Nr. 4102 Nr. 3 VV RVG

Leitsatz

Für das Entstehen der Gebühr Nr. 4102 Nr. 3 VV ist es unerheblich, zu welchen Haftfragen die Verhandlung stattgefunden hat und in welchem Umfang verhandelt worden ist. Ob der Beschuldigte auf Anraten seines Verteidigers schweigt oder Angaben zur Sache macht, ist ebenfalls nicht maßgeblich.

AG Neuss, Beschl. v. 18.5.2022 – 6 Ds-110 Js 6494/20-314/20

I. Sachverhalt

Der Verteidiger hat an einem Termin teilgenommen, in dem gegen den Beschuldigten ein Haftbefehl erlassen und anschließend verkündet worden ist. Im Rahmen der Vergütungsfestsetzung hat der Verteidiger auch eine Vernehmungsterminsgebühr nach Nr. 4102 Nr. 3 VV geltend gemacht. Diese ist dann erst auf die Erinnerung des Verteidigers festgesetzt worden.

II. Verhandlung zu Haftfragen

Nach Nr. 4102 Nr. 3 VV erhält der Verteidiger eine Terminsgebühr für die Teilnahme an Terminen außerhalb der Hauptverhandlung, in denen über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft verhandelt wird. Vorliegend hat es sich – so das AG – um einen solchen Termin gehandelt und nicht um einen Termin, in dem lediglich ein Haftbefehl verkündet worden sei. Der Haftbefehl sei erst im Verlauf des Termins erlassen und anschließend verkündet worden.

Für das Entstehen der Gebühr sei es unerheblich, zu welchen Haftfragen die Verhandlung stattgefunden habe und in welchem Umfang verhandelt worden sei. Ob der Beschuldigte auf Anraten seines Verteidigers schweige oder Angaben zur Sache mache, sei ebenfalls nicht maßgeblich. Das Gebrauchmachen vom Schweigerecht – wie es vorliegend vom Verteidiger erklärt worden sei – stelle ein Verhandeln zum dringenden Tatverdacht als Voraussetzung für den Erlass eines Haftbefehls nach § 112 Abs. 1 S. 1 StPO dar. Das Schweigen des Angeklagten beeinflusse die Entscheidungsfindung des Ermittlungsrichters, da daraufhin allein maßgeblich das sich im Zeitpunkt der Haftentscheidung aus den Ermittlungsakten ergebende gerichtsverwertbare Ermittlungsergebnis sei. Dem Gebrauchmachen vom Schweigerecht liege mithin eine verfahrenstaktische Überlegung und Beratung des Verteidigers zugrunde, ob eine Einlassung zu diesem Zeitpunkt für den Beschuldigten sinnvoll sei oder nicht. Insoweit komme es vorliegend nicht darauf an, ob darüber hinaus auch noch – insoweit nicht protokolliert, aber nach der dienstlichen Stellungnahme des Ermittlungsrichters nicht ausgeschlossen – über die Haftfähigkeit des Beschuldigten in Bezug auf eine Suchterkrankung und die Voraussetzungen einer Fluchtgefahr verhandelt worden sei, was ebenfalls den Gebührentatbestand der Nr. 4102 Nr. 3 VV auslösen würde.

III. Bedeutung für die Praxis

1. Die Entscheidung ist zutreffend. Denn nach der Begründung des AG hat es sich bei dem Hafttermin nicht nur um einen Termin zur Verkündung eines bereits erlassenen Haftbefehls gehandelt, sondern es ist in dem Termin mehr geschehen (vgl. dazu OLG Saarbrücken StraFo 2014, 350 = RVGreport 2014, 428 = StRR 2014, 517; LG Osnabrück JurBüro 2018, 467; JurBüro 2020, 478; LG Traunstein RVGreport 2013, 19 = StRR 2013, 40 = AGS 2013, 16). Man hat nämlich offenbar sowohl zum dringenden Tatverdacht als auch ggfs. zum Haftgrund und zur Haftfähigkeit "verhandelt". Damit ist aber die Voraussetzung für das Entstehen der Vernehmungsterminsgebühr – es muss mehr geschehen als die Verkündung des Haftbefehls – erfüllt. Damit kommt es letztlich auch nicht auf die Frage an, ob es für den Anfall der Vernehmungsterminsgebühr ausreicht, wenn der Beschuldigte in dem "Hafttermin" erklärt, er wolle schweigen, was zum Teil in der Rspr. verneint wird (KG RVGreport 2009, 227 = StRR 2009, 277 = AGS 2009, 480; OLG Hamm AGS 2007, 240 = JurBüro 2006, 641; OLG Jena RVGreport 2014, 24 = StRR 2014, 239; OLG Saarbrücken StraFo 2014, 350 = RVGreport 2014, 428 = StRR 2014, 517; LG Osnabrück JurBüro 2018, 467; zutreffend a.A. LG Bielefeld, StV 2006, 198; LG Traunstein RVGreport 2013, 19 = StRR 2013, 40 = AGS 2013, 16; eingehend zur Nr. 4102 Nr. 3 VV Burhoff, AGS 2022, 2).

2. Das AG hat i.Ü. die Beschwerde gegen seine Entscheidung gem. §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 2 RVG zugelassen, da die zugrunde liegende Frage nach seiner Auffassung grundlegende Bedeutung hat. Da davon auszugehen ist, dass die Staatskasse Beschwerde einlegen wird, werden wir also zu der Frage dann sicherlich bald etwas vom LG Düsseldorf hören.

Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

AGS 7/2022, S. 313 - 314

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