Entscheidungsstichwort (Thema)

Personalrat/Freizeitausgleich/Ausschlußfrist

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Anspruch des Personalratsmitglieds auf Freizeitausgleich nach § 46 Abs 2 Satz 2 BPersVG fällt unter die Ausschlußfrist des § 70 Abs 1 BAT.

 

Orientierungssatz

Entscheidend für die Einbeziehung eines Anspruchs in eine tarifliche Ausschlußklausel ist die enge Verknüpfung eines Lebensvorgangs mit dem Arbeitsverhältnis, denn nach dem maßgeblichen Zweck einer derartigen Ausschlußklausel soll über die Ansprüche der Arbeitsvertragsparteien innerhalb eines Zeitraums, in dem alles noch übersehbar und deshalb ohne besondere Schwierigkeiten zu bereinigen ist, Klarheit geschaffen werden und Gewißheit darüber eintreten, mit welchen Ansprüchen die jeweilige Gegenseite noch zu rechnen hat.

 

Normenkette

BAT § 70 Abs. 1; BPersVG § 46 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

LAG München (Entscheidung vom 28.02.1991; Aktenzeichen 6 Sa 473/90)

ArbG Kempten (Entscheidung vom 19.04.1990; Aktenzeichen 5 Ca 2910/89)

 

Tatbestand

Der Kläger ist seit 1. Juli 1978 Arbeitnehmer bei der Bundeswehr und wird seit 1. April 1987 als Wachschichtführer im Angestelltenverhältnis beschäftigt. Für das Arbeitsverhältnis gilt kraft Tarifbindung der BAT.

Von 1985 bis April 1988 war der Kläger Mitglied des Personalrats seiner Dienststelle. Er arbeitete im 24-Stunden-Schichtdienst. Dadurch fiel jede zweite Sitzung des Personalrats auf einen arbeitsfreien Tag des Klägers, so daß dieser zwischen dem 8. Januar 1987 und dem 14. Januar 1988 insgesamt 64 Stunden Personalratstätigkeit außerhalb seiner regelmäßigen Arbeitszeit verrichtete. Mit Schreiben vom 18. Juni 1989 machte der Kläger daher gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Freizeitausgleich für 64 Stunden geltend. Der Beklagte lehnte mit Schreiben vom 24. Juli 1989 den Anspruch ab, weil er verspätet geltend gemacht worden sei.

Der Kläger hat am 27. Dezember 1989 die vorliegende Klage erhoben und beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Freizeit-

ausgleich für 64 Stunden zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie verteidigt sich lediglich damit, daß der Anspruch gemäß § 70 BAT verfallen sei, weil er nicht innerhalb von sechs Monaten nach seiner Fälligkeit geltend gemacht worden sei. Demgegenüber meint der Kläger, sein Anspruch auf Freizeitausgleich werde von dieser Vorschrift nicht erfaßt, weil er nicht auf dem Arbeitsverhältnis, sondern allein auf der geleisteten Personalratstätigkeit beruhe.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen; das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Denn der gemäß § 46 Abs. 2 Satz 2 BPersVG unstreitig entstandene Klageanspruch ist, wie bereits die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben, gemäß § 70 Abs. 1 BAT erloschen.

I. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist der beschrittene Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen im Urteilsverfahren gegeben.

1. Der Senat hat für den vorliegenden Rechtsstreit die Zulässigkeit des Rechtswegs und der gewählten Verfahrensart noch selbst zu prüfen. Denn die Änderungen durch das Gesetz zur Neuregelung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vom 17. Dezember 1990 (BGBl. I, 2809), nach denen das Rechtsmittelgericht die Zulässigkeit des Rechtswegs und der beschrittenen Verfahrensart nicht mehr prüft, finden in Fällen, in denen der erste Rechtszug vor dem 1. Januar 1991 abgeschlossen war, noch keine Anwendung (vgl. BAG Urteil vom 24. Juli 1991 - 7 AZR 61/90 -, n.v.; BGH Urteile vom 28. Februar 1991 - III ZR 49/90 - NVwZ 1991, 606 und - III ZR 53/90 - NJW 1991, 1686).

2. Die Vorinstanzen haben zutreffend erkannt, daß über den Anspruch des Klägers im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren zu entscheiden ist, weil der Streitgegenstand eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber aus dem Arbeitsverhältnis betrifft (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 a, Abs. 5 ArbGG). Streitgegenstand ist, ob die Beklagte den Kläger im Umfang von 64 Arbeitsstunden von seiner noch geschuldeten Arbeitsleistung freizustellen hat. Vom Streitgegenstand her geht es daher nicht um Personalratstätigkeit, sondern allein um den Umfang der Arbeitspflicht des Klägers. Dementsprechend hat der Senat über Ansprüche von Betriebsratsmitgliedern auf Freizeitausgleich nach der entsprechenden Vorschrift des § 37 Abs. 3 BetrVG auch stets im Urteilsverfahren entschieden (vgl. z.B. BAG Urteile vom 15. Februar 1989 - 7 AZR 193/88 - AP Nr. 70 zu § 37 BetrVG 1972 und vom 27. Juni 1990 - 7 AZR 292/89 - EzA § 37 BetrVG 1972 Nr. 104).

II. Die Klage ist jedoch unbegründet, weil der Kläger den Klageanspruch nicht gem. § 70 Abs. 1 BAT rechtzeitig geltend gemacht hat. Nach dieser Vorschrift verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlußfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit vom Angestellten oder vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden.

1. Der Klageanspruch ist ein Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis im Sinne dieser Vorschrift.

a) Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner Auffassung, bei dem Anspruch auf Dienstbefreiung nach § 46 Abs. 2 Satz 2 BPersVG handele es sich um einen "Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis" im Sinne des § 70 Abs. 1 BAT, im wesentlichen ausgeführt: Bei der Auslegung einer tariflichen Ausschlußfrist sei ihr Zweck zu beachten. Ziel tariflicher Ausschlußfristen sei es, Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zu schaffen. Die Rechtsklarheit werde durch die Wirkung des Erlöschens des Anspruchs herbeigeführt. Insbesondere solle der Schuldner Klarheit haben, ob aus bestimmten in der Vergangenheit liegenden Zeiträumen noch Ansprüche gegen ihn gestellt werden. Der Begriff der Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis in § 70 Abs. 1 BAT sei eher weit gefaßt. Es komme deshalb auch nicht auf die konkrete materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage an, sondern darauf, ob der Entstehungsbereich des Anspruchs im Arbeitsverhältnis liege. Im vorliegenden Falle handele es sich um einen Anspruch, der die Pflichten aus dem Arbeitsvertrag selbst berühre. Der Anspruch auf Dienstbefreiung sei deshalb ein solcher aus dem Arbeitsverhältnis und kein aus dem Personalratsamt abgeleiteter Anspruch, wie dies beim Aufwendungsersatz der Fall sei.

b) Dieser Würdigung schließt sich der Senat an. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. z.B. BAGE 43, 339 = AP Nr. 37 zu § 611 BGB Ärzte, Gehaltsansprüche; Urteil vom 12. Januar 1988 - 1 AZR 219/86 - AP Nr. 90 zu Art. 9 GG Arbeitskampf) erfaßt die Tarifvorschrift des § 70 Abs. 1 BAT alle Ansprüche, die die Arbeitsvertragsparteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsstellung gegeneinander haben. Dabei kommt es nicht auf die materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage, sondern auf den Entstehungsbereich des Anspruchs an (vgl. z.B. BAG Urteile vom 28. Februar 1979 - 5 AZR 728/77 - und vom 11. Juni 1980 - 4 AZR 443/78 - AP Nr. 6 und 7 zu § 70 BAT). Entscheidend für die Einbeziehung eines Anspruchs in die tarifliche Ausschlußklausel ist die enge Verknüpfung eines Lebensvorgangs mit dem Arbeitsverhältnis, denn nach dem maßgeblichen Zweck einer derartigen Ausschlußklausel soll über die Ansprüche der Arbeitsvertragsparteien innerhalb eines Zeitraums, in dem alles noch übersehbar und deshalb ohne besondere Schwierigkeiten zu bereinigen ist, Klarheit geschaffen werden und Gewißheit darüber eintreten, mit welchen Ansprüchen die jeweilige Gegenseite noch zu rechnen hat (vgl. z.B. BAG Urteil vom 26. April 1978 - 5 AZR 62/77 - AP Nr. 64 zu § 4 TVG Ausschlußfristen; BAG Urteil vom 12. Dezember 1979 - 5 AZR 1056/77 - AP Nr. 4 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe).

Nach diesen Grundsätzen wird der Klageanspruch, obwohl er seine materiell-rechtliche Grundlage in § 46 Abs. 2 Satz 2 BPersVG findet, von der Ausschlußklausel des § 70 Abs. 1 BAT erfaßt, weil es der Sache nach um den Umfang der zwischen den Parteien bestehenden arbeitsvertraglichen Hauptpflichten, hier der Arbeitsleistungspflicht des Klägers, geht. Der vom Kläger geltend gemachte Freizeitausgleich betrifft unmittelbar die Frage, inwieweit der Kläger noch seine arbeitsvertragliche Arbeitsleistung schuldet. Gerade in der alsbaldigen Klarstellung derartiger Pflichten liegt, wie dargestellt, der Zweck des § 70 Abs. 1 BAT.

Demgegenüber kann der Hinweis der Revision auf den Beschluß des Bundesarbeitsgerichts vom 30. Januar 1973 (- 1 ABR 1/73 - AP Nr. 3 zu § 40 BetrVG 1972) nicht durchgreifen. In dieser Entscheidung ging es um Aufwendungen eines Betriebsratsmitglieds, die im Hinblick auf sein Betriebsratsamt erforderlich waren und für die der Arbeitgeber daher gem. § 40 Abs. 1 BetrVG ersatzpflichtig war. Derartige betriebsverfassungs- bzw. personalvertretungsrechtliche Kostenersatzansprüche stehen in der Tat nicht in einem so engen Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis, daß ihre Einbeziehung in die Vorschrift des § 70 Abs. 1 BAT gerechtfertigt wäre. Der vorliegende Klageanspruch, der sich unmittelbar auf den Umfang der arbeitsvertraglichen Arbeitspflicht auswirkt, kann hiermit jedoch nicht verglichen werden.

2. Dem Landesarbeitsgericht ist auch darin zu folgen, daß der Kläger die Sechs-Monats-Frist des § 70 Abs. 1 BAT zwischen Fälligkeit und Geltendmachung des Klageanspruchs nicht eingehalten hat. Dabei bedarf es im Entscheidungsfalle keiner grundsätzlichen Stellungnahme des Senats zur Frage, ob, wie das Landesarbeitsgericht meint, der Anspruch auf Arbeitsbefreiung nach § 46 Abs. 2 Satz 2 BPersVG jeweils bereits fällig wird, sobald das Personalratsmitglied über seine regelmäßig festgelegte Arbeitszeit hinaus durch Personalratstätigkeit beansprucht wurde, oder ob insoweit auf die den § 37 Abs. 3 BetrVG bzw. § 17 Abs. 5 Satz 1 BAT zugrundeliegenden Rechtsgedanken zurückzugreifen ist. Denn in jedem Falle waren die zwischen dem 8. Januar 1987 und dem 14. Januar 1988 entstandenen Freizeitausgleichsansprüche des Klägers schon weit länger als sechs Monate fällig, als der Kläger sie erstmals am 18. Juni 1989 gegenüber der Beklagten schriftlich geltend machte.

Dr. Seidensticker Schliemann Dr. Steckhan

Ruppert Metzinger

 

Fundstellen

Haufe-Index 441135

DB 1993, 1424 (LT1)

BetrVG, (2) (LT1)

ARST 1993, 26-27 (LT1)

DOK 1993, 713 (K)

NZA 1993, 423-424 (LT1)

RdA 1992, 399

USK, 9222 (LT)

WzS 1993, 253 (L)

ZTR 1992, 520 (LT1)

AP § 46 BPersVG (LT1), Nr 18

EzA § 4 TVG Ausschlußfristen, Nr 99 (LT1)

EzBAT § 70 BAT, Nr 36 (LT1)

PersR 1992, 468-469 (LT)

SVFAng Nr 78, 11 (1993) (KT)

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