Leitsatz

Die volljährige Klägerin nahm ihren Vater auf Zahlung von Ausbildungsunterhalt in Anspruch. Sie hatte im Juni 2000 die Regelschule ohne Abschluss beendet und eine zum 01.09.2000 aufgenommene Ausbildung zur Altenpflegerin nach 2 Monaten abgebrochen. Eine sich daran anschließende Ausbildung in einer Elf-Tankstelle brach sie zum 06.02.2001 ab. Sie nahm sodann am 01.08.2001 eine weiterführende Schulausbildung an einer staatlichen Berufsschule auf, die sie im Juni 2002 beendete. Seit dem 01.08.2002 befand sie sich in einer Ausbildung zur Verkäuferin. Der Beklagte war einem weiteren Kind gegenüber unterhaltsverpflichtet. Das erstinstanzliche Gericht hat den Beklagten mit Urteil vom 11.02.2003 unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an die Klägerin ab August 2001 Unterhalt in unterschiedlicher Höhe zu zahlen.

Gegen dieses Urteil wandte sich der Beklagte und beantragte Prozesskostenhilfe für die von ihm beabsichtigte Berufung, der das OLG nur teilweise Aussicht auf Erfolg beimaß.

 

Sachverhalt

siehe Kurzzusammenfassung

 

Entscheidung

Das OLG teilte die Auffassung des AG, wonach eine Unterhaltsverpflichtung des Beklagten gegenüber der Klägerin für den Zeitraum der Ausbildung dem Grunde nach bestehe.

Nach § 1610 Abs. 2 BGB bestehe ein Anspruch des Kindes gegen seine Eltern auf eine "angemessene Vorbildung" zu einem Beruf. Als angemessen sei diejenige Vorbildung zu einem Beruf anzusehen, die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen des Kindes am besten entspreche (BGH in FamRZ 1977, 629).

Der aus § 1610 Abs. 2 BGB folgende Anspruch eines Kindes auf Finanzierung einer angemessenen, seiner Begabung, seinen Neigungen und seinem Leistungswillen entsprechenden Berufsausbildung sei jedoch vom Gegenseitigkeitsprinzip geprägt. Der Verpflichtung des Unterhaltsschuldners, eine Berufsausbildung zu ermöglichen, stehe aufseiten des Unterhaltsberechtigten die Obliegenheit gegenüber, sie mit Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit in angemessener und üblicher Zeit zu beenden. Zwar müsse der Verpflichtete nach Treu und Glauben Verzögerungen der Ausbildungszeit hinnehmen, die auf ein vorübergehendes leichtes Versagen des Kindes zurückzuführen seien. Verletze dieses aber nachhaltig seine Obliegenheit, seine Ausbildung planvoll und zielstrebig aufzunehmen und durchzuführen, büße es seinen Unterhaltsanspruch ein und müsse sich darauf verweisen lassen, seinen Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen (std. Rspr. des BGH, vgl. Senatsurteile v. 23.5.1984 - IVb ZR 39/83 -, FamRZ 1984, 777; v. 11.2.1987 - IVb ZR 23/86 -, FamRZ 1987, 470, 471; v. 12.5.1993 - XII ZR 18/92 -, FamRZ 1993, 1057, 1059, und v. 4.3.1998 - XII ZR 173/96 -, FamRZ 1998, 671, 672).

Eine nachhaltige Obliegenheitsverletzung der Klägerin sah der Senat im vorliegenden Fall nicht. Der Abbruch der Erstausbildung im Alter von 17 Jahren sei aus unterhaltsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Jedem jungen Menschen sei grundsätzlich zuzubilligen, dass er sich über seine Fähigkeiten irre, falsche Vorstellungen über den gewählten Beruf habe oder mit der Ausbildung aus anderen Gründen nicht zurechtkomme. Dabei werde ein Ausbildungswechsel umso eher zu akzeptieren sein, je früher er stattfinde. Dies folge aus dem Gedanken, dass die schutzwürdigen Belange des Unterhaltspflichtigen es gebieten, sich möglichst frühzeitig darauf einzurichten, wie lange die Unterhaltslast dauern wird.

Die Klägerin habe unverzüglich nach Abbruch der Erstausbildung eine neue Lehre zur Kauffrau aufgenommen, so dass es letztendlich zu keiner wesentlichen Verzögerung gekommen sei.

Auch führe allein der weitere Abbruch der Ausbildung zur Kauffrau noch nicht zu einer Verwirkung des Unterhaltsanspruchs. Im Hinblick darauf, dass die Klägerin ihre Erstausbildung bereits nach knapp 2 Monaten als Minderjährige abgebrochen, jedoch nahtlos eine neue Ausbildung begonnen habe, seien dem Beklagten keinerlei Nachteile aus unterhaltsrechtlicher Sicht entstanden, da sich die zu finanzierende Ausbildungsdauer nicht verlängert hätte. Aus diesem Grund sei der erneute Abbruch der Ausbildung aus den Gesamtumständen heraus nicht als nachhaltige Obliegenheitsverletzung zu charakterisieren.

Das Verhalten der Klägerin zeige, dass sie nunmehr offensichtlich zielstrebig versuche, eine angemessene Berufsausbildung zu erhalten. Es sei aus unterhaltsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden, dass sie zunächst das Berufsvorbereitungsjahr absolviere, um ihren Hauptschulabschluss nachzuholen und somit bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu haben. Ihr Abschlusszeugnis vom 19.9.2002 belege zumindest, dass sie bestrebt war, diesen Abschluss auch zu erhalten. Fast nahtlos schließe sich nach dem bestandenen Hauptschulabschluss dann die Berufsausbildung zur Verkäuferin an.

Im Übrigen war nach Auffassung des OLG, das insoweit der BGH-Rechtsprechung folgte, es im Interesse einer einheitlichen Rechtsanwendung sachgerecht, den Begriff der allgemeinen Schulausbildung des § 1603 Abs. 2 S....

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