ZPO § 117

Leitsatz

  1. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Klageerweiterung setzt einen ausdrücklichen Antrag voraus.
  2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 30.12.2013 – 7 Ta 1907/13

1 Sachverhalt

Die Klägerin begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses am 14.5.2013 eingegangenen Klageerweiterung auf Zahlung restlichen Arbeitsentgelts für den Monat April 2013. Das ArbG hat, nachdem der Rechtsstreit durch Vergleich vom 22.5.2013 beendet worden war, mit Beschl. v. 8.6.2013 der Klägerin Prozesskostenhilfe für die Anträge zu 1., 2., 3. und 5. aus der Klageschrift bewilligt, mit Beschl. v. 10.10.2013 einen Antrag der Klägerin v. 16.9.2013 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Klageerweiterung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe für die Klageerweiterung vor Beendigung des Verfahrens keine Prozesskostenhilfe beantragt. Eine nachträgliche Bewilligung nach Beendigung des Rechtsstreits scheide aus.

Gegen diesen, der Klägerin am 15.10.2013 zugestellten Beschluss richtet sich ihre beim ArbG am 28.10.2013 eingegangene sofortige Beschwerde, die die Klägerin damit begründet, dass sich der in der Klageschrift gestellte Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die erste Instanz auf das gesamte Verfahren einschließlich eines eventuell geschlossenen Vergleichs beziehe. Das ArbG hat der sofortigen Beschwerde mit Beschl. v. 31.10.2013 nicht abgeholfen.

2 Aus den Gründen

Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist gem. §§ 127 Abs. 2 S. 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist form- und fristgerecht i.S.v. § 78 ArbGG, §§ 569, 127 Abs. 2 S. 3 ZPO eingelegt worden. Eines bestimmten Antrages bedurfte es in der Beschwerdeschrift nicht. Dem Vortrag der Klägerin lässt sich die Beschwer ohne weiteres entnehmen. Nach der Beschwerdebegründung möchte sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch für die Klageerweiterung vom 14.5.2013.

§ 127 Abs. 2 S. 2 a.E. ZPO steht der Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde nicht entgegen. Zwar führt der Antrag aus der Klageerweiterung im Ergebnis wegen wirtschaftlicher Identität mit den Kündigungsschutzanträgen nicht zu einer Streitwerterhöhung für die Gebühren (std. Rspr. des LAG Berlin-Brandenburg vgl. z.B. LAG Berlin-Brandenburg v. 24.6.2010 – 17 Ta (Kost) 6062/10). Davon zu unterscheiden ist der Beschwerdewert nach § 64 Abs. 2 ArbGG, § 511 Abs. 2 ZPO für die Zulässigkeit einer Berufung, auf den § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO abstellt. Dieser ist für die Klageerweiterung mit dem geforderten Zahlungsbetrag (1.180,00 EUR abzüglich 275,33 EUR) zu bewerten.

Die sofortige Beschwerde der Klägerin hat in der Sache indes keinen Erfolg. Das ArbG hat der Klägerin zu Recht keine Prozesskostenhilfe für die Klageerweiterung bewilligt, weil der entsprechende Antrag erst nach Abschluss des Rechtsstreits gestellt worden ist.

Der Klägerin war nicht bereits auf der Grundlage ihres Antrages vom 16.9.2013 Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Dieser Antrag wurde erst nach Abschluss des Rechtsstreits und damit zu spät gestellt. Prozesskostenhilfe kann nach § 114 S. 1 ZPO nur für eine "beabsichtigte" Rechtsverfolgung gewährt werden. Ist die Instanz beendet, kann Prozesskostenhilfe rückwirkend nur bewilligt werden, wenn das Gericht zuvor über einen Antrag positiv hätte entscheiden können oder wenn das Gericht dem Antragsteller bei unvollständigen Unterlagen eine entsprechende Nachfrist gesetzt hat (BAG, Beschl. v. 3.12.2003 – 2 AZB 19/03). Bei beiden Fallgruppen ist indes zumindest ein Antrag vor Abschluss der Instanz erforderlich. Eine Rückwirkung der Bewilligung auf einen Zeitpunkt vor Antragstellung ist grundsätzlich ausgeschlossen.

Der Klägerin war auch nicht deshalb Prozesskostenhilfe für die Klageerweiterung zu bewilligen, weil sie diese bereits konkludent mit der Klageschrift beantragt hätte. Der Antrag in der Klageschrift bezieht sich nur auf die dort angekündigten Klageanträge.

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe setzt gem. § 117 Abs. 1 ZPO einen Antrag voraus, in dem das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel darzustellen ist. Bei einem solchen Antrag handelt es sich um einen bestimmenden Antrag (vgl. BGH, Beschl. v. 22.9.1994 – XII ZB 21/94 – NJW 1994, 2097), der von der Partei oder seinem Bevollmächtigten zu unterzeichnen ist, wenn er nicht zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt wird, § 117 ZPO. Dieser Antrag bildet die Grundlage für die Prüfung der Erfolgsaussichten nach § 114 ZPO und die Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 119 Abs. 1 ZPO (BGH vom 22.9.2005 – IX ZB 163/04, NJW-RR 2006, 429 [= AGS 2006, 38]). Angesichts des formalisierten Beiordnungs- bzw. Prozesskostenhilfeverfahrens ist es nicht möglich, den Bewilligungsantrag stillschweigend zu stellen oder ihn auf zukünftige, noch nicht näher bezeichnete Rechtsverfolgungen oder Rechtsverteidigungen zu beziehen (LAG Berlin-Brandenburg, v. 8.8.2012 – ...

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