Tempora mutantur, et nos mutamur in illis

Es ist noch nicht allzu lange her, da hätte hier eine Urteilsanmerkung gestanden, die mit dem LG Essen im wahrsten Sinne des Wortes "ins Gericht gegangen" wäre.

Es ist noch gar nicht so lange her, da vertraten die Generalstaatsanwaltschaft in Düsseldorf, die Rechtsanwaltskammer Düsseldorf und auch der Verfasser dieser Urteilsanmerkung die unbeirrte Ansicht, dass § 34 RVG eben keinen generellen Gebührenverzicht erlaube und es noch weniger zulässig sei, mit kostenlosen Erstberatungen oder kostenlosen Erstanalysen zu werben.

Zwar gab es zu dieser Rechtsauffassung schon damals Gegenstimmen aus München und Berlin,[1] letztendlich ließ sich hiergegen aber überzeugend argumentieren, § 34 RVG spreche von einer Gebührenvereinbarung und nicht von einem Gebührenverzicht.

Die Zeiten ändern sich und nicht zuletzt durch das zum 1.1.2014 in Kraft getretene Prozesskostenhilfe- und Beratungshilfeänderungsgesetz und die dazugehörige Gesetzesbegründung wird man sich damit abfinden müssen, dass Rechtsanwälten der offenbar lang gehegte Wunsch erfüllt wird:

Sie dürfen umsonst arbeiten und hiermit auch werben!

Meistens sind es übrigens dieselben Rechtsanwälte, die lauthals über Jahre hinweg eine Änderung der Gebührentabellen und höhere Anwaltsgebühren einfordern, um sich am Markt – zumindest am Anfang – als Billigheimer zu präsentieren.

All dies geschieht aber – und dies muss eben heute eingeräumt werden – mit dem Willen des Gesetzgebers, der die seit dem 1.1.2014 ebenfalls zulässige Pro-bono-Tätigkeit im außergerichtlichen Vertretungsbereich (vgl. die Neufassung in § 4 Abs. 1 S. 2 RVG) damit rechtfertigt, dass über § 34 RVG die kostenlose Beratung schon immer erlaubt gewesen sei. War und ist dies aber der Fall (gewesen), so lässt sich die Werbung mit solchen "Geschenken" nicht ernsthaft verbieten. Die vom Kläger im Wesentlichen vorgebrachte Argumentation, die auf §§ 4 RVG und 4b BRAO abstellte, war allerdings ohnehin nicht hilfreich.

Spätestens seit der zutreffenden Entscheidung des OLG Stuttgart v. 28.12.2006, auf die sich das LG Essen zu Recht ja auch beruft, konnten die gesetzliche Vergütung und die darauf abzielenden Vorschriften nicht mehr weiterhelfen, um Werbeaktionen mit Dumpingpreisen zu untersagen.

Insoweit war es vielleicht absehbar, dass die kostenlose Beratung oder zumindest die kostenlose Erstberatung bald ebenfalls gesellschaftsfähig werden würde.

Und vielleicht war und ist es wirklich an der Zeit, dass die Anwaltschaft sich insgesamt auf die Forderung des englischen Rechtsprofessors Richard Susskind einrichtet: more for less oder besser wie im vorliegenden Fall: anything for nothing.

Herbert P. Schons

AGS 5/2014, S. 258 - 260

[1] Vgl. etwa AGH Berlin BRAK-Mitt. 2007, 173 f.

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