2.1 Allgemeiner Gleichbehandlungsgrundsatz

 

Rz. 7

§ 4 TzBfG konkretisiert den von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.[1] Nach ständiger Rechtsprechung des BAG gebietet es dieser Grundsatz dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern gleich zu behandeln, soweit sie sich in gleicher oder vergleichbarer Lage befinden. Verboten ist nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern vor allem eine sachfremde Gruppenbildung (BAG, Urteil v. 17.11.1998, 1 AZR 147/98[2]). Sachfremd ist eine Differenzierung dann, wenn es für sie keine billigenswerten Gründe gibt.

 
Hinweis

Im Bereich der Arbeitsvergütung ist er trotz des Vorrangs der Vertragsfreiheit anwendbar, wenn Arbeitsentgelte durch eine betriebliche Einheitsregelung generell angehoben werden und der Arbeitgeber die Leistungen nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt, indem er bestimmte Voraussetzungen oder Zwecke festlegt (BAG, Urteil v. 15.7.2009, 5 AZR 486/06[3]).

Liegt ein billigenswerter Grund nicht vor, so kann der übergangene Arbeitnehmer verlangen, nach Maßgabe der allgemeinen Regelung behandelt zu werden; der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Regel auf alle Arbeitnehmer anzuwenden und diese entsprechend zu begünstigen. Der benachteiligte Arbeitnehmer hat Anspruch auf die vorenthaltene Leistung (BAG, Urteil v. 14.8.2007, 9 AZR 943/06[4]). Diese Grundsätze gelten auch für Leistungen, die der Arbeitgeber freiwillig gewährt (BAG, Urteil v. 6.12.1995, 10 AZR 198/95[5]).

 

Rz. 8

Für die Beurteilung von Schlechterstellungen teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer gegenüber Vollzeitbeschäftigten und von befristet beschäftigten Arbeitnehmern gegenüber unbefristet beschäftigten Arbeitnehmern ist § 4 TzBfG die speziellere und damit vorrangige Regelung.[6]

[1] ErfK/Preis, 20. Aufl. 2020, § 4 TzBfG, Rz. 13; MünchKomm/Müller-Glöge, Bd. 5, 8. Aufl. 2020, § 4 TzBfG, Rz. 17.
[2] NZA 1999, 606.
[3] NZA 2009, 1202.
[4] NZA 2008, 99.
[5] NZA 1996, 1027, Rz. 27.
[6] Meinel/Heyn/Herms/Herms, TzBfG, 5. Aufl. 2015, § 4 TzBfG, Rz. 15; wohl auch Annuß/Thüsing/Thüsing, TzBfG, 3. Aufl. 2012, § 4 TzBfG, Rz. 16 "modifizierender Sonderfall des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes" und ErfK/Preis, 20. Aufl. 2020, § 4 TzBfG, Rz. 13 "konkretisiert die Norm den allg. Gleichbehandlungsgrds".

2.2 Allgemeiner Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG)

 

Rz. 9

Das Verbot der schlechteren Behandlung teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG ist ein gesetzlich geregelter Sonderfall des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG (BAG, Urteil v. 24.6.2004, 6 AZR 746/06[1]). § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG ist deshalb im Lichte des Art. 3 Abs. 1 GG auszulegen (BAG, Urteil v. 25.4.2007, 6 AZR 746/06[2]). Bejaht man die Anwendung von Art. 3 Abs. 2 GG bei mittelbaren Diskriminierungen[3], kann es in den Fällen zu Überschneidungen kommen, in denen mit der Ungleichbehandlung i. S. v. § 4 TzBfG eine Diskriminierung wegen des Geschlechts einhergeht.[4]

Der 8. Senat des BAG hat am 28.10.2021 dem EuGH Fragen zur Geschlechtsdiskriminierung und auch zur Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten vorgelegt.[5] Gegenstand ist u. a., ob Art. 157 A EUV sowie Art. 2 Abs. 1 Buchst. b und Art. 4 Satz 1 der Richtlinie 2006/54/EG zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen so auszulegen sind, dass eine nationale tarifvertragliche Regelung, nach der die Zahlung von Überstundenzuschläge nur für Arbeitsstunden vorgesehen ist, die über die regelmäßige Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers hinaus gearbeitet werden,[6] eine Ungleichbehandlung von Vollzeitbeschäftigten und Teilzeitbeschäftigten enthält.[7]

[1] ZTR 2005, 41.
[2] NZA 2007, 881.
[3] Dafür ErfK/Preis, 20. Aufl. 2206, § 4 TzBfG, Rz. 17; dagegen Annuß/Thüsing/Thüsing, TzBfG, 3. Aufl. 2012, § 4 TzBfG, Rz. 18.
[4] Zur möglichen Anwendung von Art. 141 EG (jetzt Art. 157 AEUV) neben § 4 TzBfG HK-TzBfG/Joussen, 6. Aufl. 2019, § 4 TzBfG, Rz. 14. Nach MünchKomm/Müller-Glöge, Bd. 5, 8. Aufl. 2020, § 4 TzBfG, Rz. 16, sind denkbare Fälle der mittelbaren Diskriminierung anhand des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes bzw. bei kollektivrechtlichen Regelungen anhand des Gleichheitssatzes oder Art. 141 EG (jetzt Art. 157 AEUV) oder dem AGG zu entscheiden.
[6] Vgl. hierzu Rz. 31.
[7] Art. 4 Satz 1 RL 2006/54/EG gibt vor, dass bei gleicher Arbeit oder bei einer Arbeit, die als gleichwertig anerkannt wird, mittelbare und unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts "in Bezug auf sämtliche Entgeltbestandteile und -bedingungen beseitigt" wird.

2.3 Einfachrechtliche arbeitsrechtliche Benachteiligungsverbote

 

Rz. 10

§ 4 TzBfG ist im Verhältnis zu den einfachrechtlichen arbeitsrechtlichen Benachteiligungsverboten des AGG und § 75 Abs. 1 BetrVG die speziellere Norm, soweit es um die spezifische Ungleichbehandlung von Teilzeit- und befristet Beschäftigten geht.[1]

Ein Anspruch aus dem Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) kann n...

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