Die Entscheidung ist zutreffend. Festzuhalten ist:

1. Anfall der Hauptverhandlungsterminsgebühr

Das RVG regelt in Vorbem. 4 Abs. 3 VV nur das Entstehen der Terminsgebühr. Voraussetzung ist die Teilnahme des Rechtsanwalts an der Hauptverhandlung. Nicht geregelt wird, (ab) wann eine Hauptverhandlung vorliegt, an der der Rechtsanwalt teilnimmt (zur Terminsgebühr Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, Vorbem. 4 VV Rn 64). Insoweit gilt: Nach § 243 Abs. 1 S. 1 StPO beginnt die Hauptverhandlung i.d.R. mit dem Aufruf der Sache. Es ist aber verfahrensrechtlich unbestritten, dass für den Aufruf der Sache ein "förmlicher" Aufruf nicht erforderlich ist. Unterbleibt ein ausdrücklicher Aufruf, ist als Beginn der Hauptverhandlung die Handlung anzusehen, die als erstes erkennbar macht, dass die Strafsache nun verhandelt werden soll (Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 10. Aufl., 2022, Rn 1948).

Diese Grundsätze werden auch für den Anfall der Terminsgebühr angewendet (OLG Frankfurt AGS 2015, 568 = RVGreport 2015, 462 = NStZ-RR 2016, 128; LG Dortmund RVGreport 2017, 261). Danach ist hier im Verfahren Az 2 mit der Hauptverhandlung begonnen worden. Die Feststellung der Anwesenheit, die Vereidigung des Dolmetschers und die Erhebung der Personalien des Angeklagten reichen bei Weitem aus, um nach außen deutlich zu machen, dass jetzt "die Sache verhandelt" wird.

2. Keine Probleme aufgrund der Verfahrensverbindung

Die somit entstandene Hauptverhandlungsterminsgebühr ist nicht dadurch wieder entfallen, dass nach Beginn der Hauptverhandlung auch im Verfahren Az 2 dieser Verfahren zum Verfahren Az 1 hinzuverbunden worden ist. Denn bis dahin haben zwei selbstständige Strafverfahren vorgelegen, in denen alle Gebühren, also auch die Terminsgebühr im Verfahren Az 2, entstehen konnten (vgl. dazu und ähnlich LG Kiel, Beschl. v. 21.6.2023 – 2 Qs 41/23, StraFo 2023, 334 = AGS 2023, 451). Auch die fast zeitgleiche Terminierung der beiden Verfahren hat nicht zu einer Verbindung mit der Folge, dass danach nur noch ein Verfahren vorgelegen hätte und im (früheren) Verfahren Az 2 keine eigenständigen Gebühren mehr entstehen konnten, geführt (LG Hanau RVGreport 2005, 382; LG Potsdam JurBüro 2013, 587 = RVGreport 2014, 68).

Durch die später erfolgte Verbindung der beiden Verfahren ist die im Verfahren Az 2 bereits entstandene Terminsgebühr auch nicht nachträglich weggefallen. Das folgt aus dem Rechtsgedanken des § 15 Abs. 4 RVG. Die spätere Verbindung hat auf bereits entstandene Gebühren keinen Einfluss (zu den Verbindungsfragen auch Burhoff, AGS 2022, 433).

3. Erinnerung des Vorsitzenden

Auch wenn ein förmlicher Aufruf für das Entstehen der Terminsgebühr nicht erforderlich ist, sollte der Verteidiger den gebührenrechtlich sichersten Weg gehen und darauf achten und den Vorsitzenden erinnern, dass er ggf. förmlich aufruft und das auch im Protokoll der Hauptverhandlung festhält. Das erspart unnütze Diskussionen und Rechtsmittel wie die vorliegende Erinnerung. Allerdings ist insoweit anzumerken, dass hier mal wieder unverständlich ist, dass die Urkundsbeamtin die Terminsgebühr nicht festgesetzt hat. Die bereits zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung vorliegende (obergerichtliche) Rspr. ließ m.E. keinen Zweifel daran zu, dass die Terminsgebühr angefallen war.

Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

AGS 4/2024, S. 175 - 176

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