1 Leitsatz

Es handelt sich auch dann um eine Streitigkeit nach § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG, wenn ein unter diese Vorschrift fallendes Recht von einem Rechtsnachfolger geltend gemacht wird (hier: Regressprozess des Hausratversicherers). Der verschuldensunabhängige, nachbarrechtliche Anspruch aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog kommt auch im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander in Betracht. Angesichts der Betroffenheit der zwischen den Wohnungseigentümern bestehenden Treue- und Rücksichtnahmepflichten handelt es sich regelmäßig um eine WEG-Streitigkeit.

2 Normenkette

§ 43 Abs. 2 WEG

3 Das Problem

Im Jahr 2017 tritt aus der Wohnung des B Wasser aus (ggf. aus einer Geschirrspülmaschine) und es kommt – das ist noch unklar – durch das Wasser wohl zu Schäden in der Wohnung von Wohnungseigentümer V, der beim Hausratsversicherer K versichert ist. K zahlt an V für Schäden 6.500 EUR. Diese Summe verlangt K kraft gesetzlicher Übertragung der Forderung nach § 86 VVG von B ersetzt. Fraglich ist, ob es sich bei diesem Rechtsstreit um eine WEG-Streitigkeit handelt.

4 Die Entscheidung

Das LG bejaht die Frage! Die sachliche Zuständigkeit für die WEG-Streitigkeiten i. S. v. § 43 Abs. 2 WEG bestimme § 23 Nr. 2 Buchstabe c) GVG. Danach umfasse die Zuständigkeit der Amtsgerichte in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstands Streitigkeiten nach § 43 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 4 WEG. Diese Zuständigkeit sei ausschließlich. Die Wohnungseigentümer könnten die Zuständigkeit des Landgerichts also weder vereinbaren noch durch rügelose Verhandlung begründen. Es handele sich auch dann um eine Streitigkeit nach § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG, wenn ein unter diese Vorschrift fallendes Recht von einem Rechtsnachfolger geltend gemacht werde (Hinweis u. a. auf Hügel/Elzer, WEG, 3. Auflage, § 43 Rn. 53).

Zwar fielen Rechtsstreitigkeiten von Wohnungseigentümern untereinander wegen der Beschädigung von Allein- oder Sondereigentum nicht unter § 43 Abs. 2 Nr. 1 WEG. Etwas anderes gelte aber, wenn die gegenseitigen Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer betroffen seien. Eine solche Betroffenheit der gegenseitigen Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer sei im Fall anzunehmen. Geltend gemacht seien hier neben deliktischen Ansprüchen, die aber – was naheliegen dürfte – mangels Verschuldens zu verneinen sein könnten, insbesondere verschuldensunabhängige Anspruchsgrundlagen aus nachbarrechtlichen Vorschriften des BGB, also insbesondere aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog. Dieses Ergebnis stehe auch in Übereinklang mit der sonstigen BGH-Rechtsprechung. Denn z. B. auch die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen aufgrund einer behaupteten Verletzung der zwischen den Wohnungseigentümern bestehenden Treue- und Rücksichtnahmepflichten sei eine WEG-Streitigkeit.

5 Hinweis

Problemüberblick

Im Vordergrund des Falls steht die Frage, welches Gericht dazu berufen ist, den Rechtsstreit zwischen der Versicherung eines Wohnungseigentümers und einem Wohnungseigentümer, der gegebenenfalls dem Versicherten einen Schaden zugefügt hat, zu entscheiden.

Örtliche Zuständigkeit: Gemeinschaft der Wohnungseigentümer

Will ein Gläubiger die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verklagen, ist das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk das Grundstück liegt. Bei diesem Gericht kann nach § 43 Abs. 1 Satz 2 WEG auch die Klage gegen Wohnungseigentümer oder ehemalige Wohnungseigentümer im Fall des § 9a Abs. 4 Satz 1 WEG erhoben werden. Dieser Gläubiger kann einen mithaftenden Wohnungseigentümer oder einen mithaftenden ehemaligen Wohnungseigentümer aber auch an dessen allgemeinem Gerichtsstand verklagen. Für sämtliche anderen Klagen eines Dritten gegen einen Wohnungseigentümer ist das Gericht zuständig, an dem der Wohnungseigentümer seinen allgemeinen Gerichtsstand hat.

Dies gilt auch dann, wenn sich die Klage auf das Sondereigentum eines Wohnungseigentümers bezieht, z. B. das Sondereigentum betreffende Vergütungsansprüche eines Sondereigentumsverwalters, Vergütungsansprüche eines Rechtsanwalts in einer WEG-Sache oder den Auflassungsanspruch aus einem Kaufvertrag mit einem Wohnungseigentümer, aber auch Werk- oder Dienstverträge mit einem Wohnungseigentümer in Bezug auf das Sondereigentum oder Versorgerverträge. Ferner liegt es so bei der Klage eines Grundstückseigentümers gegen den oder die Wohnungserbbauberechtigten.

Örtliche Zuständigkeit: Binnenstreitigkeiten (§ 43 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 4 WEG)

Für eine Binnenstreitigkeit, also einen Rechtsstreit, der § 43 Abs. 2 WEG unterfällt ("WEG-Streitigkeit"), ist das Gericht örtlich ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk das Grundstück liegt. Für Verfahren, die Bezug auf eine WEG-Streitigkeit haben, kann das entsprechend gelten.

Überblick:

  • Arrest: Für die Anordnung des Arrests ist nach § 919 ZPO sowohl das Gericht der Hauptsache als auch das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk sich der mit dem Arrest zu belegende Gegenstand oder die in ihrer persönlichen Freiheit zu beschränkende Person befindet. Als Gericht der Hauptsache ist nach § 943 Abs. 1 ZPO das Gericht des ersten Rech...

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