Abs. 2 der Anm. zu Nr. 1000, Abs. 5 der Anm. zu Nr. 1003 VV RVG; §§ 1666, 1666a BGB; § 156 Abs. 2 FamFG

Leitsatz

  1. Die Entstehung einer Einigungsgebühr ist auch in Kinderschutzverfahren möglich; es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber speziell für Verfahren gem. §§ 1666, 1666a BGB das Entstehen einer Einigungsgebühr ausschließen wollte (vgl. OLG Hamburg, Beschl. v. 1.7.2021 – 2 WF 46/21).
  2. Ob die Voraussetzungen der Nrn. 1000, 1003 VV> erfüllt sind, ist jeweils im konkreten Einzelfall zu prüfen.

OLG Köln, Beschl. v. 24.1.2022 – 14 WF 184/21

I. Sachverhalt

Das am 21.8.2018 geborene Kind K lebte zunächst im Haushalt der Kindesmutter. Nach verschiedenen Gefährdungsmeldungen hat das zuständige Jugendamt in dem vor dem AG Euskirchen betriebenen Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung angeregt, der Kindesmutter die elterliche Sorge für die Teilbereiche Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge sowie das Recht, Anträge auf Hilfe zur Erziehung zu stellen, zu entziehen. Hintergrund waren ein angeblicher Alkohol- und Drogenkonsum sowie häusliche Gewalt im Haushalt der Kindesmutter. Nach Auffassung des Jugendamtes sollte eine Gefährdung des Kindeswohls von K durch eine stationäre Hilfe zur Erziehung in Form einer Mutter-Kind-Einrichtung betrieben werden, was die Kindesmutter ablehnte. Am 10.3.2020 nahm das Jugendamt das Kind K in Obhut.

Das AG Euskirchen hat der Kindesmutter Verfahrenskostenhilfe (VKH) bewilligt und deren Verfahrensbevollmächtigte beigeordnet. Die Kindesmutter erteilte zunächst ihr Einverständnis mit der Unterbringung des Kindes K in einer Bereitschaftspflegefamilie. Deshalb hatte das AG Euskirchen zunächst keinen Termin anberaumt. Nachdem die Kindesmutter entgegen ihren Zusagen für das Jugendamt nicht erreichbar war, führte das AG am 8.5.2020 einen Anhörungstermin durch. In diesem erklärte die Kindesmutter, sie sei bereit, für ihr Kind in eine Mutter-Kind-Einrichtung zu gehen. Im Sitzungsprotokoll hielt das FamG nach ausführlicher Erörterung eine familiengerichtliche Vereinbarung mit dem Inhalt fest, dass die Kindesmutter damit einverstanden sei, zunächst probeweise in der vom Jugendamt vorgeschlagenen Mutter-Kind-Einrichtung zu wohnen mit dem Ziel, auch das Kind K dort mit aufzunehmen. I.Ü. sei die Kindesmutter mit dem vorläufigen Entzug der verfahrensgegenständlichen Teilbereiche der elterlichen Sorge einverstanden. Ferner einigen sich die Beteiligten dahin, im Hauptsacheverfahren in sechs Monaten zu terminieren, um auf Grundlage der dann eingetretenen Entwicklung eine Entscheidung treffen zu können.

Im Anschluss hieran hat das FamG der Kindesmutter im Wege der einstweiligen Anordnung die in der Vereinbarung genannten Teilbereiche der elterlichen Sorge entzogen. Dies hat das FamG mit den vom Jugendamt vorgetragenen Aspekten begründet und auch auf die Einsicht der Kindesmutter abgestellt. Die der Kindesmutter bewilligte VKH hat das FamG auf den Abschluss der familiengerichtlichen Vereinbarung erstreckt.

Hieraufhin haben die Verfahrensbevollmächtigten der Kindesmutter die Festsetzung der ihnen aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütung beantragt, darunter auch eine Einigungsgebühr nach Nrn. 1000, 1003 VV. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat die Vergütung ohne die geltend gemachte Einigungsgebühr festgesetzt. Auf die Erinnerung der Rechtsanwälte hat das FamG durch Beschl. v. 9.11.2021 die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen unter Einbeziehung der beantragten Einigungsgebühr festgesetzt und gegen seine Entscheidung die Beschwerde zugelassen. Die vom Vertreter der Landeskasse eingelegte Beschwerde gegen den familiengerichtlichen Beschluss hatte beim OLG Köln keinen Erfolg.

II. Zulässigkeit der Beschwerde

Gem. § 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 RVG ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung eingelegt worden ist. Nach Auffassung des OLG Köln war die Beschwerde der Bezirksrevisorin vom 14.12.2021, deren Eingang beim FamG datumsmäßig nicht erfasst worden ist, rechtzeitig. Das OLG Köln hat darauf hingewiesen, dass der angefochtene Beschl. v. 9.11.2021 der Bezirksrevisorin nicht förmlich zugestellt, sondern lediglich formlos zur Kenntnisnahme übersandt worden war. Die entsprechende Verfügung datiere vom 29.11.2021. Der tatsächliche Zugang des Beschlusses bei der Bezirksrevisorin sei nicht dokumentiert. Deshalb sei mangels förmlicher Zustellung davon auszugehen, dass die Beschwerdefrist erst am 14.12.2021, dem Datum der Beschwerdeschrift, zu laufen begonnen habe. Aus dem Datum der Verfügung zur Aktenübersendung an das OLG Köln ergebe sich, dass die Beschwerde spätestens am 22.12.2020 eingegangen sei. Damit ist das OLG Köln von der Rechtzeitigkeit der Beschwerde der Bezirksrevisorin ausgegangen.

Auf den Umstand, dass vorliegend die Beschwerdesumme vom mehr als 200,00 EUR nicht erreicht war, kam es hier nicht an, weil das FamG die Beschwerde gegen seine Entscheidung gem. § 56 Abs. 2 S. 1, § 33 Abs. 3 S. 2 RVG zugelassen hat.

III. Anfall der Einigungsgebühr

1. Gesetzliche Grundlage

Nach Abs. 1 der A...

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