Etwas anderes ergab sich für das AG auch nicht daraus, dass in dem Einspruchsschreiben mitgeteilt wurde, dass eine Stellungnahme vorbehalten bleibt und der Kläger "derzeit" keine Angaben mache. Auch diese Äußerung habe die Ordnungsbehörde bereits im Rahmen ihrer Bewertung am 28.4.2021 berücksichtigen müssen. Anhand der Äußerung sei nämlich zu vermuten gewesen, dass sich der Kläger als Betroffener nach der Akteneinsicht auch weiterhin und damit endgültig auf sein Schweigerecht berufen würde, wenn sich nach der durch den Anwalt genommenen Akteneinsicht externe Beweismöglichkeiten nicht abzeichnen würden, die Ordnungsbehörde also allein auf die Bestätigung durch den Kläger angewiesen wäre. Der Ordnungsbehörde sei daher schon nach dieser Äußerung eine umfassende Würdigung der Beweislage möglich gewesen, die letztlich die Entscheidung über die endgültige Verfahrenseinstellung beeinflusst habe (vgl. zum Ganzen AG Berlin-Charlottenburg, a.a.O.).

Die Beklagte hatte sich auf die Entscheidung des BGH (a.a.O.) und die dortige Formulierung hinsichtlich des sogenannten "gezielten Schweigens" sowie auf die Aussage bezogen, die Behörde wisse nach einer solchen Mitteilung, dass sie den Bußgeldbescheid nicht auf die Einlassung des Betroffenen stützen könne, sondern sich darüber klar werden müsse, ob die übrigen Beweismittel für eine Ahndung ausreichen, abstelle und daraus ableite, dass durch die Formulierung "derzeit" bzw. "bleibt vorbehalten", mit der eine Einlassung in Aussicht gestellt werde, somit kein gezieltes Schweigen vorliege. Ein solches könne nur vorliegen, wenn die Behörde keine weiteren Informationen erhalte. Das AG Augsburg hat dem entgegengehalten, allein mit der Formulierung, dass der Kläger derzeit keine Angaben zur Sache mache und eine Begründung des Rechtsmittels vorbehalten bleibe, werde keine Einlassung zur Sache in Aussicht gestellt. Allein aufgrund dieses Vorbringens könne die Ordnungsbehörde nicht auf weitere Informationen hoffen, da dadurch gerade nicht eine weitere Einlassung in Aussicht gestellt, sondern gerade eben lediglich vorbehalten bleibe. Die Behörde wisse auch in diesem Fall, dass derzeit keine Einlassung des Betroffenen erfolgen werde. Die Behörde müsse daraus folgern, dass sie momentan keine weiteren Informationen erhalte, und sie damit bei der Beurteilung der Frage, ob das Ordnungswidrigkeitenverfahren fortgeführt oder eingestellt werde, nur auf die vorliegenden Beweismittel zurückgreifen könne.

Mit der Formulierung "derzeit" werde auch keine Einlassung in Aussicht gestellt, sondern nur der momentane Ist-Zustand mitgeteilt. Zum anderen definiere der BGH (a.a.O.) das gezielte Schweigen dahingehend "...wenn der Verteidiger seinem Mandanten im Bußgeldverfahren rät, zu dem erhobenen Vorwurf zu schweigen und die entsprechende Entschließung seines Mandanten der Verwaltungsbehörde mitteilt." Der BGH verlange für das Vorliegen des sogenannten gezielten Schweigens lediglich, dass der Verteidiger seinem Mandanten zu schweigen rät und diesen Entschluss der Ordnungsgeldbehörde mitteilt. Diese Berufung auf das Aussageverweigerungsrecht müsse nicht als endgültig und unbedingt dargestellt werden.

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