Die zulässige Klage ist im Wesentlichen begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von vorgerichtlichen Anwaltskosten, §§ 7 Abs. 1 StVG, 249 BGB, 115 VVG.

Streitig ist zwischen den Parteien im vorliegenden Fall allein noch die Frage, ob die Beklagte auch zur Erstattung der von der Klägerin geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 169,50 EUR verpflichtet ist, ob die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts erforderlich und zweckmäßig war.

Die Beklagtenpartei vertritt dabei die Auffassung, die Klägerin habe sich mit ihrem Forderungsschreiben über vier Monate Zeit gelassen, was bereits zeige, dass die Einschaltung eines Anwalts nicht erforderlich gewesen sei. Zudem sei der Fall einfach gelagert gewesen und ohne bürokratischen Aufwand lösbar gewesen.

Das Gericht hält diesen Ansatz für falsch.

Den Klägern stehen in Fällen wie dem vorliegenden auf Seiten der Versicherungen hochspezialisierte Abteilungen gegenüber, was bereits für sich gesehen die Notwendigkeit nahe legt, ebenfalls spezialisierte Personen, eben Rechtsanwälte einzuschalten. Dies gilt grds. auch für den gewerblich tätigen Kläger, die gewerblich tätige Klägerin.

Darüber hinaus hat das Verkehrsunfallrecht inzwischen eine Dimension und Komplexität angenommen, die selbst bei eindeutigen Haftungsfällen keine einfachen Antworten mehr zulassen.

So ist eine vielfältige Kasuistik nicht nur zur Haftungsverteilung zu beachten, sondern auch und gerade bei den einzelnen Schadenspositionen. Gerichtsbekannt werden ständig und immer wieder Streitigkeiten über die Höhe der geltend gemachten Kostenpauschale, über die berechtigten Reparaturkosten, über die Höhe der zu vergütenden Sachverständigenkosten und über Mietwagenkosten geführt (vgl. dazu z.B. auch AG Lauffen, Urt. v. 8.11.2011, BeckRS 2012, 15048 – und was das AG Lauffen bereits im Jahre 2011 angenommen hat, hat sich im Laufe der Jahre aus Sicht des erkennenden Gerichts verstärkt).

Dabei spielt es gerade auf Seiten der Versicherungen (aber auch auf Klägerseite) kaum eine Rolle, wie hoch der Streitwert im Einzelnen ist; so werden Rechtsstreitigkeiten im niedrigen zweistelligen Eurobereich mit der gleichen Intensität und Verbissenheit geführt wie Verfahren mit hohen Streitwerten.

Dies ist das gute Recht jeder Partei, die dann jedoch auch "in Kauf" nehmen muss, dass die anspruchsstellende Partei bereits frühzeitig und auch bei vermeintlich einfach gelagerten Fällen Rechtsanwälte einschaltet.

Die Frage, welche Schadenspositionen überhaupt grds. erstattungsfähig sind und wenn ja, in welchem Umfang, wird gerade auch bei vermeintlich einfachen Verkehrsunfallsachverhalten immer wieder aufgeworfen und kontrovers diskutiert. Über Seiten werden Urteile anderer Gerichte herangezogen, zitiert und ausgewertet.

Selbst eindeutige, über einen längeren Zeitraum verfestigte Rspr. des jeweilig erkennenden Gerichts wird regelmäßig in Frage gestellt oder bereits nicht registriert.

Die Einfachheit eines Verfahrens zeigt sich mehr denn je – bei dem derzeitigen Regulierungsverhalten der Versicherungen – nicht im Vorfeld, sondern erst im Laufe des Verfahrens. Die Prüfung einer Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit für den Geschädigten, der sich der Frage nach der Einschaltung eines Anwalts stellt, ist jedoch immer eine ex ante – Prüfung und gerade keine ex post.

Aus diesen Gründen ist daher grds. im Bereich der Abwicklung von Verkehrsunfällen jeder Geschädigte, also auch wie im hier konkret zu entscheidenden Fall Unternehmen zur sofortigen Einschaltung eines Rechtsanwalts berechtigt. Die hierbei angefallenen Kosten sind dann auch von den Versicherungen zu übernehmen.

AGS 3/2020, S. 154

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