Leitsatz

Eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit gem. § 9 Abs. 1 Satz 1 GBBerG entsteht kraft Gesetzes. Das Versorgungsunternehmen ist verpflichtet, einen einmaligen Ausgleich für das Recht zu zahlen. Inhaber des Ausgleichsanspruchs ist der Eigentümer. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Begründung der Dienstbarkeit.

 

Normenkette

§ 10 Abs. 6 Satz 3 WEG

 

Das Problem

  1. In den Jahren 1999 und 2000 erwerben E1 bis E10 ein Berliner Grundstück zu Miteigentum und teilen es anschließend nach dem Wohnungseigentumsgesetz auf. Bei der Bebauung stellen E1 bis E10 fest, dass auf dem Grundstück eine Kabelkanalrohrtrasse der früheren Deutschen Post mit Leitungen der B verläuft. Unternommen wird nichts.
  2. Am 22.1.2010 wird zugunsten der B eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit (Leitungs- und Anlagenrecht) als Gesamtrecht in den Wohnungsgrundbüchern von E1 bis E10 eingetragen. Mit einer Klage will die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer feststellen lassen, dass sie aus eigenem Recht eine Ausgleichszahlung gem. § 9 Abs. 3 und Abs. 11 Nr. 1 Grundbuchbereinigungsgesetz (GBBerG) verlangen kann. Hilfsweise stützt sich die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf Ermächtigungen der Wohnungseigentümer.

    § 9 GBBerG

    (1) Zum Besitz und Betrieb sowie zur Unterhaltung und Erneuerung von Energieanlagen (Anlagen zur Fortleitung von Elektrizität, Gas und Fernwärme, einschließlich aller dazugehörigen Anlagen, die der Fortleitung unmittelbar dienen) auf Leitungstrassen, die am 3.10.1990 in dem in Art. 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet genutzt waren, wird zugunsten des Versorgungsunternehmens (Energieversorgungsunternehmen i.S.d. Energiewirtschaftsgesetzes und Fernwärmeversorgungsunternehmen), das die jeweilige Anlage bei Inkrafttreten dieser Vorschrift betreibt, am Tage des Inkrafttretens dieser Vorschrift eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit an den Grundstücken begründet, die von der Energieanlage in Anspruch genommen werden.

    […]

    (3) Das Versorgungsunternehmen ist verpflichtet, dem Eigentümer des nach Abs. 1 mit dem Recht belasteten Grundstücks … einen einmaligen Ausgleich für das Recht zu zahlen. Dieser Ausgleich bestimmt sich nach dem Betrag, der für ein solches Recht allgemein üblich ist. Die 1. Hälfte dieses Betrags ist unverzüglich nach Eintragung der Dienstbarkeit zugunsten des Versorgungsunternehmens und Aufforderung durch den Grundstückseigentümer, frühestens jedoch am 1.1.2001 zu zahlen, die 2. Hälfte wird am 1.1.2011 fällig.

    […]

    (11) Die Abs. 1 bis 10 und die auf ihrer Grundlage erlassenen Verordnungen gelten entsprechend für

    1. Telekommunikationsanlagen der früheren Deutschen Post,

    […]

  3. Die Vorinstanzen weisen die Klage ab. Das Berufungsgericht hält den Zeitpunkt der Begründung der Dienstbarkeit (den 1.8.1996) für maßgeblich. Dagegen sieht die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer denjenigen als Anspruchsinhaber an, der im Zeitpunkt des 1. Zahlungstermins Eigentümer ist. Mit der Revision verfolgt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ihren Feststellungsantrag weiter.
 

Die Entscheidung

  1. Ohne Erfolg! Die Klage sei zulässig. Allerdings stünden die behaupteten Ansprüche den Wohnungseigentümern zu. Inhaber eines möglichen Ausgleichsanspruchs gem. § 9 Abs. 3, Abs. 11 Nr. 1 GBBerG seien die Wohnungseigentümer als Miteigentümer des belasteten Grundstücks. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer dürfe den Anspruch aber im eigenen Namen einklagen. Die Gemeinschaft handle in gesetzlicher Prozessstandschaft. Insoweit "dürfte" eine (geborene) Ausübungsbefugnis gem. § 10 Abs. 6 Satz 3 1. Halbsatz WEG anzunehmen sein (Hinweis auf BGH v. 17.10.2010, V ZR 125/10, NJW 2011 S. 1351 Rn. 7); jedenfalls sei die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gem. § 10 Abs. 6 Satz 3 2. Halbsatz WEG zur "gebündelten Rechtsverfolgung" befugt, nachdem die Wohnungseigentümer sie ausnahmslos zur Geltendmachung ihrer individuellen Ansprüche ermächtigt hätten.
  2. Die Klage sei aber unbegründet. Zwar seien die Voraussetzungen für einen Ausgleichsanspruch "an sich" gegeben. Die beschränkte persönliche Dienstbarkeit sei zugunsten B's gem. § 9 Abs. 1 Satz 1, Abs. 11 Nr. 1 GBBerG entstanden. Die "Mitglieder der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer" seien jedoch nicht Inhaber des Anspruchs. Inhaber des Ausgleichsanspruchs sei der "Eigentümer". Abzustellen sei auf den Zeitpunkt der Begründung der Dienstbarkeit – hier also auf den 1.8.1996.
 

Kommentar

Anmerkung
  1. In der Regel entstehen Belastungen eines in Wohnungseigentum aufgeteilten Grundstücks nicht von Gesetzes wegen. Will ein Dritter eine Dienstbarkeit, muss er sich an die Wohnungseigentümer wenden. Nur ihre Zustimmung – die nicht beschlossen werden kann – ermöglicht es ihm, die Dienstbarkeit in die Wohnungsgrundbücher eintragen zu lassen.
  2. Dem BGH ist zuzustimmen, dass es sich bei einem Ausgleichsanspruch – wie bei einem Anspruch auf Schadensersatz – um ein gemeinschaftsbezogenes Recht handelt.

Was ist für den Verwalter wichtig?

Hätte die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Erfolg gehabt, handelte es sich um eine Einnahme. Wie mit dies...

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