Die Reform der Beratungs- und Prozesskostenhilfe stellt de facto einen bislang kaum dagewesenen Eingriff in den Justizgewähranspruch dar. Zwar hilft das Vorhaben bspw. in der Beratungshilfe durchaus, Missbrauch zu vermeiden und besser aufklären zu können. Dies wäre jedoch bereits unter aktueller Lage möglich, was die Entwicklung der Ausgaben zeigt. Zudem zeigt der Entwurf ein fehlendes Grundvertrauen in den ratsuchenden Bürger – die überwiegende Zahl der Personen versucht, berechtigte Interessen wahrzunehmen und nicht umgekehrt. Betrachtet man die aktuellen Ausgaben unserer Regierung für andere Projekte und setzt dies in Relation zu den Beratungshilfe- und Prozesskostenhilfeausgaben, muss man sich die Frage stellen, ob uns die Verfolgung berechtigter Interessen vergleichsweise so wenig wert ist. Betrachten Sie nun selbst: Öffnung für weitere Beratergruppen, Aufhebungsmöglichkeiten, starke Voraussetzungen für die Realisierung eines Wahlanwaltsanspruchs, der im Rahmen eines Kosten-Nutzen-Faktors kaum Realität wird, vereinfachte Annahme von Mutwillen und eine Legaldefinition der "Erforderlichkeit", die bei näherer Betrachtung eher mehr Streit- und Konfliktpotential bringen wird als die Klärung der Frage, Mehraufwand bei nachträglicher Antragstellung. Zudem stehen auf gerichtlicher Seite immense weitere Prüfungsaufgaben an – betrachtet man auch den weiteren "Aktenumlauf" aufgrund der beabsichtigten Zweiteilung der PKH-Prüfung, die zwar nicht wie beabsichtigt, aber doch in Form einer Länderöffnungsklausel kommen wird mit –, für deren Realisierung kein Personal zur Verfügung steht. Also: Ist die Reform nun Fluch oder Segen?

Autor: Dipl.-RPfl. (FH) Stefan Lissner, Salem

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