Leitsatz

  1. Schließen die Beteiligten einen Vergleich auch über nicht rechtshängige Ansprüche und wird für den Mehrwert des Vergleichs Verfahrenskostenhilfe bewilligt, steht dem beigeordneten Anwalt nur ein Anspruch auf eine höhere Einigungsgebühr zu, jedoch kein Anspruch auf eine Differenzverfahrensgebühr und eine Differenzterminsgebühr aus dem Mehrwert der verglichenen nicht rechtshängigen Ansprüche.
  2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

OLG Dresden, Beschl. v. 13.11.2015 – 22 WF 926/15

1 Sachverhalt

Die Antragstellerin begehrt eine Ergänzung der Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe auf die Verfahrensgebühr, Terminsgebühr und Einigungsgebühr aus dem Wert der in den Mehrvergleich einbezogenen, nicht rechtshängigen Ansprüche.

Mit dem angefochtenen Beschluss des AG wurde der Antragstellerin Verfahrenskostenhilfe bewilligt, und zwar für die Gegenstände, die über den bisherigen Verfahrensgegenstand des Ehegattenunterhalts hinaus Gegenstand des Vergleichs wurden.

Gegen diesen Beschluss hat die Antragsgegnerin sofortige Beschwerde erhoben.

Sie macht insbesondere geltend, dass von der bewilligten Verfahrenskostenhilfe nach der Rspr. höchstens eine Einigungsgebühr aus dem erhöhten Vergleichswert erfasst sei, nicht aber die begehrten weiteren Gebühren. Auch sei der verfahrenskostenhilfeerweiternde Beschluss dahingehend unrichtig, dass Nutzungsentschädigung, Vermögensauseinandersetzung und Freistellung von der Ratenzahlungsverpflichtung im Innenverhältnis bei der Streitwertfestsetzung keine Berücksichtigung gefunden hätten, obwohl diese von dem Vergleich umfasst wären.

Im Nichtabhilfebeschluss hat das AG unter Abweisung im Übrigen die Verfahrenskostenhilfe erstreckt auf die Freistellung von der Gesamtschuldnerschaft im Innenverhältnis gegenüber der kreditgebenden Bank. Abgelehnt wurde die Erweiterung auf Nutzungsentschädigung und Vermögensauseinandersetzung – Nutzungsentschädigung mit der Begründung, dass diese bereits Gegenstand des Trennungsunterhaltsverfahrens gewesen sei, Vermögensauseinandersetzung, da insoweit kein Mehrwert vorhanden sei.

2 Aus den Gründen

Die sofortige Beschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.

In der Sache ist sie nicht begründet. Zu Recht hat das AG den Umfang der Verfahrenskostenhilfe nicht erweitert. Denn eine Erstreckung der Verfahrenskostenhilfe auf verfahrensfremde Gegenstände kann allenfalls den Vergleichsmehrwert erfassen (1.), eine weitere Erstreckung ist grundsätzlich ausgeschlossen (2.). Die Neufassung des RVG hat dies bestätigt (3.). Eine Erstreckung ist auch aus Gründen der Gleichbehandlung nicht geboten (4.).

1. Die Antragstellerin selbst verweist zutreffend darauf, dass die Differenzverfahrensgebühr und die Terminsgebühr nicht von der Gewährung der Verfahrenskostenhilfe durch das AG erfasst sind. Die Verfahrenskostenhilfe erstreckt sich allerdings auf die sich aus dem Mehrwert des Vergleiches errechnende Einigungsgebühr.

Wird – wie vorliegend – Verfahrenskostenhilfe für einen Vergleich über nicht rechtshängige Ansprüche bewilligt, ist davon auszugehen, dass der beigeordnete Rechtsanwalt nur die Festsetzung einer Einigungsgebühr aus dem Vergleichsmehrwert verlangen kann (BGH, Beschl. v. 8.6.2004 – VI ZB 49/03; OLG Dresden, Beschl. v. 7.5.2015 – 19 WF 1424/14 [= AGS 2015, 289]; OLG Dresden, Beschl. v. 7.2.2014 – 23 WF 1209/13 [= AGS 2014, 347]; OLG Koblenz, Beschl. v. 26.1.2015 – 13 WF 67/15 [= AGS 2015, 141]; OLG Koblenz, Beschl. v. 19.5.2014 – 13 WF 369/14 [= AGS 2014, 348]; OLG Celle, Beschl. v. 21.1.2011 – 10 WF 6/11 [= AGS 2011, 551] und OLG Koblenz, Beschl. v. 19.5.2014 – 10 WF 28/15, jeweils m.w.N.).

2. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin führt nicht zu einer Erweiterung der für die anhängige Ehegattenunterhaltssache bewilligten Verfahrenskostenhilfe. Über die für den Abschluss des Prozessvergleichs über die nicht rechtshängigen Ansprüche entstandene Einigungsgebühr hinaus kann die Antragstellerin eine Erstreckung der Verfahrenskostenhilfe auf die Differenzverfahrens- und Differenzterminsgebühr nicht verlangen.

Werden in einem einen anderen Gegenstand betreffenden Verfahren nicht rechtshängige Ansprüche erörtert und hierüber ein Vergleich geschlossen, ist diese Konstellation vergleichbar mit derjenigen eines Vergleichsabschlusses im Erörterungstermin des Verfahrens- oder Prozesskostenhilfeverfahrens (vgl. OLG Dresden, Beschl. v. 7.5.2015 – 19 WF 1424/14 [= AGS 2015, 289]; OLG Dresden, Beschl. v. 7.2.2014 – 23 WF 1209/13 [= AGS 2014, 347]; OLG Koblenz, Beschl. v. 19.5.2014 – 13 WF 369/14 [= AGS 2014, 348]). Insoweit gilt der Grundsatz, dass für nicht anhängige Verfahren – und damit auch für das Verfahrens- und Prozesskostenhilfeverfahren selbst – Verfahrens- und Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden kann, denn andernfalls würden nur für den Vergleichsfall Gebühren anfallen, sonst jedoch nicht (BGH, Beschl. v. 8.6.2004 – VI ZB 49/03). Lediglich um dem Ausnahmecharakter von § 118 Abs. 1 S. 3 ZPO Rechnung zu tragen, ist der Abschluss des Vergleiches von diesem...

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