Leitsatz (amtlich)
a) § 17 a Abs. 5 GVG i.d.F. des Gesetzes zur Neuregelung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (Viertes Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung – 4. VwGOÄndG) vom 17. Dezember 1990 (BGBl I S. 2809) findet in Fällen, in denen die geänderten Rechtswegvorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes bei Abschluß des ersten Rechtszuges noch nicht in Kraft getreten waren, keine Anwendung.
b) Zur Frage der Verjährung von Forderungen einer Gemeinde im Rahmen der Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung.
Normenkette
GVG § 17 a Abs. 5; BGB § 196 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
OLG Koblenz (Urteil vom 17.01.1990) |
LG Koblenz |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 17. Januar 1990 wird zurückgewiesen.
Die Beklagten haben die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die klagende Verbandsgemeinde versorgt die Einwohner ihres Gebietes durch den Eigenbetrieb „Verbandsgemeindewerke A.” mit Trink- und Brauchwasser und beseitigt die Abwässer. Im Jahre 1979 verband sie das Grundstück der Beklagten mit der Wasserversorgungs- und der Abwasseranlage. Sie verlangt von den Beklagten die Kosten der Herstellung des Wasserleitungs- und des Kanalanschlusses sowie einen Baukostenzuschuß für die Abwasseranlage, insgesamt 5.494,28 DM nebst Zinsen.
Die Beklagten meinen, für die klage sei der ordentliche Rechtsweg nicht eröffnet. Sie erheben die Einrede der Verjährung.
Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Das Berufungsgericht hat der Klage stattgegeben. Hiergegen richtet sich die zugelassene Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten konnte keinen Erfolg haben.
I.
Die Klage ist zulässig.
Zu Recht hält das Berufungsgericht den Rechtsweg vor die Zivilgerichte (§ 13 GVG) für eröffnet.
1. Die Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges unterliegt trotz der Neufassung des § 17 a GVG durch Art. 2 (Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes) des Gesetzes zur Neuregelung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (Viertes Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung. – 4. VwGOÄndG) vom 17. Dezember 1990 (BGBl. Teil I S. 2809) der Nachprüfung durch das Revisionsgericht.
a) In Absatz 5 der Neufassung des § 17 a GVG ist bestimmt, daß das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, nicht mehr untersucht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Für die Oberprüfung der Zulässigkeit des Rechtsweges ist nach § 17 a Abs. 2–4 ein besonderes Verfahren vorgeschrieben. Bei Unzulässigkeit des Rechtsweges wird ein Beschluß erlassen, der ebenso wie ein vorab ergehender Beschluß, der die Zulässigkeit des Rechtsweges ausspricht, mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar ist. Im Falle der Zulässigkeit des Rechtsweges ist die Vorabentscheidung in das Ermessen des Gerichts gestellt, es sei denn, eine Partei hat die Zulässigkeit des Rechtsweges gerügt.
b) Obwohl die Neufassung des § 17 a GVG gemäß Art. 23 des 4. VwGOÄndG vom 17. Dezember 1990 am 1. Januar 1991 in Kraft getreten ist, ist für die Revision der Beklagten der seitherige Rechtszustand maßgeblich. Hiernach ist über die Zulässigkeit des Rechtsweges in jeder Lage des Verfahrens, auch in den Rechtsmittelinstanzen, zu befinden (BGHZ 14, 294, 295; 63, 119, 121; Senaturteil BGHZ 21, 214, 217).
Allerdings ergreifen Änderungen des Prozeßrechts in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich auch schwebende Verfahren, soweit nicht Übergangsbestimmungen etwas anderes vorschreiben oder sich Abweichendes aus Sinn und Zweck der Vorschrift oder aus dem Zusammenhang mit anderen Grundsätzen ergibt (BVerfGE 39, 156, 167; BGHZ 12, 254, 266; 76, 305, 309; Senatsurteile vom 13. Oktober 1977 – III ZR 141/75 – JZ 1978, 33, 34 und vom 3. Oktober 1985 – III ZR 60/84 – NJW 1986, 1109; BGH Beschluß vom 25. Januar 1978 – IV ZB 70/77 – NJW 1978, 889; BGH Beschluß vom 25. November 1977 – I ARZ 584/77 – NJW 1978, 427; BGH Beschluß vom 15. Februar 1978 – IV ZB 76/77 – NJW 1978, 1260; Zöller/Vollkommer, ZPO 16. Aufl. Einl. 104).
Die Überleitungsvorschrift des Art. 21 regelt nur die Frage, welches Recht, „altes” Recht oder das ab 1. Januar 1991 geltende Recht, für die Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs gegen einen Verwaltungsakt oder gegen eine gerichtliche Entscheidung maßgeblich ist. Ob die Zulässigkeit des Rechtsweges als Sachurteilsvoraussetzung von dem Rechtsmittelgericht noch zu untersuchen ist, betrifft aber die Begründetheit des Rechtsmittels (vgl. BGH Urteil vom 26. Oktober 1979 – I ZR 6/79 – MDR 1980, 203) und wird von Art. 21 seinem Wortlaut nach nicht erfaßt. Aus dem Zusammenhang der neu gefaßten Vorschrift des § 17 a Abs. 5 GVG mit den vorhergehenden Bestimmungen der Absätze 2–4 ergibt sich jedoch, daß den Rechtsmittelgerichten nur dann eine Prüfung der Zulässigkeit des Rechtsweges versagt ist, wenn die Entscheidung im ersten Rechtszuge schon unter Anwendung des § 17 a GVG n.F. erlassen worden ist.
Zweck der in § 17 a GVG getroffenen Regelungen ist es, „daß die Frage der Rechtswegzuständigkeit zu einem möglichst frühen Zeitpunkt des Verfahrens in der ersten Instanz abschließend geklärt und das weitere Verfahren nicht mehr mit dem Risiko eines später erkannten Mangels des gewählten Rechtsweges belastet” werden soll (Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, BT-Drucks. 11/7030 S. 36). Daher sollen sich die Rechtsmittelgerichte bei der Entscheidung über die Hauptsache nicht mehr mit der Rechtswegfrage befassen müssen. Als Ausgleich hierfür bietet der Gesetzgeber aber das in § 17 a Abs. 2–4 vorgesehene Verfahren an, in dessen Rahmen durch einen beschwerdefähigen Beschluß, der im Falle einer Zulassung auch von dem Bundesgerichtshof überprüft werden kann, eine Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges getroffen wird. Da dieser Verfahrensweg bei einem vor Inkrafttreten des § 17 a GVG n.F. am 1. Januar 1991 erlassenen erstinstanzlichen Urteil nicht eingeschlagen werden konnte, bliebe den Parteien bei sofortiger Anwendung des § 17 a Abs. 5 GVG jeder Rechtsbehelf versagt, mit dem sie eine Nachprüfung der Entscheidung über diese Zulässigkeitsfrage erreichen könnten. Dies entspricht ersichtlich nicht den Absichten des Gesetzgebers (vgl. BGH Beschluß vom 15. Februar 1978 aaO), der die Vorschrift des § 17 a Abs. 5 GVG damit rechtfertigt, daß „die Rechtswegfrage vorab im Beschwerdeverfahren” geprüft worden ist (Begründung zum Gesetzentwurf S. 36 f).
Auch der Überleitungsvorschrift des Art. 21 ist der Gedanke zu entnehmen, daß die Nachprüfbarkeit einer vor Inkrafttreten des Gesetzes erlassenen Entscheidung durch die neuen Vorschriften unberührt bleiben soll. Zwar betrifft Art. 21, wie dargelegt, die Frage, ob und mit welchen Rechtsmitteln die Entscheidung insgesamt angefochten werden soll. Es widerspräche jedoch auch dem in Art. 21 zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Willen, den Parteien für die Oberprüfung der Zulässigkeit des von ihnen beschrittenen Rechtsweges ein Rechtsmittel abzuschneiden, das bei Erlaß der angefochtenen Entscheidungen noch gegeben war.
2. Für die Entscheidung über die Ansprüche der Klägerin auf Ersatz der Kosten für die Herstellung des Wasserleitungs- und Kanalanschlusses sowie für den Baukostenzuschuß für die Errichtung der öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage ist der Rechtsweg zu den Zivilgerichten eröffnet.
a) Ob eine Streitigkeit öffentlich-rechtlicher oder bürgerlich-rechtlicher Natur ist, richtet sich, wenn eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung durch den Gesetzgeber fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet ist (BGH Senatsurteil vom 3. Ok-. tober 1985 aaO; BGHZ 89, 250, 251). Grundlage für diese Entscheidung ist allein der Sachvortrag des Klägers (BGH Senatsurteil aaO; BGHZ 85, 121, 125).
Mit den Forderungen auf Erstattung von Kosten für den Wasserversorgungs- und Kanalanschluß einschließlich des Baukostenzuschusses macht die Klägerin Ansprüche aus einer Tätigkeit im Rahmen der Daseinsvorsorge geltend. Wie das Berufungsgericht zutreffend darlegt, ist es in das Ermessen der Gemeinde gestellt, ob sie ihre Rechtsbeziehungen zu den Benutzern ihrer Anlagen bei der Erfüllung dieser ihr obliegenden öffentlichen Aufgaben öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich regeln will (BGH Urteil vom 9. Mai 1979 – VIII ZR 134/78 – NJW 1979, 2615; vgl. Senatsurteile vom 5. April 1984 – III ZR 12/83 – BGHZ 91, 84, vom 13. Oktober 1977 – III ZR 122/75 – VersR 1978, 85 und vom 28. Oktober 1976 – III ZR 155/74 – VersR 1977, 253, zuletzt Senatsurteil vom 11. Oktober 1990 – III ZR 169/89). Auch die, dem hoheitlichen Bereich zuzuordnende Anordnung eines Anschluß- und Benutzungszwanges, die an sich für die öffentlich-rechtliche Natur des Leistungsverhältnisses spricht (BGHZ 63, 119, 121), steht einer privatrechtlichen Regelung der Benutzung nicht entgegen (Senatsurteile vom 3. November 1983 – III ZR 227/82 – MDR 1984, 558 und vom 11. Oktober 1990).
b) Die Ausführungen des Berufungsgerichts, die klagende Gemeinde habe in ihren Satzungen den Wollen zum Ausdruck gebracht, ihre Rechtsbeziehungen zu den Benutzern ihrer Wasserversorgungs- und Abwasseranlage privatrechtlich auszugestalten, sind frei von Rechtsfehlern.
Diese Absicht der Gemeinde entnimmt das Berufungsgericht zu Recht insbesondere der jeweiligen Bestimmung des § 10 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 der Allgemeinen Was serversorgungssatzung und der Allgemeinen Entwässerungssatzung vom 20. Oktober 1975. In den Bestimmungen beider Satzungen heißt es sinngemäß, für die Durchführung von Wasseranschlüssen, für die Abgabe von Wasser und für die zu zahlenden Entgelte seien die sog. AVB-Wasser bzw. AEB- Abwasser anwendbar, die das Verhältnis zwischen der Verbandsgemeinde und den Anschlußnehmern „auf privatrechtlicher Grundlage” regelten. Ferner wird darauf hingewiesen, daß die in den Anlagen 1 und 2 der AVB-Wasser bzw. AEB-Abwasser festgesetzten Preise und Kosten „privatrechtliche Entgelte” darstellten.
Die Klägerin hat mit diesen Bestimmungen ihre Rechtsbeziehungen zu den Benutzern ihrer Anlagen ausdrücklich dem Privatrecht unterstellt (vgl. BGH Urteil vom 29. März 1990 – IX ZR 190/89 – NJW 1990, 2130, 2131). Zutreffend verweist das Berufungsgericht ferner insbesondere auf § 2 der AVB-Wasser und AEB-Abwasser, die sich mit „Voraussetzungen für den Vertragsabschluß” beschäftigen, auf § 15 AVB-Wasser, der von „Vertragsverhältnis” und „Kündigung” spricht sowie auf § 14 AVB-Wasser und § 13 (8) III Abs. 2 AEB-Abwasser, worin von „Rechnungen” die Rede ist.
c) Die Einwände der Revision gegen die Wertung des Berufungsgerichts greifen nicht durch.
Der von der Revision hervorgehobene Zusammenhang zwischen dem Anschluß- und Benutzungszwang und dem Baukostenzuschuß für die Herstellung der Anschlüsse an die Wasserbzw. Abwasseranlage rechtfertigt nicht den Schluß, daß damit die Begründung privatrechtlicher Rechtsbeziehungen zu den Benutzern der Anlagen zwingend ausgeschlossen ist. Da der Anschluß- und Benutzungszwang, wie dargelegt, der Wahl eines privatrechtlichen Nutzungsverhältnisses nicht entgegensteht, bleibt es der Gemeinde auch unbenommen, den verlangten Zuschuß für die Herstellung der Anlagen in der Form privatrechtlicher Forderungen zu erheben (vgl. auch Senatsurteil vom 25. März 1982 – III ZR 159/80 – RdE 1982, 223, 225 = NVwZ 1983, 58 und BGH Urteil vom 29. März 1990 aaO).
Die Bestimmung des § 13 (8) III Abs. 1 der AEB-Abwasser vermag die Ansicht der Revision gleichfalls nicht zu stützen. Wenn der Gemeinde durch diese Vorschrift die Möglichkeit eingeräumt werden soll, „rückständige Gebühren” … „im Verwaltungszwangsverfahren” einzuziehen, deutet dies nicht auf einen öffentlich-rechtlichen Charakter des Entgelts für die Abwasserbeseitigung hin. Daß das zu leistende Entgelt in der AEB-Abwasser als „Gebühr” bezeichnet wird, steht der Absicht der Klägerin, die Beziehungen zu ihren Benutzern privatrechtlich zu gestalten, nicht entgegen. Wie das Berufungsgericht unter Hinweis auf Wolff/Bachof (Verwaltungsrecht 19. Aufl. S. 310) zu Recht ausführt, werden auch in privatrechtlichen Vertragsbedingungen die von der öffentlichen Hand geforderten Entgelte häufig „Gebühren” genannt.
Daß die AEB-Abwasser für die rückständigen Gebühren auf das Verwaltungszwangsverfahren verweisen, ist, den zutreffenden Darlegungen des Berufungsgerichts folgend, im Zusammenhang mit der Vorschrift des § 71 Verwaltungsvollstreckungsgesetz Rheinland-Pfalz vom 8. Juli 1957 (VwVG- GVBl. 1957 S. 101, 110) zu würdigen. Nach § 71 Abs. 1 VwVG kann die Landesregierung die Vollstreckung nach diesem Gesetz auch wegen privatrechtlicher Forderungen für zulässig erklären, die unter anderem den Gemeinden aus der Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen entstanden sind. Von dieser Ermächtigung hat die Landesregierung in der Zweiten Landesverordnung zum Verwaltungsvollstreckungsgesetz für Rheinland-Pfalz vom 2. Januar 1958 (2.VOVVG, GVBl. 1958 S. 11) Gebrauch gemacht. Ob diese Verordnung auch für die im Rahmen der Abwasserbeseitigung von den Benutzern zu zahlenden privatrechtlichen Entgelte Anwendung findet oder gemäß § 1 (1) 1 a nur für die „Lieferung von Wasser” (vgl. Altmeyer/Lahm, Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1958 §§ 71–74 Erläuterung II, zur Entstehungsgeschichte der §§ 71–74 VwVG: Landtags-Drucks. III/237, S. 1174, Stenographische Berichte des Landtages 3. Wahlperiode, S. 799, 1114), ist unerheblich. Die Heranziehung der Vorschrift des § 71 Verwaltungsvollstreckungsgesetz könnte sich daraus erklären, daß die Klägerin möglicherweise der Ansicht war, die in der Zweiten Landesverordnung zu diesem Gesetz enthaltene Ermächtigung erstrecke sich auf die in der AEB-Abwasser festgehaltenen Entgelte. Im übrigen erweist sich diese Anordnung nicht als so wesentlich, daß sie eindeutige Rückschlüsse auf die Absichten der Gemeinde erlauben würde, das Benutzungsverhältnis öffentlich-rechtlichen Normen zu unterstellen.
II.
Die Klage ist auch begründet.
1. Der Anspruch der Klägerin leitet sich aus den mit den Beklagten geschlossenen Verträgen über die Versorgung ihres Grundstücks mit Wasser und über die Ableitung der Abwässer her, die unter Einbeziehung der AVB-Wasser und der AEB-Abwasser zustande gekommen sind.
Die Klägerin schloß das Grundstück der Beklagten an die Wasserversorgungs- und Abwasseranlage an. Das hierin liegende Vertragsangebot nahmen die Beklagten durch schlüssiges Handeln an, indem sie diese Einrichtungen nutzten. Aus den Vorschriften der §§ 3 Abs. 5 AVB-Wasser, 3 Abs. 8 AEB-Abwasser geht die grundsätzliche Bereitschaft der Klägerin hervor, den Wasserversorgungs- und Entwässerungsvertrag unter Umständen auch formlos, ohne den in §§ 2, 3 AVB-Wasser/AEB-Abwasser vorgesehenen schriftlichen Antrag des Anschlußnehmers, zu vereinbaren (vgl. Senatsur- teil vom 25. März 1982 – III ZR 159/80 aaO). Die AVB-Wasser und AEB-Abwasser und deren Anlagen sind als Allgemeine Geschäftsbedingungen Inhalt des von dem Eigenbetrieb mit den Beklagten geschlossenen Vertrages geworden.
a) Da die Vorschriften des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz) nach § 28 Abs. 3 in Verbindung mit § 30 Satz 1 dieses Gesetzes auf die Vereinbarung der Parteien über die Versorgung mit Wasser noch keine Anwendung finden, ist die Einbeziehung der AVB-Wasser in das Vertragsverhältnis der Parteien dem früheren Rechtsstand entsprechend danach zu beurteilen, ob die Beklagten vom Vorhandensein dieser Allgemeinen Geschäftsbedingungen wußten oder hätten wissen müssen und ob für sie erkennbar war, daß die Klägerin den Vertrag nur unter Einbeziehung der AVB-Wasser abschließen wollte (vgl. Senatsurteil vom 25. März 1982 aaO m.w.Nachw.). Diese Voraussetzungen sind gegeben. Die Klägerin hatte bereits in den §§ 10 und 12 der Allgemeinen Wasserversorgungssatzung auf die AVB-Wasser hingewiesen. Auch sind die AVB-Wasser öffentlich bekannt gemacht worden (§ 16 Abs. 2 AVB-Wasser). Im übrigen ist es allgemein bekannt, daß kommunale Versorgungs- und Entsorgungsunternehmen regelmäßig und ausschließlich auf der Grundlage Allgemeiner Geschäftsbedingungen arbeiten (vgl. Senatsurteil vom 25. März 1982 aaO). Die AVB-Wasser sind daher durch stillschweigende Übereinkunft Vertragsbestandteil geworden, und zwar auch, soweit sie gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2 eine Verpflichtung zur Zahlung der Herstellungskosten des Wasseranschlusses begründen.
b) Für die AEB-Abwasser greift die Sonderregelung, die in § 28 Abs. 3 AGB-Gesetz für die Wasserversorgungsverträge getroffen worden ist, nicht ein. Die AEB-Abwasser gelten für den von den Parteien geschlossenen Entsorgungsvertrag, weil sie gemäß § 2 AGB-Gesetz wirksam in den Vertrag einbezogen worden sind. Die von dem Gesetz geforderte Möglichkeit, von dem Inhalt der AEB-Abwasser in zumutbarer Weise Kenntnis zu nehmen (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 AGB-Gesetz) haben alle Vertragspartner der Klägerin dadurch, daß die AEB-Abwasser nebst den Anlagen öffentlich bekanntgemacht werden (§ 15 Abs. 1, 1. Halbsatz AEB-Abwasser). Auf das grundsätzlich nach § 2 AGB-Gesetz erforderliche Einverständnis mit ihrer Geltung für das Vertragsverhältnis kommt es im Hinblick auf den Anschluß- und Benutzungszwang nicht an (vgl. Senatsurteil vom 3. November 1983 – III ZR 227/82 – LM Berliner EigenbetriebsG Nr. 2).
Nach §§ 6 Abs. 2 Satz 2 AVB-Wasser, 3 Abs. 11, 6 Abs. 2 Satz 2 AEB-Abwasser hat die Klägerin gegen die Beklagten eine vertragliche Forderung auf Zahlung der Herstellungskosten für den Wasser- und Kanalanschluß sowie auf den Baukostenzuschuß für die Abwasseranlage.
2. Die Ansprüche der Klägerin sind nicht verjährt.
Die Verjährung der Ansprüche der Versorgungsunternehmen aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages richtet sich nach den Vorschriften des BGB. Nach § 195 BGB beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist 30 Jahre. Die Verjährungsfrist für die geltend gemachten Forderungen ist nicht nach § 196 Abs. 1 Nr. 1 BGB verkürzt.
Nach § 196 Abs. 1 Nr. 1 BGB verjähren unter anderem die Ansprüche der Kaufleute, Fabrikanten und Handwerker für die Lieferung von Waren, die Ausführung von Arbeiten und die Besorgung fremder Geschäfte grundsätzlich in zwei Jahren. Diese Vorschrift greift für die Ansprüche der Klägerin nicht ein. Die Klägerin führt die Wasserversorgung und die Abwasserbeseitigung in Form des Eigenbetriebs „Verbandsgemeinde A.”, eines Sondervermögens ohne eigene Rechtspersönlichkeit, durch. Sie wäre demnach nur dann Kaufmann im Sinne des § 196 Abs. 1 Nr. 1 BGB, wenn sie ein Handelsgewerbe hätte (§ 1 Abs. 1, 2 HGB). Diese Voraussetzung ist jedoch nicht gegeben.
a) Soweit die Ansprüche der Klägerin die Abwasserbeseitigung betreffen (Herstellungskosten für den Kanalanschluß und Baukostenzuschuß), ist das Erfordernis, daß ein Gewerbe betrieben wird (Baumbach/Duden/Hopt, HGB 28. Aufl. § 1 Anm. 1 A), nicht erfüllt.
Als Gewerbebetrieb ist jedes, berufsmäßige Geschäftsunternehmen anzusehen, das von der Absicht dauernder Gewinnerzielung beherrscht ist. Eine öffentlich-rechtliche Körperschaft kann selbst dann ein Gewerbe ausüben, wenn sie zugleich in Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen gemeinnützigen Aufgaben tätig wird. Während aber bei einem von einer Privatperson betriebenen Unternehmen nach der Lebenserfahrung regelmäßig eine tatsächliche Vermutung für die Absicht der Gewinnerzielung spricht, bedarf diese Absicht bei Unternehmen der öffentlichen Hand im Einzelfall der besonderen Prüfung und Feststellung (BGHZ 49, 258, 260). Mit der Abwasserbeseitigung müßte eine Tätigkeit entfaltet werden, die nicht nur allein und herkömmlich mit der Zielrichtung, eine öffentliche Aufgabe wahrzunehmen, ausgeübt wird (BGH Urteil vom 22. April 1982 – VII ZR 191/81 – NJW 1982, 1815, 1816; BGHZ 57, 191, 199; vgl. auch § 85 GemO und Hofmann/Beth/Dreibus, Die Kommunalgesetze für Rheinland-Pfalz, § 85 GemO Anm. 2; Salzmann/Schunck/Hofmann/Schrick, Das Selbstverwaltungsgesetz für Rheinland-Pfalz 3. Aufl. § 80 GemO Anm. 2; Surén/Loschelder, Die Deutsche Gemeindeordnung, 1940, § 67 Anm. 2). Mit der Abwasserbeseitigung kommt die Klägerin jedoch einer rein öffentlich-rechtlichen gemeinnützigen Aufgabe nach. In § 85 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und 5 GemO ist vorgeschrieben, daß Einrichtungen, die überwiegend dem Gesundheitswesen und dem Umweltschutz zu dienen bestimmt sind, keine wirtschaftlichen Unternehmen darstellen. Zu diesen Einrichtungen gehören seit jeher die Anlagen zur Beseitigung von Abwässern (vgl. § 85 Abs. 2 Satz 3 GemO; BGHZ 53, 222, 223; Salzmann/Schunck/Hofmann/Schrick aaO; Hofmann/Beth/Dreibus aaO Anm. 4; Körner, Gemeindeordnung NW 4. Aufl. § 88 Anm. 5).
b) Die Forderung auf den Baukostenzuschuß unterliegt zudem deshalb nicht der kurzen Verjährung des § 196 Abs. 1 Nr. 1 BGB, weil sie nicht das Entgelt „für Lieferung von Waren, Ausführung von Arbeiten und Besorgung fremder Geschäfte” darstellt. Der Baukostenzuschuß ist kein Gegenleistungsanspruch, sondern eine Beteiligung des Kunden an den Aufwendungen des Versorgungsunternehmens für dessen eigene Versorgungsanlagen. Es handelt sich um eine Umlage zur teilweisen Abdeckung der Kosten für die Einrichtung solcher Anlagen. Der privatrechtliche Anspruch auf den Baukostenzuschuß verjährt in 30 Jahren (OLG Nürnberg NJW- RR 1988, 1525; OLG Stuttgart RdE 1960, 43, 44; OLG Köln RdE 1978, 85, 88; LG Kiel NJW-RR 1989, 1250; Hermann/Recknagel/Schmidt-Salzer, Kommentar zu den Allgemeinen Versorgungsbedingungen 1981 § 9 AVBV Rn. 135; Ludwig/Odenthal, Das Recht der öffentlichen Wasserversorgung § 9 AVB WasserV Anm. 6; Morell, AVB WasserV § 9 Abs. 6 Anm. b a.E.).
c) Für die Forderung auf Erstattung der Wasseranschlußkosten verbleibt es gleichfalls bei der Verjährungsfrist von 30 Jahren.
Soweit der Eigenbetrieb „Verbandsgemeindewerke A.” die Wasserversorgung der Gemeinde übernommen hat, könnte er allerdings grundsätzlich ein Handelsgewerbe ausüben und damit Kaufmann sein. Anders als die Abwasserbeseitigungsanlage ist die Wasserversorgungsanlage ein „wirtschaftliches Unternehmen” (§ 85 GemO). Zwar hat die Klägerin bei der Versorgung ihrer Gemeindemitglieder mit Trink- und Brauchwasser auch auf öffentliche Belange, wie das Gesundheitswesen und den Umweltschutz (§ 85 Abs. 2 Nr. 4, 5 GemO), Rücksicht zu nehmen. Dies steht aber einer wirtschaftlichen Betätigung, nämlich der Gewinnung oder dem Bezug von Wasser und dessen Vertrieb, nicht entgegen (BayVGH Rechtsprechung zum kommunalen Verfassungsrecht Nr. 1 zu § 93 GemO NW – BayVBl. 1977, 469 zur Bay.GemO; Rehn/Cronauge, Gemeindeordnung für das Land Nordrhein- Westfalen 10. Aufl. § 88 Anm. VI 1; Surén/Loschelder aaO § 67 Anm. 2 a cc, 2 f; s. auch OLG Nürnberg aaO für ein Stromversorgungswerk; offengelassen: BGHZ 49, 258, 260; vgl. auch BGH Urteil vom 10. November 1960 – VIII ZR 167/59 – NJW 1961, 453; RG DR 1940, 161; anderer Ansicht: Hofmann/Beth/Dreibus aaO; Salzmann/Schunck/Hofmann/Schrick aaO; J. Rauball/R. Rauball, Gemeindeordnung für NW 2. Aufl. § 88 Anm. 4).
d) Auch wenn der Wasserversorgungsbetrieb der Klägerin mithin zu den wirtschaftlichen Unternehmen gehört, liegen die Voraussetzungen für ein Handelsgewerbe nicht vor. Hierzu ist es erforderlich, daß das Unternehmen von der Absicht dauerhafter Gewinnerzielung beherrscht wäre. Ein solcher Wille des Betreibers müßte auch bei einer Wasserversorgungsanlage, die ein „wirtschaftliches Unternehmen” im Sinne der Gemeindeordnung darstellt, zusätzlich festgestellt werden (vgl. BGHZ 49 aaO; BGH Urteil vom 10. November 1960 aaO; vgl. auch RGRK-Johannsen, BGB 12. Aufl. § 196 Rn. 27; Staub/Brüggemann, HGB 4. Aufl. § 1 Rn. 9 f).
Es ist fraglich, ob nicht schon der. Umstand, daß die Verbandsgemeindewerke A. die Wasserversorgung zugleich mit der Abwasserbeseitigung vornehmen, einer Gewinnerzielungsabsicht auch bezüglich der Wasserversorgung entgegensteht. Wenn die Klägerin die Wasserversorgung in einem Eigenbetrieb zusammen mit der Abwasserbeseitigung, einer rein gemeinnützigen Aufgabe, durchführt, erscheint es lebensfremd anzunehmen, daß sie sich von unterschiedlichen Absichten für jeden der Betriebsbereiche leiten lassen könnte. Vielmehr liegt es nahe, daß für die Gemeindewerke eine gesamtheitliche Betrachtungsweise bestimmend ist und die Wahrnehmung ihrer öffentlich-rechtlichen Anliegen im Vordergrund steht. Hiervon abgesehen, ist dem Vorbringen der Parteien aber auch kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, daß die Klägerin mit der Wasserversorgung Gewinne erstrebt.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Unterschriften
Krohn, Engelhardt, Werp, Rinne, Deppert
Fundstellen
Haufe-Index 1237646 |
NJW 1991, 1688 |
BGHR |
NVwZ 1991, 606 |
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