Entscheidungsstichwort (Thema)

Negativer Kompetenzkonflikt zw. Arbeits- u. Sozialgericht

 

Leitsatz (amtlich)

  • Das Bestimmungsverfahren des § 36 Nr. 6 ZPO ist auch bei einem negativen Kompetenzkonflikt zwischen einem Arbeitsgericht und einem Sozialgericht anzuwenden.
  • Im Falle eines solchen Kompetenzkonflikts hat derjenige den streitenden Gerichten übergeordnete oberste Gerichtshof des Bundes den Zuständigkeitsstreit zu entscheiden, der zuerst darum angegangen wird (im Anschluß an BAG 23, 167 = AP Nr. 8 zu § 36 ZPO).
 

Normenkette

ZPO § 36 Nr. 6; ArbGG § 48a; SGG § 52; VWGO § 41; GG Art. 92

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Beschluss vom 07.10.1983; Aktenzeichen 6 Ca 4706/83)

 

Tenor

Als zuständiges Gericht wird das Sozialgericht Düsseldorf bestimmt.

 

Tatbestand

I. Der Kläger forderte mit einer beim Arbeitsgericht Düsseldorf erhobenen Klage von der Beklagten für die Zeit vom 1. August bis 31. Dezember 1981 den ihm “zustehenden Arbeitgeberanteil zur Rentenversicherung von 407,-- DM monatlich”, zusammen also 2.035,-- DM. Er verwies darauf, daß die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte ihn durch Beschluß vom 13. April 1966 nach Art. 2 § 1 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) vom 23. Februar 1957 in der Fassung des Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes (RVÄndG) vom 9. Juni 1965 (BGBl. I S. 476) vom 1. Juli 1965 an von der Versicherungspflicht befreit habe. Die Beklagte sei aber, so meint der Kläger, verpflichtet, Aufwendungen für eine private Altersvorsorge in Höhe des bei bestehender Versicherungspflicht anfallenden Arbeitgeberanteils zu erstatten.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 26. Februar 1982 den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt; es hat auf den Hilfsantrag des Klägers die Sache an das Sozialgericht Düsseldorf verwiesen. Das Sozialgericht Düsseldorf hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 9. Juni 1983 auf Bedenken gegen den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit hingewiesen. Der Kläger hat daraufhin vor diesem Gericht beantragt, die Streitsache an das Arbeitsgericht zu verweisen. Durch Urteil vom 9. Juni 1983 hat das Sozialgericht Düsseldorf den Rechtsweg in der Sozialgerichtsbarkeit für unzulässig erklärt und die Sache an das Arbeitsgericht Düsseldorf verwiesen. Das Arbeitsgericht Düsseldorf wiederum hat sich durch Beschluß vom 7. Oktober 1983 geweigert, die Sache zu übernehmen; es hat die Sache dem Bundesarbeitsgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe

II. Zuständiges Gericht ist das Sozialgericht Düsseldorf.

1. Zwischen dem Arbeitsgericht Düsseldorf und dem Sozialgericht Düsseldorf ist ein negativer Kompetenzkonflikt entstanden. Beide Gerichte haben sich rechtskräftig für unzuständig erklärt. Das Arbeitsgericht ist nach § 48a Abs. 3 Satz 1 ArbGG verfahren, das Sozialgericht nach § 52 Abs. 3 Satz 1 SGG. Beide Gerichte haben den Rechtsweg für unzulässig erklärt und zugleich auf Antrag des Klägers die Sache an das Gericht des ersten Rechtszugs, zu dem sie jeweils den Rechtsweg für gegeben hielten, verwiesen. Gegen beide Urteile hat der Kläger kein Rechtsmittel eingelegt.

2. Der entstandene negative Kompetenzkonflikt läßt sich nur durch eine entsprechende Anwendung der Vorschriften über das Bestimmungsverfahren nach § 36 Nr. 6 ZPO sachgerecht lösen. Unmittelbar anwendbar ist § 36 Nr. 6 ZPO nur dann, wenn beiden streitenden Gerichten ein anderes Gericht gemeinsam übergeordnet ist. Das ist hier nicht der Fall. Zwischen einem Arbeitsgericht und einem Sozialgericht fehlt es an einem solchen gemeinsamen übergeordneten Gericht.

§ 36 Nr. 6 ZPO ist jedoch entsprechend anzuwenden auf einen negativen Kompetenzkonflikt zwischen einem Arbeitsgericht und einem Sozialgericht. Eine solche entsprechenden Anwendung ist anerkannt für Kompetenzkonflikte zwischen den ordentlichen Gerichten und den Gerichten für Arbeitssachen (ständige Rechtsprechung von Bundesarbeitsgericht und Bundesgerichtshof, vgl. BAG Beschluß vom 29. September 1976 – 5 AR 232/76 – AP Nr. 20 zu § 36 ZPO, zu II 1 der Gründe, mit weiteren Nachweisen; BGHZ 17, 168 ff. und 44, 14, 15). Allerdings behandelt das Gesetz diesen Kompetenzkonflikt als Frage der sachlichen Zuständigkeit (§ 48 Abs. 1 ArbGG). Sie ist auch geboten in einem negativen Kompetenzkonflikt zwischen Gerichten, zu denen jeweils ein eigener Rechtsweg eröffnet wird. Das hat das Bundesarbeitsgericht bereits für einem Kompetenzkonflikt zwischen einem Arbeitsgericht und einem Verwaltungsgericht entschieden (BAG 23, 167 = AP Nr. 8 zu § 36 ZPO mit zust. Anm. von Redeker; zustimmend auch Me??*, SAE 1971, 252). Der negative Kompetenzkonflikt zwischen den Gerichten für Arbeitssachen und denen der besonderen oder allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit muß gelöst werden. Eine Weigerung, das zuständige Gericht zu bestimmen, käme einer Rechtsverweigerung gleich, die mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar wäre. Die Einheit der rechtsprechenden Gewalt (Art. 92 GG) erfordert ein Verfahren, in dem bei negativen Kompetenzkonflikten der vorliegenden Art die Zuständigkeit bestimmt werden kann.

3. Für eine Bestimmung des zuständigen Gerichts kommen die obersten Gerichtshöfe des Bundes in Betracht, die den Gerichtszweigen der am negativen Kompetenzkonflikt beteiligten unteren Gerichte angehören (vgl. Redeker, aaO, zu 1 der Anm.). Im vorliegenden Fall sind das entweder das Bundesarbeitsgericht oder das Bundessozialgericht. Von diesen beiden Gerichtshöfen muß derjenige Gerichtshof das zuständige Gericht bestimmen, der um diese Bestimmung zuerst ersucht wird. Dies ist eine Verfahrensregel, die der Bundesgerichtshof und das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung bei Kompetenzkonflikten dieser Art entwickelt haben (vgl. die Nachweise oben zu II 2).

4. In diesen Bestimmungsverfahren ist die bindende Wirkung eines Urteils zu beachten, in dem das zunächst angegangene Gericht die Zulässigkeit die zu ihm beschrittenen Rechtswegs nicht für gegeben gehalten und die Sache an das Gericht des ersten Rechtszugs verwiesen hat, das es für zuständig hält. Für Arbeitsgerichte bestimmt § 48a Abs. 1 Satz 2 ArbGG: Hat ein Gericht für Arbeitssachen den Rechtsweg rechtskräftig für unzulässig erklärt, so kann ein anderes Gericht in derselben Sache seine Gerichtsbarkeit nicht deshalb verneinen, weil es den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für gegeben hält. Das Sozialgericht Düsseldorf hätte in derselben Sache seine Zuständigkeit nicht deshalb verneinen dürfen, weil es den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für gegeben hielt. Die Zurückverweisung der Sache an das Arbeitsgericht Düsseldorf verstieß gegen § 48a Abs. 1 Satz 2 ArbGG. Eine entsprechende Regelung findet sich sowohl in § 41 Abs. 1 Satz 2 VWGO als auch in § 52 Abs. 1 Satz 2 SGG.

Diese bindende Wirkung muß nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesgerichtshofs auch in Bestimmungsverfahren des § 36 Nr. 6 ZPO beachtet werden (vgl. BAG 23, 167 = AP Nr. 8 zu § 36 ZPO; AP Nr. 20 zu § 36 ZPO, zu I 2 der Gründe, mit weiteren Nachweisen; BAG Beschluß vom 11. Januar 1982 – 5 AR 221/81 – AP Nr. 27 zu § 36 ZPO, zu I 1 der Gründe; ebenso BGHZ 17, 168 und 28, 349, 350). Nur so lassen sich Streitigkeiten über die Zuständigkeit vermeiden. Die Zuständigkeitsfrage soll nur einmal vom verweisenden Gericht geprüft werden. An diese Beurteilung ist das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen wurde, gebunden. Ob das Arbeitsgericht Düsseldorf den Rechtsweg zutreffend beurteilt hat, ist in diesem Verfahren nicht zu entscheiden.

Ob eine Rückverweisung nach Klageänderung möglich wäre, kann ebenfalls offenbleiben (ablehnend BAG 23, 167 = AP Nr. 8 zu § 36 ZPO, zu 3 der Gründe, mit ablehnender Anm. von Redeker, aaO zu 2). Der Streitgegenstand hat sich im vorliegenden Verfahren nicht geändert; der Antrag und seine rechtliche Begründung sind gleichgeblieben.

 

Unterschriften

Dr. Thomas, Dr. Heither, Schneider

 

Fundstellen

Haufe-Index 1766806

JZ 1985, 400

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