Sinnvoll wäre gewesen, entsprechend der Forderungen aus der Praxis die nachträgliche Antragstellung abzuschaffen. Dieses Petitum war auch in früheren Reformabschnitten angedacht[24] und bis zum 15.5.2013 auch in diesem Gesetzgebungsverfahren – allerdings mit der Ausnahme von sog. dringenden Fällen[25] – zunächst vorgesehen (s.o.). Die Abschaffung der nachträglichen Antragstellung brächte indes für alle Beteiligte nur Vorteile. Die Beratungsperson erhielte ein Stück "Rechtsklarheit" dadurch, dass der ratsuchende Bürger bereits mit einem erteilten Berechtigungsschein bei ihr vorspricht. Während beim Direktzugang bislang die Beratungsperson eigenständig die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu prüfen hat – sich also entsprechende Unterlagen vorlegen lassen muss –, würde diese aufwändige Arbeit ebenfalls bei Abschaffung des Direktzugangs für den Anwalt entfallen. Der Bürger würde ebenfalls ein Stück Rechtssicherheit und Klarheit erhalten. Entweder er erhält einen Berechtigungsschein oder eben eine Ablehnung, welche wiederum angefochten werden kann. Die Gerichte – der Rechtspfleger – würden bei Abschaffung der nachträglichen Antragstellung zwar zunächst einen Mehraufwand verzeichnen, denn der Bürger würde in jedem Falle unmittelbar vorsprechen. Dieser Mehraufwand würde indes durch die wegfallende Problematik um den (nachvollziehbaren) Streit der nachträglichen Bewilligung, also der Auseinandersetzung mit der Beratungsperson, relativiert werden. Entgegen der im Gesetzesentwurf[26] angedachten Ausnahmeregelung bei dringenden Fällen halte ich eine solche Ausnahmeregelung für nicht zweckdienlich. Erstens war die Ausnahmeregelung ohnehin nur auf solche Fälle beschränkt, die selten bis nie vorkommen. So wurde neben der Dringlichkeit auch eine Unzumutbarkeit des vorherigen Aufsuchens des Gerichts gefordert.[27] Die in Betracht kommenden Beispielfälle,[28] aufgeführt in der BT-Drucksache der Gesetzesbegründung, zeigten, dass solche Fälle so selten gewesen wären, dass es einer solchen Regelung überhaupt nicht bedarf. Es ist schwerlich anzunehmen, dass ein ratsuchender Bürger im Wege der Beratungshilfe am Wochenende bspw. einen anwaltlichen Termin überhaupt erhält. Zudem sind Fälle der Beratungshilfe nur selten so eilbedürftig. Letztlich reicht für solche Fälle aber auch ein Arrangement zwischen den Gerichten und den Beratungspersonen bzw. kann auch hier bei bereits begonnener Beratung dann ausnahmsweise noch ein Berechtigungsschein – am nächsten Werktag – bei Gericht beantragt werden. Als Fazit kann man durchaus argumentieren, dass die nunmehr getroffene Regelung der Beibehaltung des unmittelbaren Zugangs nebst Fristschaffung keine sinnvolle Novellierung des Gesetzes ist. Klarheit bringt nur eine Abschaffung der nachträglichen Antragstellung. Ebenso wäre eine Streichung der nun getroffenen Regelung ein sinnvolles Unterfangen. Hier könnte zudem durch eine Novellierung des Gesetzes dahingehend, dass "der Beratungshilfeantrag vor der ersten Tätigkeit des Anwaltes" zu unterzeichnen (oder eben umgekehrt) ist bzw. der Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Rechtsanwaltes zumindest vor der ersten Tätigkeit liegen muss (oder eben gerade nicht), ein weiteres Streitpotential beseitigt werden.[29]

[24] BR-Drucks 69/10, BT-Drucks 17/2164 (Beratungshilfe) und BT-Drucks 17/1216 (Prozesskostenhilfe); BR-Drucks 648/08.
[25] Siehe Nickel, MDR 2013, 950.
[26] BR-Drucks 69/10, BT-Drucks 17/2164 (Beratungshilfe) und BR-Drucks 648/08.
[27] Lissner, AGS 2013, 211 ff.
[28] BT-Drucks 17/11472.
[29] Hierdurch könnte die in AnwK-RVG/Mock/Fölsch, Vorbem. 5 Rn 66 aufgezeigte Praxisproblematik beendet werden.

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