§ 8 Abs. 1 S. 2 RVG; Nr. 7008 VV RVG; § 104 ZPO; §§ 138, 149, 155 FGO; §§ 12 Abs. 1, 13 Abs. 1 Nr. 1a, 28 Abs. 1 UStG

Leitsatz

  1. Ob die für den Zeitraum vom 1.7.2020 bis zum 31.12.2020 erfolgte Herabsetzung des Umsatzsteuersatzes auf 16 % eingreift, richtet sich danach, wann die Anwaltsvergütung fällig geworden ist. Dies bestimmt sich im gerichtlichen Verfahren nach Maßgabe des § 8 Abs. 1 S. 2 RVG.
  2. Ob ein Rechtszug i.S.d. § 8 Abs. 1 S. 2 RVG beendet ist, richtet sich nach den jeweiligen verfahrensrechtlichen Bestimmungen. Haben im Klageverfahren vor dem Finanzgericht die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt, findet damit zwar das Klageverfahren in der Hauptsache sein Ende. Der Rechtszug ist jedoch erst mit Ergehen der Kostenentscheidung vollständig beendet i.S.v. § 8 Abs. 1 S. 2 RVG.
  3. Eine Kostenentscheidung ist noch nicht bereits dann ergangen, wenn sie von dem zuständigen Richter unterschrieben worden ist und an die Geschäftsstelle gegeben worden ist. Vielmehr ist sie erst dann ergangen, wenn die Kostenentscheidung entweder in einem Termin verkündet worden ist oder sie den Parteien nach der maßgeblichen Verfahrensordnung zugestellt oder formlos bekannt gegeben worden ist.

FG Dessau-Roßlau, Beschl. v. 30.3.2022 – 5 Ko 114/22

I. Sachverhalt

Die Klägerin erhob vor dem FG Dessau-Roßlau gegen die Beklagte am 2.2.2016 Klage. Nach Durchführung eines nicht öffentlichen Erörterungstermins am 8.8.2019 erklärten die Klägerin mit Schriftsatz vom 22.6.2020 – Eingang bei Gericht an diesem Tage – und die Beklagte mit Schriftsatz vom 25.6.2020 – Eingang bei Gericht am Folgetag –, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt habe. Das FG entschied durch Beschl. v. 3.7.2020, dass die Klägerin einerseits und die Beklagte andererseits jeweils 50 % der Kosten des Rechtsstreits zu tragen hätten. Die Geschäftsstelle des FG hat den Beschluss am 6.7.2020 ausgefertigt und den Prozessbevollmächtigten der Parteien formlos übersandt.

Am 9.7.2020 beantragte die Klägerin unter Beifügung der Kostenberechnung ihres Prozessbevollmächtigten, in dem die Gebühren und Auslagen mit 19 % Umsatzsteuer aufgeführt worden waren, die Ausgleichung der Kosten. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des FG gab dem Antrag statt und setzte 50 % der von der Klägerin geltend gemachten Kosten gegen die Beklagte fest.

Unter dem 13.8.2020/1.7.2021 beantragte die Beklagte ihrerseits die Festsetzung ihrer Kosten. Umsatzsteuer auf die anwaltlichen Gebühren und Auslagen machte die Beklagte nicht geltend, weil sie der Auffassung war, sie könne die Umsatzsteuer zum Vorsteuerabzug verwenden. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle setzte durch Beschl. v. 12.7.2021 die von der Beklagten geltend gemachten Kosten ohne Berücksichtigung der Kostenquote in voller Höhe gegen die Klägerin fest. Mit ihrer hiergegen eingelegten Erinnerung machte die Klägerin geltend, der Beklagten stünden nur 50 % ihrer außergerichtlichen Kosten zu. Die Beklagte erhob gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12.7.2021 ebenfalls Erinnerung und machte geltend, sie sei versehentlich von ihrer Vorsteuerabzugsberechtigung ausgegangen, die Umsatzsteuer sei doch festzusetzen.

Unter dem 28.12.2021 erließ die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des FG einen Änderungsbeschluss betreffend den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12.7.2021. Darin setzte sie die Kosten der Beklagten gegen die Klägerin nur zu 50 % fest und berücksichtigte bei deren Gebühren und Auslagen einen Umsatzsteuersatz von nur 16 %.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Erinnerung machte die Beklagte geltend, in dem Änderungsbeschluss sei die Umsatzsteuer mit 19 % zu berücksichtigen.

Die Erinnerung der Beklagten hatte vor dem FG Dessau-Roßlau keinen Erfolg.

II. Erstattung der Umsatzsteuer

Zu den von der Kostenentscheidung des FG erfassten Kosten des Rechtsstreits gehören auch die außergerichtlichen Kosten der Parteien. Zu den somit dem Grunde nach zu erstattenden Anwaltskosten gehört nach Nr. 7008 VV auch die auf die anwaltliche Vergütung entfallende Umsatzsteuer. Deren Festsetzung bzw. Ausgleichung setzt gem. § 104 Abs. 2 S. 3 ZPO i.V.m. § 149 FGO voraus, dass der Erstattungsberechtigte – hier die Beklagte – erklärt hat, er könne die Umsatzsteuer nicht zum Vorsteuerabzug verwenden. Eine derartige Erklärung hatte hier die Beklagte zwar nicht in ihrem Kostenfestsetzungsantrag vom 13.8.2020/1.7.2021, jedoch jedenfalls in ihrer Erinnerung vom 3.8.2021 abgegeben.

1. Höhe des Umsatzsteuersatzes

Nach Nr. 7008 VV kann der Rechtsanwalt die Umsatzsteuer auf seine Vergütung in voller Höhe ansetzen, es sei denn, die Umsatzsteuer wird gem. § 19 Abs. 1 UStG nicht erhoben. In welcher Höhe die Umsatzsteuer anfällt, ergibt sich aus den maßgeblichen Vorschriften des UStG.

Nach § 12 Abs. 1 UStG beträgt die Umsatzsteuer nach derzeitiger Rechtslage für jeden steuerpflichtigen Umsatz 19 % der Bemessungsgrundlage. Durch das Zweite Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise vom 29.6.2020 (BGBl I 2020, 1512) wurde in das UStG der § 28 Abs. 1 eingef...

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