Entscheidungsstichwort (Thema)

Befristeter Arbeitsvertrag. Vorbehalt. Voraussetzungen für die Befristungskontrolle des vorletzten Vertrags. Befristungsrecht. Arbeitsvertragsrecht

 

Orientierungssatz

  • Bei mehreren aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträgen ist grundsätzlich nur die Befristung des letzten Vertrags auf ihre Wirksamkeit zu prüfen.
  • Dies gilt nicht, wenn die Parteien dem Arbeitnehmer das Recht vorbehalten haben, die Wirksamkeit der im vorangegangenen Arbeitsvertrag vereinbarten Befristung überprüfen zu lassen. In diesem Fall ist die arbeitsvertragliche Befristungskontrolle auch für den vorangegangenen Vertrag eröffnet.
  • Voraussetzung dafür ist eine vertragliche Vereinbarung, die sich darauf bezieht, daß zwischen den Parteien nicht bereits ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.
 

Normenkette

BGB §§ 620, 133, 157

 

Verfahrensgang

LAG Sachsen-Anhalt (Urteil vom 23.11.2000; Aktenzeichen 9 Sa 257/00)

ArbG Magdeburg (Urteil vom 09.03.2000; Aktenzeichen 9 Ca 299/00)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 23. November 2000 – 9 Sa 257/00 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Befristung zum 31. Dezember 1999.

Der Kläger war seit dem 1. September 1994 auf Grund eines bis zum 31. August 1998 befristeten Arbeitsvertrags an der medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg des beklagten Landes als Assistenzarzt beschäftigt. Als Befristungsgrund ist im Arbeitsvertrag “§ 57b Abs. 2 Nr. 1 HRG (Facharztausbildung)” genannt. Nach § 1 des Arbeitsvertrags bestimmte sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – (BAT-O) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der jeweils geltenden Fassung. Mit Schreiben vom 25. Juni 1998 beantragte der Dienstvorgesetzte des Klägers beim Dezernat Personal die Verlängerung des Arbeitsverhältnisses bis zum 31. Dezember 1999, “da es Herrn Dr. B während seiner bisherigen Weiterbildung aus innerbetrieblichen Gründen nicht möglich war, alle für den Facharzt in der Diagnostischen Radiologie … geforderten Untersuchungen und Interventionen durchzuführen”. Daraufhin wurde das Arbeitsverhältnis mit Änderungsvertrag vom 13. Juli 1998 bis zum 31. Dezember 1999 verlängert. Als Befristungsgrund ist “§ 57b Abs. 2 Nr. 1 HRG (Aus-, Fort- oder Weiterbildung; Facharztausbildung)” angegeben. Mit Schreiben vom 23. November 1999 ersuchte der Direktor der Klinik für Diagnostische Radiologie den Leiter des Dezernats Personal, das Arbeitsverhältnis des Klägers nochmals um zwei Jahre zu verlängern oder ihm die Stelle eines wissenschaftlichen Assistenten befristet für drei Jahre zu übertragen. Am 21. Dezember 1999 unterzeichnete das beklagte Land einen befristeten Änderungsvertrag für die Zeit vom 1. Januar 2000 bis zum 31. Dezember 2000 mit dem Befristungsgrund “§ 57b Abs. 2 Nr. 1 HRG (Aus-, Fort- oder Weiterbildung; Facharztausbildung)”. Der Kläger unterschrieb den ihm übersandten Vertrag mit dem Zusatz “vorbehaltlich der Anlage”. Diese am 27. Dezember 1999 unterzeichnete Anlage lautet:

“Die Unterzeichnung des Arbeitsvertrages vom 21.12.99, geschlossen zwischen der Verwaltungsdirektorin der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und Dr. B , geschieht unter dem Vorbehalt einer dem Arbeitnehmer angebotenen weiteren Vertragslaufzeit wie im Schreiben von Herrn Prof. Dr. D , Direktor der Klinik für Diagnostische Radiologie vom 23.11.1999 an den Leiter des Dezernats Personal, Herrn P zum Ausdruck gebracht”.

Der zuständige Personaldezernent der Otto-von-Guericke-Universität teilte dem Kläger mit Schreiben vom 29. Dezember 1999 ua. mit:

“Ihre jetzige eingeschränkte Vertragsunterzeichnung akzeptiere ich nach alledem nicht. Vielmehr stelle ich anheim, von dem von Ihnen am 27.12.1999 unterzeichneten Änderungsvertrag zurückzutreten, wenn sie mit den Vertragsbedingungen nicht einverstanden sind. Sollten Sie hingegen ihre Arbeit entsprechend des in Rede stehenden Vertrages am 01.01.2000 fortsetzen, gehe ich davon aus, daß sie den Änderungsvertrag uneingeschränkt akzeptieren.”

Der Kläger setzte seine Tätigkeit dienstplanmäßig ab dem 1. Januar 2000 fort, ohne gegenüber dem beklagten Land weitere Erklärungen abzugeben.

Mit der am 21. Januar 2000 beim Arbeitsgericht Magdeburg eingegangenen Klage wandte sich der Kläger gegen die Wirksamkeit der im Arbeitsvertrag vom 13. Juli 1998 vereinbarten Befristung zum 31. Dezember 1999. Er hat die Auffassung vertreten, die Befristung sei wegen Überschreitens der Höchstbefristungsdauer von fünf Jahren gemäß § 57c Abs. 2 HRG unwirksam. Eine Verlängerung der Vertragslaufzeit nach § 57c Abs. 4 HRG sei erst zulässig, wenn nach Ablauf von fünf Jahren feststehe, daß die Anerkennung als Facharzt nicht erworben worden sei.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß die Befristung des Arbeitsvertrages vom 13. Juli 1998 zum 31. Dezember 1999 unwirksam ist und der Kläger in einem Beschäftigungsverhältnis auf unbestimmte Zeit steht.

Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, der am 13. Juli 1998 geschlossene Arbeitsvertrag unterliege nicht der Befristungskontrolle, weil für die Zeit vom 1. Januar 2000 bis zum 31. Dezember 2000 vorbehaltlos ein Folgevertrag abgeschlossen worden sei.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Feststellungsbegehren weiter. Das beklagte Land beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die im Arbeitsvertrag vom 13. Juli 1998 vereinbarte Befristung zum 31. Dezember 1999 unterliegt nicht der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle. Zwar hat der Kläger innerhalb von drei Wochen nach der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 1 Abs. 5 Satz 1 BeschFG Entfristungsklage erhoben. Die Befristung ist daher nicht nach § 1 Abs. 5 Satz 2 BeschFG iVm. § 7 KSchG wirksam geworden. Die Parteien haben jedoch am 1. Januar 2000 einen befristeten Folgevertrag für die Zeit bis zum 31. Dezember 2000 abgeschlossen. Dies steht der Befristungskontrolle des Vertrags vom 13. Juli 1998 entgegen. Die Parteien haben in diesem Vertrag keinen Vorbehalt vereinbart, der die Überprüfung der Wirksamkeit der im vorangegangenen Vertrag vereinbarten Befristung ermöglichte. Auf die Frage, ob die Vertragslaufzeit im Arbeitsvertrag vom 13. Juli 1998 wirksam nach § 57c Abs. 4 HRG verlängert wurde, kommt es daher nicht an.

  • Die im vorletzten Vertrag vom 13. Juli 1998 vereinbarte Befristung unterliegt nicht mehr der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle.

    • Nach der ständigen Senatsrechtsprechung (vgl. etwa 8. Mai 1985 – 7 AZR 191/84 – BAGE 49, 73 = AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 97, zu II der Gründe; 26. Juli 2000 – 7 AZR 43/99 – AP BeschFG 1985 § 1 Nr. 26 = EzA BeschFG 1985 § 1 Nr. 18, zu B I 1 der Gründe mwN) ist bei mehreren aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträgen im Rahmen der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle grundsätzlich nur die Befristung des letzten Vertrags auf ihre Wirksamkeit zu prüfen. Denn durch den vorbehaltlosen Abschluß eines befristeten Arbeitsvertrags stellen die Parteien ihre vertraglichen Beziehungen auf eine neue Grundlage, die künftig für ihre Rechtsbeziehungen allein maßgeblich ist. Damit wird zugleich ein etwaiges unbefristetes Arbeitsverhältnis aufgehoben. Dies gilt nicht, wenn die Parteien in einem nachfolgenden befristeten Vertrag dem Arbeitnehmer das Recht vorbehalten, die Wirksamkeit der vorangegangenen Befristung überprüfen zu lassen. In diesem Fall ist die arbeitsgerichtliche Befristungskontrolle auch für den davor liegenden Vertrag eröffnet (BAG 4. April 1990 – 7 AZR 259/89 – BAGE 65, 86 = AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 136 mwN; 10. Februar 1999 – 7 AZR 709/97 – nv., zu I 1 der Gründe).
    • Einen solchen Vorbehalt haben die Parteien in bezug auf den Vertrag vom 13. Juli 1998 nicht vereinbart. Vielmehr haben sie am 1. Januar 2000 vorbehaltlos einen befristeten Arbeitsvertrag für die Zeit vom 1. Januar 2000 bis zum 31. Dezember 2000 abgeschlossen.

      • Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe zwar auf der vom beklagten Land am 21. Dezember 1999 unterzeichneten Vertragsurkunde und der dort in Bezug genommenen Anlage einen Vorbehalt erklärt. Mit diesem Vorbehalt sei das beklagte Land ausweislich des Schreibens seines Personaldezernenten vom 29. Dezember 1999 jedoch nicht einverstanden gewesen, sondern habe dem Kläger anheimgestellt, von dem Änderungsvertrag zurückzutreten, wenn er mit den Vertragsbedingungen nicht einverstanden sei und darauf hingewiesen, daß bei einer Fortsetzung der Tätigkeit ab dem 1. Januar 2000 von einer einschränkungslosen Annahme des Vertrags ausgegangen werde. Da der Kläger ab dem 1. Januar 2000 ohne jegliche Erklärungen weitergearbeitet habe, sei ein Vorbehalt nicht vereinbart worden. Vielmehr habe der Kläger durch die Fortsetzung seiner Tätigkeit das Angebot des beklagten Landes auf Abschluß eines bis zum 31. Dezember 2000 befristeten Folgevertrags vorbehaltlos angenommen.
      • Diese Würdigung hält der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

        • Der Kläger hat den Antrag der Beklagten auf Abschluß eines befristeten Arbeitsvertrags vom 21. Dezember 1999 zwar unterzeichnet, aber gleichzeitig auf eine Anlage Bezug genommen und damit einen Vorbehalt erklärt. Mit dieser Erweiterung hat er den Antrag des beklagten Landes abgelehnt verbunden mit dem Angebot, den Vertrag mit dem Vorbehalt abzuschließen, § 150 Abs. 2 BGB. Diesen Antrag hat das beklagte Land nicht angenommen, sondern mit Schreiben seines Personaldezernenten vom 29. Dezember 1999 abgelehnt. Das Landesarbeitsgericht hat die Erklärungen in diesem Schreiben als erneuten Antrag des beklagten Landes an den Kläger, den Vertrag ohne den Vorbehalt abzuschließen, ausgelegt.
        • Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien liegen sog. nichttypische Willenserklärungen zugrunde, deren Auslegung in erster Linie dem Gericht der Tatsacheninstanz obliegt und die revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar ist, ob die gesetzlichen Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) richtig angewandt, allgemeine Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt oder für die Auslegung wesentliche Umstände außer Acht gelassen wurden (st. Rspr., vgl. etwa BAG 8. Juni 2000 – 2 AZR 207/99 – BAGE 95, 62 = AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 49, zu II 1a der Gründe). Rechtsfehler dieser Art sind dem Landesarbeitsgericht nicht unterlaufen. Insbesondere hat es entgegen der Auffassung der Revision die für die Auslegung maßgeblichen Umstände ausreichend berücksichtigt. Zwar ging der Personaldezernent des beklagten Landes offenbar rechtsirrtümlich davon aus, daß der Vertrag trotz des vom Kläger geäußerten Vorbehalts bereits abgeschlossen war. Denn der dem Kläger anheimgestellte Rücktritt vom Vertrag setzt eine bereits bestehende Vertragsbindung voraus. Dies steht der Auslegung des Schreibens als erneutes Vertragsangebot jedoch nicht entgegen. Denn dem weiteren Inhalt des Schreibens ist zu entnehmen, daß das beklagte Land an dem Vertragsangebot festhalten wollte und lediglich mit dem Vorbehalt nicht einverstanden war. Dies ergibt sich aus dem Hinweis darauf, daß eine Fortsetzung der Tätigkeit durch den Kläger ab dem 1. Januar 2000 als einschränkungslose Annahme des Änderungsvertrags gewertet werde.
        • Diesen Antrag des beklagten Landes hat der Kläger angenommen, indem er am 1. Januar 2000 seine Tätigkeit ohne weitere Erklärungen fortgesetzt hat. Einer ausdrücklichen Annahmeerklärung gegenüber dem beklagten Land bedurfte es dazu nicht. Nach § 151 Satz 1 BGB kommt ein Vertrag durch die Annahme des Antrags zustande, ohne daß diese gegenüber dem Antragenden erklärt werden muß, wenn der Antragende auf die Annahme ausdrücklich oder stillschweigend verzichtet hat. Einen solchen Verzicht hat das beklagte Land in dem Schreiben des Personaldezernenten vom 29. Dezember 1999 erklärt. Danach sollte allein die Fortsetzung der Tätigkeit durch den Kläger als Annahme gelten.
      • Im übrigen eröffnete der vom Kläger geäußerte Vorbehalt, auch wenn er vereinbart worden wäre, die Befristungskontrolle des Vertrags vom 13. Juli 1998 nicht. Eine Kontrolle des vorangegangenen Vertrags findet nur statt, wenn die Parteien den Folgevertrag unter dem Vorbehalt abgeschlossen haben, daß zwischen ihnen nicht bereits ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht. Einen Vorbehalt dieses Inhalts hat jedoch der Kläger selbst nicht erklärt. Der Vorbehalt des Klägers bezog sich auf eine im Schreiben von Prof. Dr. D in Aussicht gestellte längere Laufzeit eines befristeten Arbeitsvertrags, nicht aber auf das Bestehen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses.
    • Der Wirksamkeit des am 1. Januar 2000 abgeschlossenen Vertrags steht nicht entgegen, daß er nicht schriftlich vereinbart wurde. Zwar wird nach § 4 Abs. 1 BAT-O der Arbeitsvertrag schriftlich abgeschlossen. Dabei handelt es sich jedoch – anders als bei der für Nebenabreden geltenden Regelung in § 4 Abs. 2 BAT-O – nicht um ein konstitutives Schriftformerfordernis. Die mangelnde Schriftform führt daher nicht zur Unwirksamkeit des Arbeitsvertrags (BAG 15. März 1989 – 7 AZR 264/88 – AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 126 = EzBAT SR 2y Nr. 29, zu II 2a der Gründe zur inhaltsgleichen Bestimmung in § 4 BAT).
  • Da die im Vertrag vom 13. Juli 1998 vereinbarte Befristung somit der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle nicht unterliegt, kommt es auf die Frage, ob die dort vereinbarte Befristung wegen Überschreitens der Höchstbefristungsgrenze von fünf Jahren nach § 57c Abs. 2 HRG unwirksam ist oder ob die Vertragslaufzeit wirksam nach § 57c Abs. 4 HRG verlängert wurde, nicht an.
  • Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
 

Unterschriften

Dörner, Gräfl, Jens Herbst, Koch

zugleich für den wegen Ereichens der Altersgrenze ausgeschiedenen

Richter Dr. Steckhan

 

Fundstellen

Haufe-Index 840630

DB 2002, 2385

ARST 2003, 43

NZA 2003, 64

SAE 2003, 178

AP, 0

EzA-SD 2002, 9

ArbRB 2002, 355

BAGReport 2003, 38

NJOZ 2003, 1913

SPA 2002, 7

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