtlich nicht zu beanstanden.

1. Da das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten nicht aufgelöst worden ist, war über den Auflösungsantrag des Klägers zu entscheiden.

2. Es ist zunächst revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, daß das Arbeitsverhältnis nicht zum Zeitpunkt des Ausspruches der fristlosen Kündigung (30. Mai 1989), sondern, wie vom Kläger beantragt, erst zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 31. Dezember 1989 aufgelöst worden ist. Kommt eine Umdeutung der fristlosen Kündigung des Arbeitgebers in eine ordentliche Kündigung in Betracht, so hat der Arbeitnehmer grundsätzlich die Möglichkeit, bezogen auf die fristlose Kündigung des Arbeitgebers keinen Auflösungsantrag zu stellen und die Auflösung nur bezogen auf die umgedeutete fristgerechte Kündigung zu beantragen.

In diesem Punkt greift die Revision das angefochtene Urteil auch nicht an.

3. Der Auflösung nach § 9 KSchG steht auch nicht entgegen, daß die Unwirksamkeit der Kündigung im Ergebnis aus der Präjudizialität der Entscheidung im Vorverfahren hergeleitet wird. Zwar setzt eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 KSchG bei mehreren Unwirksamkeitsgründen stets voraus, daß auch die Sozialwidrigkeit der Kündigung festgestellt wird (BAG Urteil vom 29. Januar 1981 - 2 AZR 1055/78 - BAGE 35, 30 = AP Nr. 6 zu § 9 KSchG 1969). Daß bei der wiederholten Kündigung keine erneute abweichende Beurteilung der sozialen Rechtfertigung der Kündigung nach § 1 KSchG bzw. der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung nach §§ 13 KSchG, 626 BGB erfolgen darf, führt aber zu dem notwendigen Schluß, daß auch die zweite Kündigung nach § 1 KSchG bzw. nach §§ 13 KSchG, 626 BGB als unwirksam anzusehen ist.

4. Daß die Vorinstanzen angenommen haben, dem Kläger sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, weil die Beklagte ihm im Ergebnis unberechtigterweise einen Diebstahl vorwerfe, hält sich im Rahmen des tatrichterlichen Ermessens und wird auch von der Revision nicht angegriffen.

5. Als Abfindung hat das Arbeitsgericht und ihm folgend das Berufungsgericht einen Betrag von 15.000,-- DM festgesetzt, dies entspricht ca. vier Monatsgehältern. Angesichts der langen Beschäftigungsdauer ist dabei, wie sich aus den Entscheidungsgründen des Urteils des Arbeitsgerichts ergibt, einerseits mitberücksichtigt worden, daß der durch die Kündigung dem Kläger entstandene Schaden gering war und daß andererseits der Kläger selbst den Verdacht von Unregelmäßigkeiten zumindest mitverursacht hat. Die festgesetzte Abfindung hält sich im Rahmen des dem Tatsachengericht gemäß § 10 Abs. 1 KSchG zustehenden Ermessensspielraums. Konkrete Einwendungen gegen die Höhe der Abfindung erhebt die Revision auch nicht.

Bitter Bröhl Böck

Binzek Dr. Bobke

 

Fundstellen

Haufe-Index 437551

BAGE 74, 143-158 (LT1-4)

BAGE, 143

BB 1994, 862

BB 1994, 862-864 (LT1-4)

DB 1994, 432-435 (LT1-4)

DStR 1994, 439-439 (K)

NJW 1994, 473

BetrVG, (42) (LT1-4)

WiB 1994, 89 (LT)

EWiR 1994, 409 (L1-4)

NZA 1994, 70

NZA 1994, 70-74 (LT1-4)

AP § 626 BGB (LT1-4), Nr 113

AR-Blattei, ES 1020 Nr 329 (LT1-4)

EzA § 322 ZPO, Nr 9 (LT1-4)

MDR 1994, 595-596 (LT1-4)

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