Vorbem. 3.2.1 Nr. 2b, Nrn. 3200, 3500 VV RVG; §§ 58 ff., 111 FamFG

Leitsatz

  1. Für die Vertretung im Beschwerdeverfahren nach den §§ 58 ff. FamFG gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endentscheidungen in Familiensachen nach § 111 FamFG fällt eine 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV nur dann an, wenn die Beschwerden den Hauptgegenstand betreffen.
  2. Für Beschwerden gegen Neben-, Zwischen- oder Kostenentscheidungen finden deshalb Nrn. 3200 f. VV keine Anwendung. Vielmehr fällt lediglich eine 0,5-Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 VV an.

OLG Brandenburg, Beschl. v. 30.11.2021 – 13 WF 206/21

I. Sachverhalt

Die Antragstellerin hatte gegen den Kostenausspruch des Scheidungsverbundschlusses des AG Eisenhüttenstadt – FamG – vom 17.2.2021 eine – unzulässige – Beschwerde eingelegt. In dem angefochtenen Beschluss hatte das FamG die Kostenaufhebung ausgesprochen. Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde hatte die Antragsgegnerin beantragt, ihr und dem Antragsgegner je die Hälfte der Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Nachdem die Antragstellerin ihre Beschwerde zurückgenommen hatte, hat das OLG Brandenburg ihr die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt.

Unter Ansatz des Verfahrenswertes des Scheidungsverbundverfahrens i.H.v. 22.800 EUR hat hieraufhin der Antragsgegner die Festsetzung seiner im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten beantragt:

 
 
1. 1,6-Verfahrensgebühr, Nr. 3200 VV 1.398,40 EUR
  (Wert: 22.800,00 EUR)  
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV 20,00 EUR
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV 269,50 EUR
  Gesamt 1.687,90 EUR

Der Rechtspfleger des FamG hat durch Kostenfestsetzungsbeschl. v. 14.9.2021 die dem Antragsgegner von der Antragstellerin für das Beschwerdeverfahren zu erstattenden Kosten lediglich auf 34,99 EUR festgesetzt. Dieser Betrag setzt sich nach dem Kostenwert von 102,34 EUR wie folgt zusammen:

 
 
1. 0,5-Verfahrensgebühr, Nr. 3500 VV 24,50 EUR
  (Wert: 102,34 EUR)  
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV 4,90 EUR
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV 5,59 EUR
  Gesamt 34,99 EUR

Mit seiner hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde hat der Antragsgegner seinen Kostenfestsetzungsantrag weiterverfolgt. Das OLG Brandenburg hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

II. Verfahrensgebühr im Beschwerdeverfahren

1. Beschwerden gegen den Hauptgegenstand

Nach Vorbem. 3.2.1 Nr. 2b) VV ist Teil 3 Unterabschn. 1 VV auch in Verfahren gegen die Endentscheidung wegen des Hauptgegenstandes in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit anzuwenden. In solchen Beschwerdeverfahren fällt somit eine 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV an, wenn der Verfahrensbevollmächtigte eine der in Abs. 1 der Anm. zu Nr. 3201 VV aufgeführten Tätigkeiten entfaltet hat. Anderenfalls fällt lediglich eine 1,1-Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 VV an.

Dies hat nach den Ausführungen des OLG Brandenburg zur Folge, dass Nrn. 3200, 3201 VV nur dann einschlägig sind, wenn die Beschwerden nach §§ 58 ff. FamFG gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endentscheidungen in Familiensachen nach § 111 FamFG gerichtet sind und wenn sie den Hauptgegenstand betreffen.

2. Beschwerden gegen Neben-, Zwischen- und Kostenentscheidungen

Demgegenüber finden diese Vorschriften nach den weiteren Ausführungen des OLG Brandenburg für Beschwerden gegen Neben-, Zwischen- oder Kostenentscheidungen keine Anwendung. In solchen Fällen entstehe lediglich eine 0,5-Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 VV (OLG Hamm AGS 2013, 171 m. Anm. Thiel = RVGreport 2013, 317 [Hansens]; H. Schneider, in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl., 2021, Vorbem. 3.2.1 VV Rn 6 und Nr. 3500 VV Rn 1; s. auch OLG Köln JurBüro 2012, 653).

Der Antragsgegner hatte die Auffassung vertreten, aus der Unzulässigkeit (s. § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 99 ZPO) der nur gegen den Kostenausspruch der Scheidungsverbundentscheidung gerichteten Beschwerde der Antragstellerin folge, dass von einer gegen die Hauptsache gerichteten Beschwerde auszugehen sei. Dem hat das OLG Brandenburg entgegengehalten, die Antragstellerin habe ihr Rechtsmittel nicht etwa in der Sache eingelegt, sondern ausdrücklich nur gegen den Kostenausspruch gerichtet. Folglich sei nur in diesem Umfang ein Beschwerdeverfahren beim Senat angefallen.

Dies hat nach den weiteren Ausführungen des OLG Brandenburg zur Folge, dass dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners nur eine 0,5-Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 VV angefallen ist.

III. Gegenstandswert

Im Verfahren über die – unzulässige – Beschwerde gegen die Kostenentscheidung im Scheidungsverbundverfahren entsteht bei Gericht nach Nr. 1910 FamGKG KV eine Festbetragsgebühr i.H.v. 99,00 EUR. Endet das Beschwerdeverfahren – wie hier – infolge der Beschwerderücknahme ohne Endentscheidung, ermäßigt sich diese Gebühr nach Nr. 1911 FamGKG KV auf einen Festbetrag i.H.v. 66,00 EUR. Die Gerichtsgebühren berechnen sich somit nicht nach dem Verfahrenswert. Hieraus folgt, dass für die Anwaltsgebühren nicht gem. § 23 Abs. 1 S. 1 RVG auf die für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften zurückgegriffen werden kann. Deshalb bestimmt sich der Gegenstandswert n...

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