Die zulässige Beschwerde ist teilweise begründet. Die Verfahrensgebühr für den Bevollmächtigten der Kläger und Berufungsbeklagten war nicht nach Nr. 3200 VV, sondern nur nach Nr. 3201 VV zu bemessen.

1. Mit dem LG ist davon auszugehen, dass den Klägern die Gebühren für die Vertretung durch ihren Bevollmächtigten im Berufungsverfahren dem Grunde nach zu erstatten sind.

Voraussetzung für den Anfall der Verfahrensgebühr ist ein auf die Vertretung im Berufungsverfahren lautender Auftrag – den die Beklagte nicht in Abrede stellt – und eine Tätigkeit im Berufungsverfahren, die mit der Bestellung als Prozessbevollmächtigte der Kläger und Berufungsbeklagten aktenkundig ist.

Die Beklagte kann nicht damit gehört werden, sie habe den Bevollmächtigten der Kläger gebeten, sich nicht bei dem Berufungsgericht zu bestellen. Dies ist zum einen bestritten und nicht glaubhaft gemacht (§ 104 Abs. 2 S. 1 ZPO), lässt aber zum anderen auch die Frage unberührt, ob und in welchem Umfang ein Vertretungsauftrag bereits erteilt und das Geschäft schon betrieben wurde. Die Partei kann in der Regel nicht selbstständig beurteilen, wie auf die Berufung in der hier eingelegten Form sachgerecht zu reagieren ist, so dass ein hierauf gerichteter Prüfungs- und Vertretungsauftrag hinzunehmen ist.

2. Entgegen der Auffassung des LG liegen allerdings die Voraussetzungen für die Erstattungsfähigkeit einer 1,6 Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV nebst Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV, insgesamt also einer 1,9 Verfahrensgebühr nicht vor. Vielmehr ist lediglich eine 1,1 Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 VV nebst Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV, insgesamt also nur eine 1,4 Verfahrensgebühr i.H.v. 638,40 EUR, erstattungsfähig.

Die 1,6fache Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV entsteht im Berufungsverfahren nach Vorbem. 3 Abs. 2 VV für das Betreiben des Geschäfts, zu dem u.a. das Einreichen von Schriftsätzen bei Gericht gehört. Allerdings ermäßigt sich die Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 VV bei einer vorzeitigen Beendigung des Auftrags auf das 1,1fache. Eine solche vorzeitige Beendigung liegt vor, wenn der Auftrag endigt, bevor der Rechtsanwalt einen Schriftsatz, der Sachanträge oder Sachvortrag enthält, eingereicht hat. Danach ist vorliegend für den Prozessbevollmächtigten der Klägerin aufgrund des von ihm eingereichten Schriftsatzes v. 15.8.2016 dem äußeren Anschein nach die 1,6fache Verfahrensgebühr entstanden.

Hiervon ist jedoch die Frage zu unterscheiden, ob die Kläger diese Kosten in voller Höhe von der Beklagten erstattet verlangen können. Die Erstattungsfähigkeit setzt nach § 91 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 ZPO voraus, dass der den Antrag auf Zurückweisung der Berufung enthaltende Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Klägerin zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig war. Die Frage, ob aufgewendete Prozesskosten zu einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig sind, bestimmt sich grundsätzlich danach, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei eine die kostenauslösende Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Veranlassung als sachdienlich ansehen durfte (vgl. BGH JurBüro 2015, 90). Eine Erstattung der aufgewendeten Kosten kann eine Partei deshalb nur insoweit beanspruchen, als sie ihrer aus dem Prozessrechtsverhältnis folgenden Obliegenheit nachgekommen ist, die Kosten möglichst niedrig zu halten (vgl. BGH MDR 2010, 165 [= AGS 2010, 50]; BGH NJW 2009, 3102; BGH NJW 2007, 3723 [= AGS 2007, 537]).

Gemessen an diesen Maßstäben ist die durch Einreichung des Schriftsatzes vom 15.8.2016 entstandene 1,6fache Verfahrensgebühr nicht erstattungsfähig. Ein die höhere Verfahrensgebühr auslösender Antrag auf Zurückweisung des Rechtsmittels ist grundsätzlich nicht notwendig, sofern der Rechtsmittelführer noch keinen Antrag und keine Rechtsmittelbegründung eingereicht hat. Denn im Normalfall besteht kein Anlass für den Rechtsmittelgegner, mit der Verteidigungsanzeige seines Prozessbevollmächtigten zugleich den Sachantrag auf Zurückweisung des Rechtsmittels anzukündigen. Der Rechtsmittelgegner kann sich erst nach Vorliegen der Rechtsmittelbegründung mit Inhalt und Umfang des Angriffs auf die Entscheidung der Vorinstanz sachlich auseinandersetzen und durch einen entsprechenden Gegenantrag sowie dessen Begründung das Verfahren fördern. Dies gilt erst Recht, wenn – wie hier – ausdrücklich auf die allein fristwahrend eingelegte Berufung hingewiesen wird. Es ist nicht ersichtlich, welche Prozessförderung von einem Antrag auf Zurückweisung des Rechtsmittels ausgehen könnte, solange mangels einer Rechtsmittelbegründung eine sachgerechte Prüfung des Rechtsmittels nicht möglich ist (vgl. BGH NJW-RR 2014, 185 [= AGS 2014, 94]; BGH NJW 2009, 2221 [= AGS 2009, 313]; BGH NJW 2009, 3103; BGH AGS 2003, 221; BAG NZA 2003, 1293). Eine höhere Verfahrensgebühr mag deshalb entstanden sein, erstattungsfähig ist sie nicht.

Mitgeteilt von VRiOLG Frank Michael Goebel, Koblenz

AGS 5/2017, S. 252 - 253

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