Das OLG hat zutreffend entschieden und gut begründet. Die Werte von Antrag- und Widerantrag werden nach § 39 Abs. 1 S. 1 FamGKG grundsätzlich zusammengerechnet, wenn die Ansprüche wirtschaftlich nicht denselben Gegenstand betreffen. Ist derselbe Gegenstand betroffen, ist nur der Wert des höheren Anspruchs maßgebend (§ 39 Abs. 1 S. 3 FamGKG). Zweck der Vorschrift des § 39 Abs. 1 FamGKG ist es, den Gebührenstreitwert niedrig zu halten, wenn die gemeinschaftliche Behandlung von Antrag und Widerantrag die Arbeit des Gerichts vereinfacht.[1] Wirtschaftliche Identität von Antrag und Widerantrag liegt nach der von der Rechtsprechung entwickelten "Identitätsformel" dann vor, wenn die Ansprüche nicht in der Weise nebeneinander stehen können, dass das Gericht unter Umständen beiden stattgeben kann: Die antragsgemäße Bescheidung des einen Antrags führt notwendigerweise zur Zurückweisung des anderen Antrags.[2] Dieser Grundsatz kann im Einzelfall, aber nicht immer zur richtigen Beantwortung der Frage führen, ob derselbe Verfahrensgegenstand betroffen ist oder mehrere Verfahrensgegenstände vorliegen. Es hat deshalb stets eine sorgfältige individuelle Prüfung zu erfolgen, welches Ziel Antragsteller und Antragsgegner mit den wechselseitig gestellten Anträgen verfolgen. Es liegt demnach auch dann nicht derselbe Verfahrensgegenstand vor, wenn sich die wechselseitigen Ansprüche ausschließen.[3]

Das ist dann nicht der Fall, wenn Antragsteller und Widerantragsteller wechselseitig gegenläufige güterrechtliche Ansprüche geltend machen. Maßgebend für die Beantwortung der Frage, ob wirtschaftliche Identität vorliegt oder nicht, ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise: Das Interesse der Beteiligten in der Zugewinnausgleichssache besteht einerseits in dem geltend gemachten Zugewinnausgleich und es geht andererseits um die Abwehr der eigenen Inanspruchnahme durch den anderen Verfahrensbeteiligten. Deshalb ist das wirtschaftliche Interesse beider Beteiligter gesondert zu ermitteln und der Wert ergibt sich aus einer Zusammenrechnung der jeweils wechselseitig geltend gemachten Zugewinnausgleichsbeträge.[4] Die Auffassung des OLG Koblenz,[5] wonach bei wechselseitigen Zugewinnausgleichsansprüchen davon auszugehen sei, dass bei Antrag und Widerantrag auf Zugewinnausgleich derselbe Gegenstand betroffen sei und sich der Verfahrenswert deshalb nur nach dem höheren Anspruch bemesse, ist abzulehnen. Dass wechselseitige Zahlungsanträge wirtschaftlich nicht identisch und deshalb zu addieren sind, entspricht der überwiegenden Auffassung in der Rspr. und auch in der Lit., wobei neben dem OLG Koblenz nur noch das OLG Hamm[6] bei der Geltendmachung wechselseitiger Zugewinnausgleichsansprüche nicht zusammenrechnet.

Das OLG hatte den unbezifferten Antrag entgegen der im gerichtlichen Verfahren dargestellten Zahlungserwartung lediglich auf 3.000,00 EUR gemäß § 42 Abs. 3 FamGKG a.F. und nicht auf 60.110,86 EUR festgesetzt. Auch diese Wertfestsetzung ist zutreffend und berücksichtigt § 34 S. 1 FamGKG, wonach für den Zeitpunkt der Wertberechnung die den jeweiligen Verfahrensgegenstand betreffende Antragstellung maßgeblich ist. Das war die Einleitung des Stufenverfahrens. Zu diesem Zeitpunkt ergaben sich noch keinerlei konkret bezifferbaren Erwartungen des Antragstellers ergeben, sodass mit dem Auffangwert des § 42 Abs. 3 FamGKG zu bemessen war. Kommt es nicht mehr zur Bezifferung der Leistungsstufe, muss nämlich für diese dennoch ein Wert festgesetzt werden.[7] Das folgt daraus, dass der Leistungsantrag mit Einreichung bereits anhängig geworden und die Bewertung gemäß § 34 FamGKG zu diesem Zeitpunkt vorzunehmen ist. Die Gegenansicht, die in diesen Fällen nur den Wert der Auskunftsstufe berechnen will, ist gesetzeswidrig und verkennt das Wesen des Stufenverfahrens. Weshalb es nicht mehr zur Bezifferung der Leistungsstufe gekommen ist, ist für die Bewertung unerheblich.

In allen diesen Fällen, in denen es nicht mehr zur Bezifferung der Leistungsstufe kommt, muss der Wert geschätzt werden. Maßgebend sind die objektiven Umstände, wie sie sich aus der Antragsschrift ergeben. Es kommt nicht auf die Erkenntnisse während oder nach Abschluss des Verfahrens an. Dies würde der Bewertungsvorschrift des § 34 FamGKG widersprechen.

Ergeben sich aus der Antragsschrift keine Anhaltspunkte für die Erwartung des Antragstellers und kann dieser auch gem. § 53 FamGKG keine konkreten Angaben machen, so ist gem. § 42 Abs. 3 FamGKG der Auffangregelwert, der sich seit dem 1.8.2013 auf 5.000,00 EUR beläuft, festzusetzen.

Rechtsanwältin und FAFamR Lotte Thiel, Koblenz

AGS 6/2014, S. 282 - 284

[1] E. Schneider, MDR 1977, 177, 180.
[3] OLG München AGS 2007, 364 = FamRZ 2007, 750 = ZFE 2007, 315; OLG Naumburg JurBüro 2004, 379; Schneider/Wolf/Volpert, FamGKG, § 39 Rn 9; a.A. OLG Hamm AGS 2004, 32, m. Anm. N. Schneider; AG Garmisch-Partenkirchen, Urt. v. 17.9.2007 – 1 F 277/05.
[4] OLG Bamberg NJW-RR 1995, 258 = FamRZ 1995, 492; OLG München AGS 2007, 364 FamRZ 2007, 75...

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