Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit der Revision

 

Leitsatz (amtlich)

  • Die Revision gegen einen nach dem 1. Juli 1990 aber vor Herstellung der Einheit Deutschlands ergangenen Beschluß des Bezirksgerichts, durch den die Berufung als offensichtlich unbegründet abgewiesen wurde, ist seit dem Wirksamwerden des Beitritts nicht mehr statthaft.
  • Nach dem Recht der früheren DDR mußten die Prozeßparteien sich bei Einlegung der Revision durch Rechtsanwälte vertreten lassen. Hat die Partei ohne Vertretung durch einen Rechtsanwalt die Revision eingelegt, muß sie die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels selbst tragen.
 

Normenkette

ArbGG § 72 Abs. 1, § 74 Abs. 2; ZPO § 97 Abs. 1, § 554a Abs. 1; EinigVtr Art. 8, Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1y Abs. 2, Nrn. 28i, 28j; ZPO-DDR n.F. § 148 Abs. 1, §§ 151, 152 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, § 160 Abs. 1-3, 5, § 161 Abs. 1; ZPO-DDR a.F. § 157 Abs. 3, § 160 Abs. 1

 

Verfahrensgang

BezirksG Suhl (Beschluss vom 09.07.1990; Aktenzeichen BAB 30/90)

KreisG Suhl (Urteil vom 07.06.1990; Aktenzeichen A 125/90)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen den Beschluß des Bezirksgerichts Suhl in Meiningen vom 9. Juli 1990 – BAB 30/90 – wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

 

Gründe

I. Die Klägerin war vom 1. bis zum 30. November 1989 bei dem Beklagten als Betriebsabrechnerin und Verkäuferin beschäftigt. Mit der Klage begehrt sie die Abgeltung von 9,5 Urlaubstagen. Das Kreisgericht hat die Klage abgewiesen. Durch Beschluß vom 9. Juli 1990 hat das Bezirksgericht die Berufung der Klägerin als offensichtlich unbegründet abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Gegen diesen Beschluß wendet die Klägerin sich mit der am 2. August 1990 beim Bezirksgericht eingegangenen Revision, die sie persönlich eingelegt hat.

II. Die Revision war als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht statthaft ist (§ 74 Abs. 2 ArbGG in Verb. mit § 554a Abs. 1 ZPO). Der Senat hat in dem nach Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1y Abs. 2 des Einigungsvertrags (BGBl II 1990, S. 921, 927) auf das Bundesarbeitsgericht übergegangenen Verfahren gemäß § 74 Abs. 2 Satz 3 ArbGG ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter entschieden.

Der Beschluß des Bezirksgerichts konnte nicht mit der Revision angefochten werden. Gemäß § 72 Abs. 1 ArbGG findet die Revision nur gegen Endurteile statt, nicht aber gegen Beschlüsse und somit auch nicht gegen den angefochtenen urteilsersetzenden Beschluß nach dem unverändert gebliebenen § 157 Abs. 3 ZPO-DDR a.F. (GBl DDR I 1975, S. 533, 556).

§ 72 Abs. 1 ArbGG ist anzuwenden. Mit Wirksamwerden des Beitritts der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland richtet sich die Zulässigkeit eines eingelegten Rechtsmittels gemäß Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 28i des Einigungsvertrags (aaO, S. 937) nach den durch Art. 8 des Einigungsvertrags (aaO, S. 892) in Kraft gesetzten Vorschriften. Die Zulässigkeit einer Revision im arbeitsgerichtlichen Verfahren bestimmt sich somit grundsätzlich nach den Bestimmungen des Arbeitsgerichtsgesetzes und der Zivilprozeßordnung.

Die Revision ist nicht deshalb statthaft, weil nach § 160 Abs. 1 Satz 1 ZPO-DDR n.F. (GBl DDR I 1990, S. 547, 564) gegen verfahrensbeendende Beschlüsse Revision eingelegt werden konnte. Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 28i Satz 2 des Einigungsvertrags (aaO) bestimmt, daß abweichende Formvorschriften nicht zur Unzulässigkeit führen, wenn ein Rechtsmittel bereits unter Beachtung der Formvorschriften des Rechts der Deutschen Demokratischen Republik eingelegt ist. Bei der Regelung in § 160 Abs. 1 Satz 1 ZPO-DDR n.F. handelte es sich nicht um eine Formvorschrift.

III. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen. Die Kostentragungspflicht der Staatskasse nach Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 28j des Einigungsvertrags (aaO) scheidet aus, weil das Rechtsmittel schon nach dem Recht der Deutschen Demokratischen Republik unzulässig war.

1. Die Klägerin hat die Revision ohne Hinzuziehung eines Rechtsanwalts eingelegt.

Gemäß § 160 Abs. 5 ZPO-DDR n.F. waren die Prozeßparteien verpflichtet, sich im Revisionsverfahren durch Rechtsanwälte vertreten zu lassen. Dies galt auch für die Einlegung der Revision.

Dem steht § 160 Abs. 3 ZPO-DDR n.F. nicht entgegen. Dort ist bestimmt, daß die Prozeßparteien zur Stellung des Revisionsantrags berechtigt sind. Dadurch werden nicht die Antragstellung und die mit ihr regelmäßig zeitlich zusammenfallende Einlegung der Revision (vgl. § 161 Abs. 1 in Verb. mit § 151, § 152 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 ZPO-DDR n.F.) vom Vertretungszwang ausgenommen. § 160 Abs. 3 ZPO-DDR n.F. regelt, welchen Personen das Rechtsmittel der Revision zusteht und erweitert insbesondere den Kreis der Rechtsmittelberechtigten gegenüber dem früheren Kassationsverfahren, von dem die Parteien ausgeschlossen waren (§ 160 Abs. 1 ZPO-DDR a.F., GBl DDR I 1975, S. 533, 556). Über die Form der Revisionseinlegung besagt die Bestimmung hingegen nichts. Insoweit gilt allein § 160 Abs. 5 ZPO-DDR n.F., der für das gesamte Revisionsverfahren den Vertretungszwang anordnet. Dieses beginnt mit der Einlegung des Rechtsmittels. Insoweit gilt das gleiche wie im Berufungsverfahren (vgl. § 161 Abs. 1 in Verb. mit § 148 Abs. 1 Satz 1, § 151 ZPO-DDR n.F.).

2. Die Revision war aber auch deshalb nach dem bisherigen Recht der Deutschen Demokratischen Republik unzulässig, weil sie weder im Beschluß des Bezirksgerichts zugelassen ist noch den Beschwerdewert von 10.000,-- DM übersteigt (vgl. § 160 Abs. 2 ZPO-DDR n.F.). Eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts über die Zulassung der Revision – ihre Zulässigkeit im übrigen unterstellt – käme nicht in Betracht. Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 28i Satz 3 des Einigungsvertrags (aaO, S. 937) greift nicht ein. Diese Regelung setzt voraus, daß das Rechtsmittel erstmals von der Zulassung abhängig ist (vgl. BT-Drucks. 11/7817 vom 10. September 1990, S. 32). Das ist vorliegend nicht der Fall. Die Revision war nicht erst vom Tag des Wirksamwerdens des Beitritts (3. Oktober 1990) an von ihrer Zulassung durch das Berufungsgericht abhängig, sondern bereits seit 1. Juli 1990 (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 ZPO-DDR n.F.).

 

Unterschriften

Michels-Holl, Dr. Leinemann, Dr. Peifer

 

Fundstellen

Haufe-Index 839247

BAGE, 64

BB 1991, 1793

JR 1991, 440

RdA 1991, 320

ZIP 1991, 1102

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