In einer als Weisung zu qualifizierenden Handreichung hat die Bundesagentur für Arbeit die Jobcenter angewiesen, vor der Auszahlung zu erstattender Kosten des Vorverfahrens nach § 63 SGB X und außergerichtlicher Kosten, die in sozialgerichtlichen Verfahren entstanden sind, zu prüfen, ob dieser Kostenerstattungsanspruch mit eigenen Ansprüchen aufgerechnet werden kann. Von dieser Weisung machen immer häufiger Jobcenter Gebrauch und vereiteln auch in Fällen, in denen Beratungs- oder Prozesskostenhilfe gewährt wurde, die Durchsetzung von Kostenansprüchen der bevollmächtigten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte. Neben dem SG Karlsruhe hatten sich auch schon das SG Gießen und das Hessische LSG (Urt. v. 29.10.2012 – L 9 AS 601/10) zu solchen Aufrechnungsfällen geäußert. Die vorliegende Entscheidung unterscheidet sich von dem hessischen Fall dadurch, dass der Klägerin des Karlsruher Verfahrens Beratungshilfe gewährt worden war.

Dieser Umstand wird von dem SG Karlsruhe verkannt und führt dazu, dass anders zu entscheiden gewesen wäre.

Das SG hält die Klage für zulässig, aber unbegründet. Tatsächlich hätte die Klage der Naturalpartei wohl als unzulässig abgewiesen werden müssen. Hätte der Bevollmächtigte der Klägerin alles richtig und damit die Kosten im eigenen Namen geltend gemacht, wäre die Aufrechnung des Jobcenters ins Leere gegangen.

Es war schon vor Änderung des § 8 Abs. 2 S. 1 BerHG einhellige Auffassung, dass der Rechtsanwalt seinem Mandanten gegenüber keinen Vergütungsanspruch hat, wenn dem Mandanten für die Wahrnehmung der Interessen im Widerspruchsverfahren Beratungshilfe gewährt worden war. § 8 Abs. 2 S. 1 BerHG sieht dies nun ausdrücklich vor. Der Rechtsanwalt erhält einen eigenen, von dem Kostenerstattungsanspruch des Mandanten ganz unabhängigen Vergütungsanspruch gegenüber dem Gegner (§ 9 S. 1 und 2 BerHG). Bestand also kein Kostenerstattungsanspruch der Klägerin, sondern ein eigener Kostenanspruch des Bevollmächtigten, standen sich bei der von dem Jobcenter erklärten Aufrechnung zu keinem Zeitpunkt Anspruch und Gegenanspruch aufrechenbar gegenüber. Forderung und Gegenforderung standen nicht in einem Gegenseitigkeitsverhältnis, so dass die Aufrechnungserklärung des Jobcenters ins Leere gegangen ist.

Hat die Klägerin aber keinen Kostenerstattungsanspruch gegen das Jobcenter, fehlt das Rechtsschutzbedürfnis für die auf die Kostenerstattung gerichtete Klage. Der Bevollmächtigte hätte im eigenen Namen einen Kostenanspruch gegen das Jobcenter außergerichtlich und gegebenenfalls gerichtlich verfolgen müssen.

Das SG hätte unabhängig von dieser Zulässigkeitsfrage auch verfassungsrechtliche Erwägungen anstellen müssen. Die Zweite Kammer des Ersten Senats des BVerfG kommt in dem Kammerbeschl. v. 4.5.2009 – 1 BvR 2251/08 – zu dem Ergebnis, dass unabhängig von der die Aufrechnung unterbindenden Regelung in § 43 RVG auch ein Verstoß gegen die Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 GG vorliegt, wenn dem Strafverteidiger, der mit einer Pflichtverteidigung beauftragt wird, der Vergütungsanspruch dadurch genommen wird, dass die Staatskasse einen gegen sie gerichteten Anspruch auf eine Wahlverteidigervergütung mit solchen Ansprüchen aufrechnet, die diese gegen den Mandanten hat.

Eine solche Aufrechnungspraxis vereitelt der auch für Bedürftige zu beachtende Justizgewährungsanspruch aus Art. 19 Abs. 4 GG. Verfassungsrechtlich stellt die Beratungshilfe sicher, dass Bedürftige wie Nicht-Bedürftige anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen können. Nur so kann eine Rechtsgewährungsgleichheit erreicht werden. Die Aufrechnungspraxis führt dazu, dass in solchen sozialrechtlichen Angelegenheiten anwaltliche Hilfe eben nicht mehr in Anspruch genommen werden kann.

Entsprechendes gilt im Übrigen auch bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Hier ist § 127 ZPO zu beachten. Auch bei der Prozesskostenhilfe gilt, dass der für die Partei bestellte Rechtsanwalt seine Gebühren und Auslagen von dem in die Kosten verurteilten Gegner im eigenen Namen verlangen kann. Nach § 126 Abs. 2 ZPO ist eine Einrede aus der Person der Partei nicht zulässig, so dass auch hier eine Aufrechnung mit eigenen Ansprüchen gegen den Mandanten ausgeschlossen ist.

Rechtsanwalt, FAArbR u. FASozR Martin Schafhausen, Frankfurt

AGS 5/2014, S. 255 - 258

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