Tenor

1. Das vorliegende Verfahren wird gemäß Artikel 100 Abs. 1 Grundgesetz ausgesetzt.

2. Es wird die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eingeholt, ob § 8 Abs. 2 des Gesetzes über Sonderurlaub für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Jugendarbeit in der Fassung vom 11. Februar 1994 (Gesetz und Verordnungsblatt für das Land Hessen Teil I Nr. 7 vom 17. März 1994) mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

 

Tatbestand

A) Der Beklagte war seit 01.09.1975 als Chemielaborant bei der Klägerin tätig. Er schied zum 30.06.1992 dort aus. Sein Gehalt belief sich zuletzt auf ca. 5.000,– DM brutto monatlich.

Der Beklagte erhielt von der Klägerin im Laufe seiner Beschäftigungszeit immer wieder bezahlten Sonderurlaub als Jugendbetreuer nach dem hessischen Gesetz über Sonderurlaub für Jugendbetreuer.

Seit 1983 jedoch teilte die Klägerin dem Beklagten in den jeweiligen Billigungsschreiben mit, daß die Gehaltszahlungen nur unter dem Vorbehalt der Rechtswirksamkeit des hessischen Gesetzes über Sonderurlaub für Jugendbetreuer erbracht würden. Für den Fall der Rechtsunwirksamkeit des Gesetzes behielt sich die Klägerin entsprechende Rückzahlungsforderungen vor.

Die Klägerin zahlte an den Beklagten für 20 Sonderurlaube von 1983–1991 Nettoentgelt in Höhe von 14.250,21 DM aus. Diese Entgeltfortzahlung erfolgte unter dem Vorbehalt der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes.

Die Klägerin beruft sich darauf, daß wegen der Verfassungswidrigkeit des entsprechenden Gesetzes eine Leistung ohne Rechtsgrund erfolgt sei. Mit ihrer Klage macht sie Rückzahlungsansprüche in Höhe von 14.250,21 DM geltend. Ein früherer Vorlageschluß an das BVerfG in derselben Angelegenheit, aber mit anderem Streitgegenstand, hat sich durch Klagerücknahme erledigt (1 BVL 17/94).

 

Entscheidungsgründe

B) Die Vorlage ist gemäß Art. 100 Abs. 1 GG zulässig, da § 8 Abs. 2 des hess. Gesetzes über Sonderurlaub für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Jugendarbeit in der Fassung vom 11. Febr. 1994 ein formelles nachkonstitutionelles Gesetz darstellt, über dessen Verfassungsmäßigkeit das Bundesverfassungsgericht bisher nicht entschieden hat.

Die Gültigkeit der Rechtsnorm ist auch entscheidungserheblich, da die im Ausgangsverfahren zu treffende Entscheidung hiervon abhängt. Die Klägerin steht gegen den Beklagten ein Rückzahlungsanspruch hinsichtlich der geleisteten Vergütungen für Sonderurlaube zu (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB), da sie im Falle einer fehlenden (weil für verfassungswidrig erklärten) Zahlungsverpflichtung ohne Rechtsgrund an den Beklagten geleistet hätte und die Klage deshalb begründet wäre. Ist die Norm dagegen verfassungsgemäß, hätte die Klägerin mit Rechtsgrund gezahlt.

Diese Rückzahlungsverpflichtung ist weder verjährt noch kraft einer tarifvertraglichen Ausschlußfrist nach § 27 des gemeinsamen Manteltarifvertrages für die hessische Metallindustrie verfallen, da die Klägerin den Rückzahlungsanspruch nach Fälligkeit rechtzeitig schriftlich und gerichtlich geltend gemacht hat. Nach dem Beschluß des BVerfG vom 11.02.1992 war bekannt, daß die Pflicht zur vollen Entgeltfortzahlung verfassungswidrig ist. Damit war der Rückzahlungsanspruch aber noch nicht fällig, da erst mit Verkündung des HSUG in der Fassung vom 11.02.1994 die vom hessischen Gesetzgeber gewählte Fondslösung und Regelung des § 8 II in Kraft trat. Dennoch hat die Klägerin bereits mit Schreiben vom 09. April 1992 die Vergütung zurückgefordert und mit ihren Rückzahlungsansprüchen gegen Vergütung- und Abfindungsansprüche des Beklagten aufgerechnet und sie damit sowohl schriftlich als auch 1992 gerichtlich in dem Rechtsstreit 2 Ca 395/95 geltend gemacht.

Einer Rückforderung steht auch nicht § 814 BGB entgegen, da die Klägerin immer unter Vorbehalt geleistet hat. Auf den Wegfall der Bereicherung hat sich der Beklagte nicht berufen.

C) Das Gericht ist davon überzeugt, daß die angegriffene Norm verfassungswidrig ist.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluß vom 11.02.1992 – 1 BvR 890/94 (DB 1992, Seite 841) festgestellt, daß die Pflicht zur vollen Entgeltfortzahlung während eines Sonderurlaubs zum Zweck der Jugendpflege dem einzeln Arbeitgeber nicht ohne einen Ausgleich auferlegt werden darf. Insoweit verstößt das hessische Sonderurlaubsgesetz in seiner Fassung vom 28.06.1983 gegen Artikel 12 Abs. 1 Grundgesetz.

Dieses Gesetz beschränkt die Berufsfreiheit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht in unzumutbarer Weise, soweit es eine Freistellung von Arbeitnehmern für die Tätigkeit in der Jugendarbeit vorsieht. Nach den Ausführungen des Gerichts ist es auch nicht zu beanstanden, daß den Arbeitgebern gewisse finanzielle Belastungen und die formelle Entgeltfortzahlungspflicht auferlegt werden. Die Grenzen des Zumutbaren werden nur insoweit überschritten, als den Arbeitgebern die volle Kostenlast aufgebürdet wird, ohne daß Ausgleichsmöglichkeiten geschaffen werden.

Aus diesem Grund ist es verfassungsrechtlich nicht geboten, daß der Arbeitgeber von den mit der Entgeltfortzahlung verbundenen finanziel...

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