Das OLG Frankfurt hat unter Verkennung der Systematik des § 48 RVG falsch entschieden. Mit einer Auslegung des Bewilligungsbeschlusses hat die sich aus § 48 Abs. 3 RVG ergebende Privilegierung nämlich nichts zu tun.

Nach § 48 Abs. 1 RVG bestimmt sich der Vergütungsanspruch des Anwalts grundsätzlich nach den Beschlüssen, durch die die Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet oder bestellt worden ist. Von diesem Grundsatz enthalten § 48 Abs. 2 und Abs. 3 RVG neben § 149 FamFG und weiteren Vorschriften Ausnahmen, wonach eine Erstreckung unter bestimmten Voraussetzungen ungeachtet des § 48 Abs. 1 RVG ipso iure und nicht wie das OLG Frankfurt annimmt eintritt.

Um eine Erstreckung der Beiordnung nach § 48 Abs. 3 RVG ipso iure erreichen zu können, müssen die beteiligten Eheleute einen Vertrag i.S.d. Nr. 1000 VV abgeschlossen haben, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt werden kann. Zu den Regelungsgegenständen i.S.d. Abs. 3 S. 1 gehören dabei ausschließlich:

  der gegenseitige Unterhalt der Ehegatten (Abs. 3 S. 1 Nr. 1),
  der Unterhalt gegenüber Kindern im Verhältnis der Ehegatten zueinander (Abs. 3 S. 1 Nr. 2),
  die Sorge für die Person der gemeinschaftlichen minderjährigen Kinder (Abs. 3 S. 1 Nr. 3),
  die Regelung des Umgangs mit einem Kind (Abs. 3 S. 1 Nr. 4),
  die Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung (Abs. 3 S. 1 Nr. 5),
  die Rechtsverhältnisse an den Haushaltsgegenständen (Abs. 3 S. 1 Nr. 5) oder
  die Ansprüche aus dem ehelichen Güterrecht (Abs. 3 S. 1 Nr. 6).

Die Beiordnung in Ehesachen einschließlich der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe[1] erstreckte sich bereits bisher, jedenfalls aber kraft ausdrücklicher Regelung in § 48 Abs. 3 S. 1 RVG auf der Grundlage des 2. KostRMoG, auf alle mit der Herbeiführung der Einigung erforderlichen Tätigkeiten, soweit der Vertrag einen, mehrere oder alle der in § 48 Abs. 3 S. 1 genannten Gegenstände betraf. Mit der Neufassung des § 48 Abs. 3 S. 1 RVG soll klargestellt werden, dass im Falle eines Vertragsabschlusses sämtliche in diesem Zusammenhang anfallenden Gebühren aus der Landeskasse zu übernehmen sind, das heißt neben der 1,3-Verfahrensgebühr die

  0,8-Verfahrensgebühr, Nr. 3101 Nr. 1 VV RVG (unter Beachtung des § 15 Abs. 3 RVG),
  1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG,
  Einigungsgebühr, Nr. 1000 VV RVG (gegebenenfalls unter Berücksichtigung des § 15 Abs. 3 RVG).

Die bisherige Regelung war insoweit nicht eindeutig, auch wenn grundsätzlich davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber bereits in der Vergangenheit eine Gleichbehandlung zwischen bemittelten und mittellosen Beteiligten beabsichtigt hatte. Zutreffend hatten im Fall des § 48 Abs. 3 RVG auch bisher sowohl eine Verfahrensdifferenzgebühr als auch eine Terminsgebühr und die jeweilige Einigungsgebühr zugesprochen:

  OLG Koblenz,[2]
  OLG Köln,[3]
  OLG Saarbücken,[4]
  OLG Stuttgart,[5]
  OLG Nürnberg,[6]
  OLG Karlsruhe,[7]
  OLG Bamberg,[8]
  OLG Schleswig,[9]
  AG Marburg.[10]

Rechtsanwältin und FAFamR Lotte Thiel, Koblenz

[1] OLG Brandenburg AGS 2007, 146; OLG Dresden OLGR 1996, 249.
[2] AGS 2009, 119 = FamRZ 2009, 143 = MDR 2008, 1423 = NJW 2009, 237 = OLGR 2009, 217.
[3] AGS 2007, 547 = FamRZ 2008, 707 = NJW-Spezial 2007, 523 = OLGR 2008, 367.
[4] AGS 2009, 77 = NJW 2008, 3150 = FamRZ 2009, 143 = RVGreport 2008, 384 = OLGR 2008, 823.
[5] AGS 2008, 353 = AnwBl 2008, 303 = FamRZ 2008, 1010 = JurBüro 2008, 306 = Rpfleger 2008, 368 = MDR 2008, 1067 = Justiz 2008, 367 = RVGprof. 2008, 77.
[6] AGS 2011, 185 m. Anm. N. Schneider = NJW 2011, 1297 = MDR 2011, 325 = AnwBl 2011, 230 = NJW 2011, 1297 = Rpfleger 2011, 278 = FamRZ 2011, 1976 = NJW-Spezial 2011, 124 = FamFR 2011, 88 m. Anm. N. Schneider = FuR 2011, 349.
[7] FuR 2009, 636 = MDR 2009, 1253 = JurBüro 2009, 590 = FamRZ 2009, 2114 = Rpfleger 2010, 29 = NJW 2010, 1383 = FPR 2010, 364 = Familienrecht kompakt 2009, 220 = FF 2010, 85 = AG kompakt 2010, 135 = FamFR 2009, 98.
[8] AGS 2010, 141 = JurBüro 2009, 591 = FamRZ 2010, 231.
[9] SchlHA 2012, 109.
[10] AGS 2007, 510 m. Anm. N. Schneider (bestätigt durch Beschl. des OLG Frankfurt v. 26.1.2007 – 2 WF 42/07).

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge